Aktuelle Diagnostik bei Verdacht auf Nahrungsmittel-Allergie

Aktuelle Diagnostik bei Verdacht auf Nahrungsmittelallergie
Prof. Bodo Niggemann
Klinik für Pädiatrie m. S. Pneumologie und Immunologie, Charité Campus Virchow-Klinikum,
Berlin
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Einteilung:
IgE-vermittelte
Nahrungsmittelallergien
werden
in
primäre
und
sekundäre
Nahrungsmittelallergien eingeteilt, die unterschiedlich schwer verlaufen können. Primäre,
frühkindliche oder direkte Nahrungsmittelallergien entstehen in Folge (am ehesten)
gastrointestinaler
Sensibilisierungen
auf
vorwiegend
stabile
Nahrungsmittelallergene
(Speicherproteine). Sekundäre, Pollen-assoziierte Nahrungsmittelallergien entstehen infolge
einer Sensibilisierung gegenüber Aeroallergenen (z. B. frühblühende Baumpollen) mit
anschließenden kreuzallergischen Reaktionen auf strukturverwandte, häufig instabile
Allergene in pflanzlichen Lebensmitteln.
Epidemiologie:
Die Prävalenz von Nahrungsmittelallergien ist regional stark unterschiedlich und in vielen
Ländern in den letzten Jahren angestiegen. So hat sich die Häufigkeit der Erdnuss- und
Baumnussallergie in den letzten Jahrzehnten in den USA verdreifacht. In Griechenland
dagegen sind Nahrungsmittelallergien generell immer noch selten. Für Deutschland kann
man davon ausgehen, dass ungefähr 4 % der Kinder und 3 % der Erwachsenen eine
Nahrungsmittelallergie aufweisen.
Auslöser:
Die häufigsten Auslöser einer Nahrungsmittelallergie sind bei Kindern Hühnerei, Kuhmilch,
Erdnuss,
Baumnüsse,
Soja
und
Weizen,
bei
Erwachsenen
pollenassoziierte
Nahrungsmittelallergene wie Kern- und Steinobst, Sellerie sowie Krusten- und Schalentiere.
Symptomatik:
Bei IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergien ist am häufigsten die Haut betroffen (z. B.
Urtikaria,
Angioödem,
Atemwegssymptomen
(Bauchschmerzen,
Rötung,
(Asthma,
Erbrechen,
Juckreiz,
Stridor,
Durchfall)
Ekzemverschlechterung),
Husten),
und
gastrointestinalen
schließlich
als
gefolgt
von
Reaktionen
Maximalvariante
den
Symptomen einer Anaphylaxie mit schwerer respiratorischer oder kardiovaskulärer
Beteiligung.
Augmentationsfaktoren:
Eine wichtige Rolle für das Auftreten von allergischen Reaktionen auf Nahrungsmittel spielen
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so genannte Augmentationsfaktoren. Darunter versteht man Umgebungsfaktoren, durch die
die Schwelle, allergisch zu reagieren, deutlich gesenkt wird oder allergische Reaktionen
stärker ausgeprägt auftreten. Der bekannteste Augmentationsfaktor ist körperliche
Belastung, d. h., dass das entsprechende Nahrungsmittel ohne körperliche Belastung
problemlos vertragen wird, während der Genuss desselben Nahrungsmittels 30 bis 60 min
gefolgt von körperlicher Belastung zu einer systemischen allergischen Reaktion führen kann.
Andere Augmentationsfaktoren sind Medikamente (z. B. nicht-steroidale Antiphlogistika,
Protonenpumpenhemmer), Infekte, psychische Faktoren, Menstruation oder Alkohol.
Diagnostik:
Bei Verdacht auf eine IgE-vermittelte Nahrungsmittelallergie beruht die Diagnostik auf
mehreren Komponenten:

Anamnese (eigene Vorgeschichte, Familienanamnese, Ernährungsanamnese)

Sensibilisierungstest (v. a. spezifisches IgE im Serum, Haut-Prick-Test)

