Äcker haben ein langes Gedächtnis

Pflanze
■ BAUERNBLATT l 8. August 2015
Zunehmender Rapsdurchwuchs zwingt zu Stoppelmanagement nach der Ernte
Äcker haben ein langes Gedächtnis
In der vergangenen Woche haben
wir über Ergebnisse der Landwirtschaftskammer zum Thema Durchwuchsraps informiert. Dieses Thema wird in der Praxis intensiv diskutiert. Der folgende Artikel greift
es daher erneut auf. Der Anteil der
Rapsfelder, die vor der Ernte ein
sehr unruhiges Schotendach zeigen, hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Viele dieser Felder gehen auch ohne besondere Witterungsereignisse teilflächig in ein unterschiedlich stark
ausgeprägtes Lager. Ursache sind
vom Saatbestand stark abweichende Rapspflanzen, die 0,5 bis
1,0 m länger als die eigentlichen
Sorten sind und einen Abreiferückstand von zwei bis drei Wochen
aufweisen.
Feld mit starkem Besatz an Durchwuchsraps.
Bei diesen Pflanzen handelt es sich
eindeutig um Rapsdurchwuchs aus
dem Bodensamenvorrat. Durch natürliche Verluste vor und technische Verluste während des Erntevorganges eines „normalen“ Rapsbestandes bleiben nach Literaturangaben zwischen
2.000 und 10.000 Samen je Quadratmeter. Der Schwerpunkt liegt bei
4.000 Samen je Quadratmeter! Die
höheren Werte sind beim Drusch von
gänzlich unreifen Beständen beziehungsweise dem Mitdrusch von
„Gummischoten“ aus den unteren
Verzweigungen der Rapspflanzen zu
erwarten. Weit höhere Verluste treten
oft nach Hagelereignissen auf. Daten
über Saatverluste von Feldern mit hohem Anteil an Durchwuchsraps gibt es
noch nicht. Zusätzlich zu den Druschverlusten von unreifen Beständen
führt ein unruhiges bis teilflächig lagerndes Schotendach zu weiteren
Druschverlusten. Sikkation ist bei ungleichmäßig abreifenden Beständen
fachlich sinnvoll, aber angesichts der
bekanntenöffentlichenDiskussionzunehmend problematisch. Dabei verursacht stärkerer Besatz an abweichenden Durchwuchspflanzen deutliche
Mindererträge. Diese können sich
nach Erfahrungen aus der Praxis auf
6 bis 8 dt/ha belaufen.
Um Klarheit zu gewinnen, wie sich
stark abweichende Durchwuchspflanzen hinsichtlich Ertrag und Ölgehalt verhalten, wurden entsprechende Parzellen im eigenen Sortenversuch in Grabau untersucht.
Foto: Ulrich Henne
Zur Erläuterung der Abbildung 1:
Bei der Drillsaat sind in den Parzellen
,Avatar’ 70 % + Durchwuchs 30 %“
optisch weniger Durchwuchspflanzen
aufgelaufen. Lager ist durch die
Trennstreifen zwischen den Parzellen
nicht aufgetreten. Die Parzellen mit
den stark vegetativen Durchwuchspflanzen sind nach dem Scheiteln kurz
vor der Ernte sikkiert worden, sonst
wären sie nicht druschfähig gewesen.
Die Öluntersuchung des Erntegutes
aus der Reinsaat Durchwuchsraps hat
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BAUERNBLATT l 8. August 2015 ■
Abbildung 1: Winterraps Sortenversuch Grabau, verkürzt
2014
Boden / AZ
Vorfrucht
Aussaat
Mittel dt/ha
100 rel = €/dt
Rapspreis €/dt + Mehröl
dt/ha
vk
Öl %
67,4
63,8
40,5
39,8
4,38
5,50
3,37
5,32
46,20
44,63
41,08
41,70
Avatar
Avatar 70 % Durchwuchs 30 %
Durchwuchs deutlich abweichend
Durchwuchs vollkommen abweichend
IS / 35
WW
28.8.2013
65,5
2.116
30
Marktleist. ML rel.
€/ha
2.209
2.047
(1.233)
(1.225)
104
97
(58)
(58)
Parzellenerträge in 4-facher Wiederholung, ohne Abzug
Quelle: Henne, U., 2014 Versuchsdurchführung: Firma Agrartest
ergeben: bei deutlich abweichenden
Pflanzen 56 µmol Glukosinolate und
34 % Erucasäure; bei vollkommen abweichenden Pflanzen 47 µmol Glukosinolate und 29 % Erucasäure.
Die Ursprungspflanzen stammen
aus dem gleichen Feld. Es handelt sich
in diesem Fall also um alte Herkünfte
mit dem Qualitätsstatus der 1970er
oder 1980er Jahre.
Alte Rapssorten
kommen noch durch
Die phytosanitäre Situation der
dreifeldrigen Fruchtfolgen in den alten Rapsanbaugebieten ist inzwischen dadurch gekennzeichnet, dass
Durchwuchsraps ein allgemeines Unkrautproblem geworden ist. Es ist daher nicht verwunderlich, dass zunehmend flächendeckend Kohlhernie
auftritt, von anderen Rapskrankhei-
ten und Schädlingen ganz abgesehen.
