Mein Erasmus-Aufenthalt an der Ege-Universität in Izmir Von September 2015 bis Januar 2016 habe ich im Rahmen des Erasmus-Programms ein Semester an der Ege-Universität Izmir in der Türkei verbracht. Welche Erfahrungen ich vor und während des Auslandssemesters gemacht und welche Eindrücke ich gesammelt habe, werde ich im Folgenden darstellen. Vorbereitung Meine Entscheidung, ein Semester im Ausland zu verbringen, habe ich recht schnell getroffen. Ich reise gerne, bin immer offen für Neues und interessiere mich sehr für andere Kulturen und Sprachen. Besonders attraktiv ist für mich dabei die Andersartigkeit der Mentalität, der Einstellungen der Leute aber auch ihre Lebensweise; somit war die Entscheidung für die Türkei nicht besonders schwierig, da dieses Land von allen wählbaren meiner Meinung nach dasjenige mit dem größtmöglichen Unterschied zur deutschen Kultur ist. Nach dem Erhalt der Zusage von der türkischen Gastuniversität konnte ich mit mehr oder weniger Unterstützung durch das Büro für Internationalisierung am Institut für Sozialwissenschaften alle notwendigen Formalitäten wie beispielsweise die bezüglich der Kurswahl, Krankenversicherung und des Visums erledigen und schon ging es los. Unterkunft Während meines viermonatigen Aufenthalts in Izmir habe ich im Studentenwohnheim der Ege-Universität gewohnt. Bei der Bewerbung für einen solchen Platz wurde ich vom International Office der Gastuniversität tatkräftig unterstützt und hatte als Erasmus-Student gute Chancen, einen solchen zu erhalten. Im Wohnheim herrschte eine strikte Trennung zwischen Studenten und Studentinnen und es galt, gewisse Regeln einzuhalten. Für mich persönlich war diese Trennung nach Geschlecht sehr ungewohnt und auch die Verhaltensregeln waren für mein Verständnis außergewöhnlich streng. So war es beispielsweise nicht erlaubt, ein Haus der Jungs zu betreten; man musste bis zu einer bestimmten Uhrzeit abends zu Hause sein und auch der Gestaltung der Räume wurden Grenzen gesetzt. Die Geschlechtertrennung und die strengen Regeln in Kombination mit sehr hohen Sicherheitsmaßnahmen (Zutritt nur mit entsprechendem Ausweis, Gelände mit Stacheldraht umzäunt) waren für mich zunächst gewöhnungsbedürftig; mit der Zeit jedoch habe ich mich daran gewöhnt und konnte mich dennoch wohlfühlen. Ein Zimmer im Wohnheim wurde von zwei Personen bewohnt, die sich neben dem Zimmer auch ein Badezimmer geteilt haben. In jedem Wohnblock gibt es eine Küche und einen Lernraum für alle ca. 80-100 Bewohner. Diese Gegebenheiten haben das Leben im Wohnheim oft erschwert und nicht immer lief alles harmonisch ab. Die Tatsache, dass weder die für die Verwaltung noch die für die Sicherheit zuständigen Personen englisch sprechen, hat das Miteinander im Wohnheim weiterhin unnötig schwer gemacht. Im Großen und Ganzen habe ich mich dennoch wohl gefühlt und konnte die Herausforderungen des täglichen Zusammenlebens meistern. Studium Das Studium an der Ege-Universität war sehr interessant und hat im Großen und Ganzen Spaß gemacht, war zeitweise jedoch auch sehr abenteuerlich. Am Einführungstag war die für die Einführung zuständige Person abwesend und es musste kurzerhand ein Ersatz gefunden werden. Aufgrund dieser recht spontanen Änderung verlief die Einführung etwas unstrukturiert und nicht ganz ohne Komplikationen, am Ende war 1 jedoch alles Notwendige erledigt. In den ersten Seminarsitzungen habe ich dann erfahren, dass ein Großteil