Auswertung der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE „Salmonellenausbruch bei einem bayerischen Eierproduzenten“ (Bundestagsdrucksache 18/5082) Berlin, 8. Juli 2015 Hintergrund Im Sommer 2014 erkrankten in Deutschland, Österreich, Großbritannien und Frankreich hunderte Menschen fast zeitgleich an der Salmonellose desselben Typs Salmonella enteritidis PT14b. Nach einem Medienbericht der „Süddeutschen Zeitung“ vom 21. Mai 2015 mit dem Titel „Verdorben“ ging die gefährliche Bakterieninfektion offenbar auf belastete Eier eines einzigen Legehennen-Bestandes in Bayern zurück, der zu einem der größten Eierproduzenten in Deutschland gehört. Es handelt sich dabei um das Unternehmen „Bayern-Ei“. Die Behörden der anderen betroffenen Staaten jedenfalls zeigten nach sorgfältigen Untersuchungen deutlich auf, dass der Ursprung des Salmonellenausbruchs mit ernstzunehmender Wahrscheinlichkeit in der bayerischen Legehennen-Haltung liegt. Im betroffenen Betrieb selbst, der die Legehennen in Kleingruppenkäfigen hält, verendeten zum Höhepunkt des Ausbruchs täglich mehrere hundert Hühner. Gegenüber den besorgten Mitarbeitern wurde die hohe Sterberate der Tiere von der Betriebsführung offenbar mit der Sommerhitze begründet. Amtliche Kontrolleure wiesen in dem Betrieb nach dem Medienbericht bereits deutlich vor dem Ausbruch bei zwei Untersuchungen Salmonellen auf Eiern nach, ergriffen aber keine Maßnahmen, um eine Ausbreitung der Erreger wirksam zu bekämpfen. Nach Angaben des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit sei bei ausreichender Küchenhygiene keine Gesundheitsgefahr zu erwarten. Auch während sich die Salmonelleninfektionen ausbreiteten, wurden in dem Betrieb Nachweise des Typs PT14b erbracht, eine Verbraucherwarnung blieb jedoch aus. Bereits in der Vergangenheit stand die Wirksamkeit der Lebensmittelüberwachung in der Kritik. Beklagt wurden insbesondere nach Lebensmittelskandalen die unzureichende Zusammenarbeit der Behörden der Bundesländer und des Bundes, ein unzureichender Informationsaustausch sowie Koordinationsmängel in Krisensituationen. Zudem könnten die Überwachungsbehörden ihrer Überwachungspflicht aufgrund von Personal- und Ausstattungsmängeln nicht immer nachkommen (siehe Gutachten des Präsidenten des Bundesrechnungshofs als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung „Organisation des gesundheitlichen Verbraucherschutzes – Schwerpunkt Lebensmittel“ von Oktober 2011). Das System der Lebensmittelsicherheit in Deutschland fußt auf dem Recht der Europäischen Union (EU), das im Wesentlichen mit dem Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) in nationales Recht umgesetzt wurde. Obwohl in Deutschland die Bundesländer ganz überwiegend die Lebensmittelüberwachung durchführen, ist der Bund für die Umsetzung und Einhaltung der EU-Vorgaben einschließlich der damit zusammenhängenden Berichtspflichten zuständig. Zudem muss er laufend die Wirksamkeit durch Kontrollverfahren überprüfen und koordiniert die Zusammenarbeit mit den Ländern. Der staatenübergreifende Salmonellenausbruch wirft erneut die Frage auf, inwieweit die derzeitige Organisation der Lebensmittelüberwachung hinreichend geeignet ist, die Gesundheit der Bevölkerung und die Einhaltung EU-rechtlicher Lebensmittelvorschriften in geeigneter Weise sicherzustellen. Salmonellen-Funde in