Die Bedeutung des Bodensamenvorrates an Raps zeigen Erfahrungen
auf einer Schlaggruppe mit 15 Jahren
Weizenmonokultur mit jährlicher
Pflugfurche. Es ist zu bedenken, dass
in der Zeit keine Rapssaat mehr in
den Boden gelangt ist. Erst in den
letzten Jahren ist fast kein Raps mehr
aufgelaufen. Das zeigt exemplarisch
die Persistenz von Rapssaat, aber
auch von anderen hartschaligen Unkrautsamen im Boden.
Im praktischen Rapsanbau ist heute zu bedenken, dass über die Zeit die
Saat von diversen Sorten mit unterschiedlichen Qualitätsparametern in
den Boden gelangt ist. Die Saat der
stark vegetativen Pflanzen in dem
Parzellenversuch stammt von einem
Betrieb, der definitiv nie Futterraps
angebaut hat. Es muss also vermutet
werden, dass im Laufe der Generatio-
nen eine Aufspaltung stattgefunden weniger in der Lage, pflanzenbaulihat. Wie sich diesbezüglich der mit je- che Fehler auszugleichen.
dem Anbau wiederkehrende Ausfall
von Hybridraps verhält, konnte bisManagement von
her nicht eindeutig erklärt werden.
Ausfallsamen überprüfen
Wie wirken
Hybridsaaten?
Versuche mit dem Gemisch aus
Z-Saatgut, Hybridsaat und Saat des
Konsumbestandes geben die Situation im Feld nicht ausreichend wieder.
Felder, die seit Mitte der 1990er Jahre
nurmitHybridsaatgutbestelltworden
sind und wo immer ein gutes Stoppelmanagement durchgeführt wurde,
weisen nach einem Hagelereignis vor
wenigen Jahren ebenfalls ein total
ruppiges Schotendach auf.
Es sollte an dieser Stelle deutlich
geworden sein, dass ein langfristiges
Denken erforderlich ist und das Problem mit Durchwuchsraps nicht verharmlost werden kann. Äcker haben
ein ganz langes Gedächtnis.
Clearfield-Raps mag zwar für zwei
bis drei Anbaujahre im Anbau weiterhelfen. Wenn aber diese Technologie
ohne triftige Gründe eingesetzt und
pflanzenbaulich nichts durchgreifend geändert wird, wird ein neues
Problem in der gesamten Fruchtfolge
herbeigeführt. Dann wird man zu
schätzen wissen, wie unkompliziert
die Bekämpfung von Durchwuchsraps mit Sulfonylharnstoffherbiziden
in den anderen Kulturen war. Angesichts zunehmender administrativer
Hemmnisse und ausbleibender Innovationen ist Pflanzenschutz immer
Abbildung 2: Besatz an Durchwuchsraps in Rapsstoppeln, Fehmarn 2014
Quelle:Henne, U., Olderog, K., 2014
Im Bereich des Managements von
Ausfallsamen besteht dringender
Handlungsbedarf, nicht nur in Bezug
auf Ausfallraps, sondern insbesondere
auch hinsichtlich der Rapsproblemunkräuter Barbarakraut, Storchschnabel,
Wegrauke und Kerbelarten. Oberstes
Ziel muss es sein, alle Unkräuter nach
der Rapsernte möglichst schnell und
vollständig zum Keimen zu bringen
und keinesfalls in den Bodensamenvorrat gelangen zu lassen. Dort werden sie unkontrollierbar.
Stoppelmanagement
bei Raps braucht Zeit
Ausfallraps und viele Unkräuter
keimen allerdings nur, wenn sie reif
sind und zusätzlich ihre mehr oder
minder ausgeprägte primäre Keimruhe (Dormanz) überwunden haben.
Letzteres geschieht wie bei Ackerfuchsschwanz unter Licht- und Sauerstoffeinfluss. Im Umkehrschluss führt
das Vergraben von unreifer beziehungsweise in primärer Keimruhe
befindlicher Saat dazu, dass sie in eine meist lang anhaltende sekundäre
Keimruhe eintritt.
Nicht nur die Saat von stark vegetativem Durchwuchsraps ist unreif,
sondern auch vor der Erntereife
ausgehagelter Raps. Die Erfahrung
zeigt, dass nach einem Hagelereignis trotz mehrfacher sehr flacher
Bearbeitung mit der Spatenrollegge und Grubbern sowie Bestellung
erst Anfang Oktober der vorher
sehr saubere Schlag danach massiven Rapsdurchwuchs aufweist. Leider hat ein möglichst „schwarzer
Acker“ sofort nach der Ernte ein
überragend gutes Image. Das mag
(bei Getreide) zum Strohmanagement in der Vergangenheit erklärbar gewesen sein, ist aber für das
Ausfallsamenmanagement bei vielen Spezies immer falsch gewesen!