Ermittlung der klinischen Relevanz (orale Provokation, Elimination & Exposition)
Die beiden Sensibilisierungstests haben jeweils Vor- und Nachteile. Die Übereinstimmung
der beiden Verfahren ist leider nicht sehr hoch. Es müssen dennoch nicht grundsätzlich
beide Tests parallel durchgeführt werden, sondern es sollte bei Diskrepanzen mit der
Anamnese des Patienten der jeweils andere Test zusätzlich gewählt werden.
Die moderne Komponentendiagnostik mit Einzelallergenen (z. B. Ara h 2, Cor a 14, Ana o 3,
Gly m 4, Tri a 19) verbessert die IgE-Diagnostik. Sie hilft derzeit in einigen Fällen,
Provokationstestungen zu umgehen, v. a. bei pflanzlichen Allergenen wie Erdnüssen und
Baumnüssen.
Orale,
kontrollierte
und
standardisierte
Provokationen
-
meist
unter
stationären
Bedingungen - sind der Goldstandard der Nahrungsmittelallergie-Diagnostik. Sie werden
titriert durchgeführt und sollten eine kumulative Dosis an einem anderen Tag beinhalten. Der
Zeitpunkt einer Re-Provokation wird je nach Prognose des Allergens und des
Schweregrades der stattgehabten Reaktion festgelegt.
Die spezifische orale Toleranzinduktion mit Nahrungsmittelallergenen sollte bei der primären
Nahrungsmittelallergie zurzeit nur im Rahmen von kontrollierten Studien eingesetzt werden.
Bei Pollen-assoziierten Nahrungsmittelallergien gelten alle genannten Empfehlungen
weniger streng.
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Therapie:
Der
Hauptpfeiler
der
Therapie
von
Nahrungsmittelallergien
ist
eine
adäquate
Eliminationsdiät. Bei wenigen Nahrungsmitteln, wie z. B. im Fall von Kuhmilchallergie beim
wachsenden
Kind,
(Extensivhydrolysat,
muss
eine
entsprechende
Aminosäureformula).
Im
Substitution
Zweifel
sollte
vorgenommen
-
zumindest
werden
bei
bei
einschneidenden Diäten - eine allergologisch erfahrene Ernährungsfachkraft hinzugezogen
werden. Die Indikation zur Diät muss regelmäßig re-evaluiert werden.
Bei akuten klinischen Reaktionen ist intramuskulär injiziertes Adrenalin das Medikament der
Wahl. Daneben kommen systemische Antihistaminika und Glukokortikoide, sowie ggf.
inhalierbare Bronchodilatatoren oder Volumen zum Tragen.
Langzeitmanagement:
Patienten mit zu befürchtenden anaphylaktischen Reaktionen müssen mit einem AdrenalinAutoinjektor ausgestattet werden, der ständig mit sich geführt werden muss. Dazu muss die
Umgebung (Partner, Familie, Kindergarten, Schule) im Umgang, aber auch mit der
Indikationsstellung zum Einsatz, geschult werden.
Prognose:
Daten zum Verlauf der Nahrungsmittelallergie zeigen, dass die frühkindliche Hühnerei- und
Kuhmilchallergie eine gute Prognose im Sinne einer spontanen Toleranzentwicklung hat,
während die Erdnuss- und Baumnussallergie oft bis in das Erwachsenenalter oder
lebenslang persistiert. Für andere Allergene liegen wenig verlässliche Daten vor.
Allergieprävention:
Bei Kindern, die ein erhöhtes Risiko für eine Nahrungsmittelallergie aufweisen (mindestens
ein Elternteil manifest allergisch erkrankt), kann folgendes Vorgehen zur Primärprävention
empfohlen werden:







Stillen über 4 bis 6 Monate,
wenn Stillen nicht möglich ist, Gabe einer durch Studien belegten allergenreduzierten,
hydrolysierten Formula auf Kuhmilchbasis,
keine Diät der Mutter während Schwangerschaft und Stillzeit,
Zufütterung von Beikost ab dem 4. bis 6. Lebensmonat,
Soja als Ersatznahrung wird erst ab dem 1. Lebensjahr empfohlen,
Vermeiden von Passivrauch
Vermeiden von felltragenden Tieren (v. a. Katzen).
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