der Kurse, welche offiziell auf Englisch stattfinden sollten, schließlich aufgrund mangelnder Englischkenntnisse seitens der Studierenden doch auf Türkisch stattfinden sollten. Nach einigen Gesprächen, Überlegungen und Planänderungen konnte allerdings doch noch für jeden Kurs eine für mich passende Lösung gefunden werden, wie ich die Kurse auch ohne ausreichende Kenntnis der türkischen Sprache erfolgreich abschließen konnte, war ich doch die einzige von lediglich zwei Erasmus-Studenten, die kaum türkisch sprach. In den meisten Kursen bestand die Lösung darin, dass die Dozenten ihre Inhalte zunächst auf Türkisch und danach auf Englisch präsentierten; entsprechende englische Ersatzliteratur war auch schnell für mich gefunden und anstatt türkische Klausuren zu schreiben, schrieb ich Hausarbeiten auf Englisch, um am Ende eine Note für den Kurs bekommen zu können. Diese Regelungen kamen mir selbstverständlich sehr entgegen und ich bin den Dozenten vor Ort dankbar, dass sie sich darauf einließen, jedoch war es nicht immer leicht, für jedes Problem diesbezüglich eine passende Lösung zu finden. Nach kurzer Zeit kam ich mit der neuen und eher etwas außergewöhnlichen Art zu studieren klar, was jedoch bis zum Ende eine enorme Schwierigkeit darstellte, war die Tatsache, dass meist niemand für anfallende Formalitäten zuständig sein wollte. Brauchte ich ein wichtiges Dokument, eine Unterschrift oder sollten Änderungen am Learning Agreement besprochen werden, so konnte es unter Umständen lange dauern, bis jemanden gefunden war, der einen hierbei unterstützt hat. Die Zuständigkeiten waren uns nicht klar, wurden auch nie kommuniziert und erschwert wurden diese Aufgaben dadurch, dass die Leiterin des Departments (unsere offizielle Ansprechperson) praktisch nie in ihrem Büro auffindbar war, keine Sprechzeiten hatte und generell keine e-Mails beantwortete. Insgesamt kann also gesagt werden, dass die Kurse sehr interessant waren und in jedem davon eine sehr angenehme und fast familiäre Atmosphäre herrschte. Die Dozenten waren sehr hilfsbereit und freundlich und haben sich sehr darum bemüht, Probleme aufgrund von Sprachbarrieren aus dem Weg zu räumen. Nicht zuletzt durch ihren Einsatz konnte ich alle von mir belegten Kurse erfolgreich abschließen. Unwohl war uns Erasmus-Studenten jedoch, sobald wir Unterstützung bei der Erledigung von Formalitäten oder einen Ansprechpartner in anderen Angelegenheiten brauchten. Leben Das Leben in Izmir ist sehr angenehm. Die Menschen dort sind sehr offen und freundlich. Die türkische Kultur ist sehr deutlich zu erkennen, jedoch gab es aufgrund der starken westlichen Orientierung der Stadt nie Probleme, die aufgrund von unterschiedlicher kultureller Herkunft entstanden. Das Leben spielt sich sehr viel mehr auf der Straße ab als in Deutschland; wann immer man nach draußen geht, begegnet man vielen Menschen, die Straßen sind voll, der Verkehr ist zu jeder Zeit stark und chaotisch. Man ist praktisch nie allein. Insbesondere abends gehen viele Türken nach der Arbeit nach draußen, um durch die Straßen zu schlendern, einen Kaffee oder Tee zu trinken, sich mit Freunden zu treffen oder eine Wasserpfeife zu rauchen. Einen gemütlichen Abend zu Hause auf dem Sofa ist den meisten zu langweilig. Wenn in Deutschland die Menschen nach Hause gehen und die Straßen langsam immer leerer werden, geht das bunte Treiben in Izmirs Straßen erst richtig los. Die Mentalität der