Es liegt also ein Zielkonflikt vor, bei
dem das Ausfallsamenmanagement Vorrang hat, weil eine Korrektur durch Pflanzenschutz immer
schwieriger wird. Emotionale, aber
auch arbeitswirtschaftliche Gründe
rechtfertigen kein falsches Nacherntemanagement mehr. Anhand
von wissenschaftlichen Ergebnissen
darf danach mindestens in den ersten vier Wochen nach der Rapsernte keine mischende Bearbeitung
der Stoppeln erfolgen. Nach der
Rapsernte 2014 konnte das folgende Ergebnis ermittelt werden:
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Unterschiede zwischen
„Normal“ und Spätsaat
Zur Erklärung: 2013 wurde Raps in
Streifen von 24 m Breite am 22. August und am 7. September gesät.
Gleichzeitig mit der Bestellung der
Normalsaat ist zur Spätsaat eine
Scheinbestellung erfolgt. Der Aufwuchs wurde kurz vor der Bestellung
am 7. September mit Glyphosat beseitigt. Die Normalsaat wies neben
Ackerfuchsschwanz einen erheblichen Besatz an Durchwuchsraps auf.
In der Spätsaat war der Besatz als Folge der besonderen Behandlung etwa
60 bis 70 % geringer. Da das Rapssaatgut aus technischen Gründen bei
der Aussaat nicht in den Boden eingeschlitzt werden konnte, sind aus
dem Bodensamenvorrat wieder
Rapssamen hochgerissen worden.
Sonst wäre der Besatz an Durchwuchsraps in der Spätsaat vermutlich
noch geringer gewesen.
Nach der Ernte ist das Feld mehrfach gestriegelt worden. Eine Zählung des Ausfallrapses war unmög-
lich. Am 2. September 2014 wurde
der Bewuchs mit Glyphosat behandelt. Am 9. September 2014 erfolgte
eine 2 bis 3 cm tiefe Bearbeitung mit
einer Kurzscheibenegge. Wegen unbefriedigendem Saatbett wurde die
Fläche zusätzlich mit der Cambridgewalze gewalzt. Am 16. September
2014 konnte noch kein neuer Rapsaufschlag festgestellt werden. Am 19.
September 2014 wurden die beiden
Streifen mit einem Lockerer bearbeitet, der den Boden nur bricht, aber
nicht mischt. Die anderen Streifen
wurden tief gegrubbert. Am 3. Oktober 2014 wurden im Streifen „Normalsaat Raps“ 1.400 Keimpflanzen
pro Quadratmeter gezählt. Am Streifen „Spätsaat Raps“ wurden 280
Keimpflanzen pro Quadratmeter ermittelt. Der ausgeprägte Unterschied
zwischen den beiden Saatzeiten
kann nur mit dem deutlich höheren
Besatz an Durchwuchsraps im Bestand der Normalsaat erklärt werden.
Der Streifen „Normalsaat Raps“ wurde am 7. Oktober 2014 nach sehr flacher Saatbettbereitung mit Weizen
besät. Der weitere Auflauf wurde
durch das Bodenherbizid nahezu
vollständig bekämpft und nicht weiter gezählt. In dem Streifen „Spätsaatraps“ wurde bei einer weiteren
Zählung am 23.Oktober 2014 nochmals ein Neuauflauf von 343 Pflanzen pro Quadratmeter festgestellt.
Die Weizenbestellung erfolgte dann
am 27. Oktober 2014.
Vergräbt Grubbern
Ausfallraps?
In den tief gegrubbert Streifen war
zu beiden Saatzeiten kaum Neuauflaufraps vorhanden. Das kann zwei
Gründe haben: Zum einen nahm der
Fremdbesatz im Raps in den Varianten
ab, zum anderen kann Ausfallraps
durch den stark wühlenden Grubber
tiefer vergraben worden sein.
Folgende Handlungsempfehlungen sind abzuleiten, um dem Problem Durchwuchsraps durch gezieltes
Stoppelmanagement zu begegnen:
● Mehrfaches Striegeln oder die
Werkzeuge der Kurzscheibenegge
wirklich konsequent flach nur gerade
eben auf dem Boden laufenzulassen
(0 bis 1 cm tief), schafft ein perfektes
Saatbett für den Ausfallraps.
● Tief mischende Bearbeitung von
Rapsstoppeln erst vier Wochen nach
der Ernte ist nur dann kein Risiko,
wenn keinerlei Durchwuchs im Bestand vorhanden war und kein Hagel
aufgetreten ist. Beim Anbau von
Clearfied-Raps sind selbst vier Wochen Wartefrist noch zu früh, da hier
eine Art „Nulltoleranz“ gilt!
● Wenn Durchwuchsraps im Bestand
vorhanden oder Hagel aufgetreten
ist, vergräbt jegliche tiefer mischende
Bearbeitung Ausfallsaat! Es sind nicht
mischende Lockerungswerkzeuge erforderlich. Bei nicht zu früher Lockerung mögen die wenig mischenden
4-cm-Schmalschare noch halbwegs
vertretbar sein.
Ulrich Henne
Landwirtschaftliche
Unternehmensberatung,
Eckhorst
[email protected]
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