Gesetz zur Änderung kommunalverfassungsrechtlicher Vorschriften beschlossen Der Landtag hat heute, am 15. Oktober 2015, das Gesetz zur Änderung der Gemeindeordnung mit den Stimmen der Regierungsfraktionen beschlossen. Damit setzen wir eines der zentralen Anliegen der grün-roten Landesregierung um: die Stärkung der direkten Demokratie und die gleichzeitige Stärkung der repräsentativen Demokratie. Mit dem Gesetz erleichtern wir Bürgerbegehren und Bürgerentscheide auf kommunaler Ebene und wir machen die Arbeit in den Gemeinderäten und Kreistagen für die Bürgerinnen und Bürger/ Einwohner transparenter. Gleichzeitig werden die Mitwirkungsrechte der gewählten Rätinnen und Räte gestärkt. Mit der Novellierung der GemO und der LKrO geben wir den Kommunen ein Regelwerk für moderne Mitbestimmung an die Hand, mit dem die Lebenswirklichkeit Bürgerinnen und Bürger in den Kommunen angemessen abgebildet wird. Die Stärkung der direkten Demokratie steht dabei nicht im Widerspruch zur repräsentativen Demokratie. Im Gegenteil: Die gewählten Gemeinderätinnen und -räte und Mitglieder des Kreistags erhalten durch die Novellierung des Gesetzes mehr Mitspracherechte. Selbstverständlich werden Entscheidungen des Gemeinderats oder Kreistags auch künftig mit Mehrheit getroffen. 1. Ziele der Reform Mit den Änderungen in der Gemeinde- und Landkreisordnung sorgen wir für mehr direkte Demokratie, eine bessere Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an kommunalpolitischen Themen, eine verstärkte Beteiligung von Jugendlichen in den Kommunen, eine Stärkung des Gemeinderates mit verbesserten Arbeits- und Rahmenbedingungen für die ehrenamtlich tätigen Gemeinde- und Kreisräte/innen, mehr Transparenz (Mitteilungen im Amtsblatt) die Möglichkeit, amtliche Bekanntmachungen im Internet veröffentlichen zu können, die Anhebung der Altersgrenze für Wahlbeamte (Bürgermeister, Landräte und Beigeordnete) die Aufhebung familiärer Hinderungsgründe für Kandidaturen zum Gemeinderat. 2. Was konkret sind die wichtigsten Änderungen der GemO und LKrO? 1. Änderungen bestehender Regelungen zur direkten Demokratie • § 20 a Einwohnerversammlung: Anregungen der Versammlung sollen von der Kommune innerhalb von 3 Monaten behandelt werden • • • § 20 b Einwohnerantrag 1 Aus Bürgerversammlung wird Einwohnerversammlung Zahl der notwendigen Unterschriften wird abgesenkt Frist für neu beantragte Versammlung auf 6 Monate halbiert Aus Bürgerantrag wird Einwohnerantrag • Gemeinderat muss ein Thema behandeln • • § 21 (3 bis 8) Bürgerbegehren, Bürgerentscheid • • • • • Zahl der notwendigen Unterschriften wird abgesenkt Frist für neuen Einwohnerantrag auf 6 Monate halbiert Zahl der Unterschriften abgesenkt, 7%. Frist verdoppelt für Begehren nach GR-Beschluss auf 3 Monate Zustimmungsquorum von 25% auf 20% abgesenkt. Einleitender Beschluss zu Bauleitplanung wird bürgerentscheidsfähig. Information der Bevölkerung geregelt Vertrauensleute geregelt Diese Änderungen wurden interfraktionell von allen vier Fraktionen im Landtag vereinbart. Bürgerbegehren und Bürgerentscheid zur Bauleitplanung wollten die Oppositionsfraktionen inzwischen nicht mehr mittragen. Begründet wurde dies mit den notwendigen Baumaßnahmen zur Unterbringung von Flüchtlingen in den Städten und Gemeinden, die durch Bürgerbegehren erschwert würden. Die beschlossenen Erweiterungen der direkten Demokratie bleiben zum Teil weit hinter den Regelungen anderer Bundesländer zurück (etwa Bayern) und stehen im Einklang mit der grundgesetzlich garantierten kommunalen Selbstverwaltung. 