Deutschland 2014 Im Jahr 2014 wurden 23 Salmonellen-Vorfälle (Salmonella (S.) Enteritidis) bei Legehennen durch Eigenbeprobungen der Unternehmer oder im Rahmen amtlicher Kontrollen registriert. Auffällig ist, dass amtliche Untersuchungen bei einer deutlich geringeren Beprobungszahl deutlich höhere Positivbefunde zeigen. Sie liegen bei den Kontrollbehörden viermal höher als bei den betrieblichen Kontrollen. Alle vier Positiv-Befunde aus Bayern, die nur durch amtliche Kontrollen festgestellt wurden, stammen von der Firma Bayern-Ei. Auch hier lag die Zahl der amtlichen Kontrollen deutlich unter der Anzahl betrieblicher Eigenkontrollen, bei denen es keinen einzigen Befund gab. Es wäre zu klären, ob das Unternehmen Bayern-Ei ein privates Labor zur Salmonellen-Analyse beauftragt oder die Beprobung und Auswertung selbst vorgenommen hat. Sollte ein Labor beauftragt worden sein, hätte dieses die Funde sofort an die zuständigen Behörden melden müssen. Es wurden aber keine Befunde von Laboren gemeldet. Die Mehrzahl der Befunde von salmonellenbelasteten Konsumeiern im Jahr 2014 kam im Übrigen aus Bayern. Die Rolle der Behörden beim Bayern-Ei-Skandal Die relevanten Salmonellen-Ausbrüche wurden am 18.02.2014 und am 11.04.2014 durch amtliche Kontrollen bayrischer Behörden nachgewiesen. Erst am 14.08.2014 erlangte das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) Kenntnis von den Kontrollen, nicht etwa von den bayrischen Behörden, sondern aus dem EU-Schnellwarnsystem RASFF (Rapid Alert System for Food and Feed), in das die Meldung vom Bayrischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit eingestellt wurde. Danach erfuhren aufgrund der Weiterleitung der Meldung durch das BVL auch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), das Robert-Koch-Institut (RKI) und das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) davon. Das ist von erheblicher Bedeutung, da das BVL schon am 10. Juli 2014 durch französische Behörden über zahlreiche Erkrankungen in Frankreich informiert war, die sich auf Eier aus Bayern zurückverfolgen ließen. Das BVL konnte offenbar nicht sofort einen Sachzusammenhang zu dem Salmonellen-Ausbruch bei Bayern-Ei herstellen. Zudem gab es bereits am 31.07.2014 Meldungen zahlreiche Erkrankungsfälle in Österreich. Die österreichischen Behörden haben sofort einen Zusammenhang mit den Erkrankungen in Frankreich hergestellt. Weitere Erkrankungen meldete Frankreich am 01.08.2014. Am 14.08.2014 baten dann auch Behörden aus Großbritannien um Informationen über Bayern-Ei. Hier waren mittlerweile 150 Personen erkrankt. Am 18.08.2014 meldete Frankreich zwei weitere Salmonellen-Ausbrüche mit 23 Erkrankten. Zwischendurch standen die Behörden in Österreich, Frankreich und Großbritannien bilateral mit den bayrischen Behörden in Kontakt. Das BVL war dabei nur unvollständig und nachrichtlich („nur CC“), bzw. als Übersetzungsdienstleister eingebunden. Das Verhalten der bayrischen Behörden nach dem 10.07.2014 blieb rätselhaft. Das BVL hatte die Warnmeldung aus Frankreich unverzüglich an die Bundesländer, und damit auch an Bayern, weitergeleitet. Auch die Meldung am 31.07.2014 aus Österreich ging unverzüglich an die Länder weiter. Eine sofortige Rückmeldung der bayrischen Behörden an BVL, RKI, BfR und BMEL über die Salmonellen-Befunde bei Bayern-EI blieb aber aus. Während die