Leute ist sehr anders als die der Deutschen. Die Türken nehmen sich für alles immer sehr viel Zeit, sie erledigen ihre Aufgaben in aller Ruhe und lassen sich von nichts und niemandem stressen. Sie sind sehr entspannte Menschen und strahlen immerzu Gelassenheit aus. Diese Mentalität ist zum einen sehr angenehm, weil man sich für die 2 einzelnen Dinge ausreichend Zeit nehmen kann. Man hetzt praktisch nie von einer Aufgabe zur nächsten und man nimmt irgendwann diese Gelassenheit an, das Leben läuft einfach ein bisschen weniger im Eiltempo ab. Schwierig wird es allerdings dann, wenn man etwas Dringendes erledigen sollte. Dies sehen die meisten Beamten auf Behörden nicht als einen Grund an, schneller zu arbeiten oder sich aus der Ruhe bringen zu lassen. Begibt man sich zu einer türkischen Behörde, so muss man sehr viel Zeit und Geduld mitbringen und darf auf keinen Fall die Erwartung haben, dass nach diesem Behördengang die Sache erledigt ist; dies ist äußerst selten der Fall, denn die türkische Bürokratie läuft sehr langsam und chaotisch ab. Wenn man an die strikten, genau geplanten und perfekt organisierten Abläufe in Deutschland denkt, dann braucht man schon etwas Zeit, um als Deutscher nicht auf türkischen Behörden zu verzweifeln. Freizeit In meiner Freizeit war ich während der letzten vier Monate sehr viel unterwegs. Ob im Wohnheim, an der Universität, im Türkischkurs, im Student Network oder in einem der vielen Clubs der Uni, ich habe sehr schnell sehr viele Leute kennen gelernt. Unsere freie Zeit haben wir zu einem großen Teil mit Reisen verbracht. Mal waren es Tagesausflüge oder kürzere Trips entlang der Westküste der Türkei, ein andermal reisten wir nach Kappadokien und zuletzt verbrachten wir eine Woche in Istanbul. Unsere freien Tage verbrachten wir somit nur sehr selten in Izmir. Unter der Woche trafen wir uns abends oft, um gemeinsam im Wohnheim oder bei Freunden zu kochen und nicht selten schlossen wir uns dem pulsierenden Leben auf Izmirs Straßen, in den Cafés, Musikbars oder Kneipen an. Sehr schön waren auch unsere Spaziergänge entlang der Uferpromenade, bei der wir den Sonnenuntergang mit Meerblick betrachten konnten. Fazit Insgesamt bewerte ich mein Auslandssemester an der Ege-Universität in Izmir sehr positiv. Selbstverständlich darf nicht vergessen werden, dass es vor und währen dem Aufenthalt immer wieder kleinere Schwierigkeiten gab, die aufgrund von organisatorischen Strukturen, aber auch von Sprachbarrieren entstanden. Die Bewältigung war meist nicht so leicht, aber letztendlich hat alles nach einiger Zeit und mit viel Geduld immer geklappt. Auch an die Abläufe auf türkischen Behörden und die kleineren Komplikationen im Wohnheim konnte ich mich gewöhnen. Ich hatte an der Ege-Universität eine schöne Zeit mit vielen interessanten Kursen und freundlichen und hilfsbereiten Dozenten und Studenten. Die Erfahrungen aus dem Wohnheim waren für mich und meine persönliche Weiterentwicklung wichtig. Nicht zuletzt und vor allem waren es die vielen liebenswerten Menschen nahezu aus aller Welt, die ich kennen lernen durfte und mit denen ich unvergessliche Erlebnisse an so vielen verschiedenen Orten teilen konnte. Die türkische Kultur und Mentalität kennen zu lernen und auch Grundkenntnisse der Sprache zu erwerben, hat viel Spaß gemacht. Jederzeit würde ich dieses Erlebnis wiederholen. Düsseldorf, 31.01.2015 3
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