2. Änderung bestehender Vorschriften zur Stärkung der Rechte der Ratsmitglieder Im Koalitionsvertrag haben wir mit unserem Koalitionspartner die Anforderungen an eine zeitgemäße Kommunalverfassung und die Stärkung der Rechte der Ratsmitglieder vereinbart. Folgende Änderungen bestehender Vorschriften nehmen wir mit dem Gesetzentwurf nun vor: § 24 (3) Recht auf Unterrichtung des GR • • Recht auf Akteneinsicht • Quorum von 1/4 auf 1/6 der GR-Mitglieder abgesenkt Fraktionen erhalten dieses Recht Quorum bleibt wie bisher (1/4 der GR) § 34 (1) 7 Tage-Frist für Einladungen • Von 3 auf 7 Tage erhöht Recht auf Sondersitzung und Recht, ein Thema auf TO zu setzen • • Quorum 1/4 der GR bleibt. neu: Fraktionen erhalten dieses Recht 2 § 39 (3) Verweis in die Vorberatung Kann-Bestimmung für Regelung in der Hauptsatzung • • • § 39 (5) Vorberatungen öffentlich, wenn GR dies beschließt und wenn § 35 (Öffentlichkeit der Sitzung) dies zulässt • auch Fraktionen können dieses Recht bekommen, Veränderung der Regelmöglichkeit von 1/5 auf 1/6 der Ratsmitglieder Bisher in der Regel nicht öffentlich auch bei Themen, die im GR öffentlich zu verhandeln sind • § 72 Gemeinderat kann Fraktionen im Ortschaftsrat eine Äußerungsmöglichkeit im Amtsblatt gewähren • Kann-Bestimmung zur kommunalen Ausgestaltung 3. Neue Regelungen bzw. Abschnitte zu Verfahrensrechten der Gemeinderäte Die mit dem Gesetz neu eingeführten Paragraphen bzw. Abschnitte betreffen Verfahrensrechte des Rates: 3.1. Die Erstattung der Aufwendungen für Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Familienangehörigen von Ratsmitgliedern wird festgeschrieben und ist kommunal zu regeln – jede Kommune kann das auf ihre Weise tun. 3.2. Fraktionen a) Fraktionen werden erwähnt, der Begriff wird definiert; Fraktionen können pauschale Mittel erhalten. Die Kommune entscheidet über das Ob und das Wie – das stärkt die örtliche Ebene. b) Fraktionen erhalten das Recht, sich im Amtsblatt zu äußern, wenn dieses einen redaktionellen Teil hat. Die Kommunen können Art und Umfang selbst regeln (sog. Redaktionsstatut). c) Fraktionen oder ein Viertel der Ratsmitglieder können Themen auf die Tagesordnung setzen. kein bürokratischer Aufwand, Mitwirkungsrecht der ehrenamtlich tätigen Gemeinde- und Kreisräte/-innen wird gestärkt; am Ende entscheidet die Mehrheit. 3.3. Die Veröffentlichung von Informationen im Internet wird ermöglicht. Die Kommunen regeln das Wie. 3.4. Ergänzung der Vorschriften zur Beteiligung von Jugendlichen. Die Jugendbeteiligung wurde bereits im April 2013 interfraktionell abgestimmt (siehe Drucksache 15/3332 - http://www9.landtag-bw.de/WP15/Drucksachen/3000/15_3332_d.pdf ) kein bürokratischer Aufwand, Mitwirkungsmöglichkeit der Jugendlichen wird gestärkt. 3 3.5. Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Ratsmitglieder (Themen auf die Tagesordnung, Unterrichtung durch den Bürgermeister, ausreichende Frist, um Sitzungsvorlagen lesen zu können). kein bürokratischer Aufwand, Mitwirkungsrecht der ehrenamtlich tätigen Gemeinde- und Kreisräte/-innen wird gestärkt; am Ende entscheidet die Mehrheit. Diese neuen Regelungen haben wir sorgsam abgewogen. Sie werden mit wichtigen gesellschaftspolitischen Zielsetzungen begründet und orientieren sich an folgenden politischen Leitlinien: • • • • Familienfreundlichkeit und Beteiligung von Frauen am kommunalen Ehrenamt Transparenz der politischen Entscheidungen, die Beteiligung junger Menschen an der Kommunalpolitik angemessene Beteiligungsrechte von Ratsmitgliedern Viele Kommunen in Baden-Württemberg praktizieren dies bereits