Nachbarstaaten verzweifelt versuchen, die Ursachen des Salmonellen-Ausbruchs zu ermitteln, um die Erkrankungswelle zu stoppen, weigerten sich die bayrischen Behörden Anfang September 2014 sogar, Detailfragen zu beantworten. Man würde genaue Details nur beantworten, sofern konkrete Anhaltspunkte für einen kausalen Zusammenhang vorliegen würden. Eben diese Details sollten aber bei der Feststellung der Zusammenhänge helfen. Selbst Ende September verfügen die betroffenen Saaten noch immer nicht über alle relevanten Informationen aus Bayern. Die Stellen des Bundes blieben derweil untätig, da sie von Bayern nicht um Amtshilfe gebeten wurden. Auch das Nationale Referenzzentrum für Salmonellen beim RKI wurde erst am 14.08.2014 in den Fall einbezogen. Es hatte allerdings erste Fälle aus Bayern schon am 22.07.2014 vorliegen und bekam eine erste Anfrage am 01.08.2014 aus Frankreich. Erst in der zweiten Augusthälfte wurden systematisch Proben bei Bayern-Ei zu dem Ausbruchsgeschehen veranlasst. Erst Ende Juli 2014 wurden die Beschäftigten an den vier Bayern-Ei-Betrieben auf Salmonellen untersucht. Zu diesem Zeitpunkt lagen die Behörden-Erkenntnisse schon Monate zurück. Die zweifelhafte Rolle des Bundes Bei länderübergreifenden Lebensmittelkrisen ist vorgesehen, dass das BMEL das Geschehen koordiniert. Allerdings gilt diese Regelung nur nach innen. Obwohl mindestens vier EU-Nachbarstaaten von dem Vorfall betroffen waren, blieb der Bund in dem Fall untätig, da nur ein Bundesland, nämlich Bayern, betroffen war. Die Betroffenheit von vier weiteren Staaten hätte eine Koordinierung des Bundes zwingend erforderlich gemacht, zumal die bayrischen Behörden nur zögerlich, spät und unvollständig informierten. Für den Betrieb Bayern-Ei mit vier Standorten in Bayern, der seine Eier vorwiegend im europäischen Ausland vermarktet, sind drei verschiedene Landratsämter zuständig. Eine Koordination mit den ausländischen Behörden gestaltete sich entsprechend schwierig. Der Bund hatte aufgrund der föderalen Strukturen in der Lebensmittelüberwachung kein Bild von den Gründen und dem Umfang des Ausbruchgeschehens und verfügte über keine Informationen darüber, zu welchem Zeitpunkt sich der Salmonellenausbruch ereignete. Obwohl es sich um einen europaweiten Salmonellenvorfall mit mehreren hundert Erkrankten und mindestens zwei Toten handelt, kann die Bundesregierung keine Angaben über die Anzahl der betroffenen Menschen machen. Die Verbraucher In den anderen betroffenen Staaten wurden die möglicherweise belasteten Eierlieferungen sofort aus dem Handel genommen. In Deutschland wurde der Salmonellenvorfall gegenüber den Verbrauchern von den bayrischen Behörden zunächst geheim gehalten und später heruntergespielt. Obwohl sich mittlerweile herausgestellt hat, dass Konsumeier von Bayern-Ei bei einzelnen EDEKA-Supermärkten vertrieben wurden, erfolgte nach den Salmonellenbefunden im Februar und April 2014 keine unmittelbare Verbraucherwarnung. Aufgrund der Untätigkeit der bayrischen Behörden zwischen Februar und Juli wurde ein Großteil der möglicherweise salmonellenbelasteten Eier abverkauft und verzehrt. Die betroffenen Legehennen wurden routinemäßig zwischen dem 26.06.2014 und dem 22.07.2014 ausgestallt, also getötet und entsorgt. Sie konnten zur Aufklärung der Eintragsquelle des Salmonellenausbruchs nicht mehr untersucht werden. Erst nachdem die europaweiten Ermittlungen in Gange waren und die Bundesbehörden von den Salmonellenvorfällen bei Bayern-Ei Kenntnis hatten, wurde bei späteren Salmonellennachweisen bei Bayern-Ei Hühner-Herden gesperrt und Eier aus den Vertriebswegen zurückgerufen. Es zeigt sich, dass die als Kleingruppenhaltung bezeichnete Käfighaltung bei Legehennen möglicherweise besonders anfällig für Salmonellenausbrüchen ist. Betriebliche Eigenkontrollen sind bei sehr großen Käfigeier-Betrieben offensichtlich kein wirksames Mittel, um Salmonellenausbrüche zu unterbinden, da der Unternehmer im Falle eines Positiv-Befundes sehr schnell unter erheblichem betriebswirtschaftlichen Druck steht. Zudem sollen die Landratsämter, die hohe Gewerbesteuereinnahmen von großen Lebensmittelunternehmen im Blick haben, gleichzeitig strenge Kontrollen durchführen und bei Verstößen oder Vorfällen, wie Salmonellen-Ausbrüchen, Betriebssperrungen durchsetzen. Auch hierbei deutet sich ein Interessenkonflikt zu Lasten der Lebensmittelsicherheit und damit der Verbraucher an. Tierschutz Das Wohl der Tiere spielt bei der als Kleingruppenhaltung bezeichneten Käfighaltung eine untergeordnete Rolle. Der Bayern-Ei-Betrieb hatte überdurchschnittliche Zahl verendeter Tiere im Sommer 2014 mit witterungsbedingt hohen Temperaturen begründet. Das BMEL hat keinen Überblick darüber, wie viele Tiere üblicherweise in der Käfighaltung verenden, da dies im Tierschutzrecht nicht geregelt sei. Für die Einhaltung tierschutzrechtlicher Regelungen sind zudem die Behörden der Länder zuständig. Konsequenzen DIE LINKE im Bundestag fordert eine Neuaufstellung der Lebensmittelüberwachung. Der Bund muss für die Überwachung überregionaler und international tätiger Unternehmen zuständig sein. Die amtlichen Kontrollen müssen deutlich verstärkt werden. Die bisher üblichen betrieblichen Eigenkontrollen sind hier untauglich, da der Unternehmer immer im Konflikt zwischen Lebensmittelhygiene und Betriebsinteresse steht. Befunde, die zu einer Gesundheitsgefährdung der Verbraucher führen können, müssen sofort öffentlich gemacht werden. Auch ohne Rücksprache mit den Unternehmen müssen die Behörden die Möglichkeit haben, Verbraucherwarnungen herauszugeben. Die Unternehmen sind an den Kosten zu beteiligen. Bei Lebensmittelvorfällen, von denen das Ausland mitbetroffen ist, muss grundsätzlich der Bund zuständig sein. Zur Bekämpfung von lebensmittelbedingten Erkrankungen müssen den Behörden in anderen Staaten alle erforderlichen Informationen zugänglich gemacht werden. Es kann nicht sein, dass die Stellen anderer Länder erst Nachweise über einen Erregerursprung in Deutschland erbringen müssen. Das ist aus einem anderen Land heraus kaum möglich und behindert eine schnelle Ausklärung zum Wohle der Verbraucher. Die seit Anfang 2010 zulässigen Kleingruppen-Käfige sind unverzüglich zu verbieten. Sie sind mit dem Tierwohl nicht vereinbar. Zudem ist die Gefahr der Einschleppung und Verbreitung gesundheitsgefährdender Keime bei der Käfighaltung deutlich erhöht und macht einen deutlich erhöhten Kontrollaufwand der Lebensmittelüberwachung erforderlich. Für Rückfrage: Karin Binder (MdB) Platz der Republik 1 11011 Berlin Björn Schering Wiss. Mitarbeiter Telefon 030 - 227 70 599 Telefax 030 - 227 76 600 Mobil 0170 - 220 22 92
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