heute ohne gesetzliche Regelung, und zwar erfolgreich. Diese Vorreiterkommunen haben in Sachen Transparenz, Familienfreundlichkeit und Beteiligung Jugendlicher Standards gesetzt, die künftig landesweit gelten werden. Übersicht der neu eingefügten Paragraphen bzw. Abschnitte § 19 (4) neu eingefügt Aufwandsentschädigung bei Betreuungskosten • • Muss-Bestimmung Art der Ausgestaltung ist den Kommunen freigestellt § 20 (3) neu eingefügt Äußerungen der Fraktionen und Amtsblatt • • Muss-Bestimmung Ausgestaltung freigestellt § 32 a - neu eingefügt Definition der Fraktionen (3) Möglichkeit der Finanzierung • • Mindestzahl regelt der GR Fraktionsfinanzierung ist KannBestimmung • Bisherige Rechte des Jugendgemeinderates erweitert Rede- und Antragsrecht eigenes Budget § 41 a - neu formulierter Paragraph Beteiligungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen • • • § 41 b neu eingefügt zur Veröffentlichung von Informationen 4 Veröffentlichungspflicht von Sitzungsunterlagen und Beschlüsse im Internet 4. Änderungen, die im Gesetzgebungsverfahren von grün-rot zusätzlich eingebracht und angenommen wurden 1. Abschaffung der Hinderungsgründe für Übernahme eines Mandats ( § 29 Abs. 2 und 4 GemO) Wir erweitern die Möglichkeiten zur Übernahme eines kommunalen Mandats, indem wir alle bisherigen familiären Hinderungsgründe abschaffen. Bisher war die gleichzeitige Mitgliedschaft von Familienangehörigen (Ehegatten, Lebenspartner, Verwandte 1., 2. oder 3. Grades) oder die Mitgliedschaft von Personen, die mit dem Bürgermeister/ der Bürgermeisterin in einem die Befangenheit begründenden Verhältnis stehen, unmöglich. Die Änderung soll ab den nächsten Kommunalwahlen 2019 Anwendung finden. 2. Öffentliche Bekanntmachungen (DVO- GemO , §1 Abs. 1 Nummer 2 und entspr. LKrO) Veröffentlichung im Internet und Veröffentlichungsorgan der Gemeinde. Wir räumen den Gemeinden die Möglichkeit ein, amtliche Bekanntmachungen auf herkömmlichem Weg (Amtsblatt, regelmäßig erscheinende Zeitungen) und im Internet vorzunehmen. Die Bekanntmachungen im Internet unterliegen technischen Standards und müssen permanent zum Abruf bereitgehalten werden(Professionelle Betreuung und Veröffentlichung nur im Rahmen einer ausschließlich von der Gemeinde bzw. dem Kreis verantworteten Internetseite. Gemeinde und Kreis können sich zur Einrichtung, Pflege und zum Betrieb eines Dritten bedienen). Anmerkung: Da diese Neuerung zu Einbußen bei den Einnahmen von Zeitungsverlagen führen kann (Einsparpotenzial hoher Kosten der Veröffentlichung in Druckmedien), wollen wir uns für eine Rahmenvereinbarung zwischen dem Verband der Zeitungsverleger und den kommunalen Landesverbänden (KLV) einsetzen. Die Verleger haben angeregt, insbesondere für die Gemeinden ohne eigenen Internetauftritt eine Art Portal regional und/oder landesweit einzurichten. Diese Initiative unterstützen wir ausdrücklich. 3. Altersgrenze Bürgermeister, Landräte und Beigeordneter (§§ 46 und 50 GemO, § 38 LkrO und § 36 und 41 GBI) Wir heben die Wählbarkeitshöchstaltersgrenze für Bürgermeister und Landräte einheitlich von der Vollendung des 65. Lebensjahrs auf die Vollendung des 68. Lebensjahrs an. Für Beigeordnete wird eine Wählbarkeitshöchstaltersgrenze mit Vollendung des 68. Lebensjahrs eingeführt. Die Ruhestandsaltersgrenze der Bürgermeister, Landräte und Beigeordneten wird einheitlich von der Vollendung des 68. Lebensjahrs auf das 73. Lebensjahr erhöht. Für alle „Bestandswahlbeamte“ gilt das heutige Recht weiter. BS / 15.10..2015 5
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