30 Pflanze BAUERNBLATT l 11. Juli 2015 ■ und des Gewichtes sicher abgereinigt. Eventuell vorhandene Problempartien werden spätestens bei der für die Saatgutanerkennung vorgeschriebenen Beschaffenheitsprüfung unter anderem im Hinblick auf technische Reinheit, Fremdbesatz und Keimfähigkeit identifiziert. Bei Nichterfüllung der gesetzlichen Mindestanforderungen erfolgt keine Anerkennung der Saatgutpartie. Ackerfuchsschwanz ein Problem? So knapp dürften die Saatgutmärkte beim Getreide nicht versorgt sein. kein Problem dar, denn es wird bei der eingesetzten Reinigungstechnik aufgrund der verminderten Größe Auch Fragen zum eventuellen Besatz von Saatgut mit Ackerfuchsschwanz werden häufig geäußert und eine Nulltoleranz im Saatgut gefordert, wie es beispielsweise beim Besatz mit Flughafer der Fall ist. Aufgrund der zum Teil dramatischen Resistenzentwicklung beim Ackerfuchsschwanz ist die Forderung nachvollziehbar, da bisher freie Betriebe diesen Status erhalten wollen. Der Gesetzgeber, und damit in diesem Fall die für die zugrunde liegende Richtlinie verant- wortlichen EU-Gremien, hat nur für sehr wenige Arten eine Nulltoleranz vorgesehen, wie zum Beispiel für den zuvor genannten Flughafer. Auch für Pflanzenarten wie Ambrosia oder das Jakobskreuzkraut gelten derzeit keine besonderen Grenzwerte. So verständlich die Forderung aus der Praxis im Hinblick auf den Ackerfuchsschwanz auch ist, so muss doch festgehalten werden, dass es sich aufgrund der Samengröße und -form in keiner Hinsicht um eine vom Getreidesaatgut schwer trennbare Art handelt. Ackerfuchsschwanzbesatz in Getreidevermehrungen ist daher bis zu einem gewissen Maß kein Aberkennungsgrund, wenn der Vermehrungsbestand durch den Anerkenner geprüft werden kann. Jede genau eingestellte, in der Getreideaufbereitung eingesetzte Saatgutanlage, die einen gewissen technischen Standard erfüllt, ist in der Lage, Samen von Ackerfuchsschwanz sicher herauszureinigen. Der Erfolg des Reinigungsprozesses steht und fällt daher mit der Sorgfalt der Arbeitserledigung. FAZIT Der Vermehrungsumfang bei den Getreidekulturen hat sich nur geringfügig verändert, allerdings hat sich das Sortenspektrum, wie in jedem Jahr, verschoben. Auch wenn sich bedingt durch regionale Trockenschäden in Mitteleuropa oder derzeit noch nicht absehbare Qualitätsprobleme das Angebot eventuell noch verknappen sollte, ist nach aktuellem Stand eine gute Marktversorgung mit Getreidesaatgut zur kommenden Saison gegeben. Es bleibt zu hoffen, dass auch in diesem Jahr durch eine zügige Ernte ausreichend Zeit für die Anerkennung und Logistik des Saatgutes vorhanden ist, damit das Saatgut zum Wunschtermin beim Kunden ist. Henning Brogmus Landwirtschaftskammer Tel.: 0 43 31-94 53-350 [email protected] Ausfallraps erfolgreich zum Auflaufen bringen Stoppel zunächst unbearbeitet liegen lassen Auf vielen Rapsschlägen ist der Besatz mit Durchwuchsraps ein zunehmendes und großes Problem. Das umso mehr, als diese Pflanzen in vielen Fällen sehr spät in der Blüte und in der Abreife sind und häufig einem anderen Pflanzentyp entsprechen. Der erste Schritt, um eine Besserung herbeizuführen, beginnt bei der Rapsernte und beim Umgang mit den Rapsstoppeln. Die erste Ursache für das Problem Ausfallraps ist der Verlust an Samen bei der Ernte. Er kann sehr hoch sein, wie zum Beispiel Untersuchungen von Pekrun in England in den 1990er Jahren gezeigt haben. Auf einer Reihe von Schlägen wurden in den Jahren von 1992 bis 1996 Ernteverluste zwischen 190 kg/ha bis hin zu 654 kg/ha ermittelt. Das entspricht der 60-fachen bis 220-fachen Aussaatmenge bei einer normalen Rapsbestellung. Diese Zahlen geben eine Vorstellung von der Größenordnung Solche späten Durchwuchspflanzen, die beispielhaft von einigen Rapsschlägen der Ernte 2013 und 2014 untersucht des Eintrages an Ausfallraps. Er wurden, hatten hohe Erucasäuregehalte und hohe GSL-Gehalte. Das lässt eine Abstammung von alten Futterrapsen stellt natürlich auch einen wirt- vermuten. Fotos: Dr. Wolfgang Sauermann Pflanze ■ BAUERNBLATT l 11. Juli 2015 Übersicht: Überdauerung von Rapssamen (% der zu Versuchsbeginn ausgebrachten Samen) nach einem Jahr in Abhängigkeit von der Stoppelbearbeitung. Sandiger Standort in Südengland (nach Pekrun 1998) Variante Sorte 1 2 3 Pflug 3x Stoppelbearbeitung Pflug 4 Wochen nichts, Pflug 4 5 4 Wochen Kontrolle nichts, kene BodenGrubber + bearbeitung Scheibenegge Apex 33,9 14,9 0,8 0,4 0 Bristol Envol 15,5 16,5 10,2 14,6 2,3 1,3 0,9 0,7 1,2 1,9 tensive Stoppelbearbeitung. Aber warum läuft der Raps dann nicht im gewünschten Umfang auf? Der Grund dafür ist der Aufbau einer sogenannten sekundären Keimruhe. Eine primäre Keimruhe bauen die Samen während der Abreife auf, wenn sie noch in der Schote Ernteverluste minimieren – oder beim Getreide in der Ähre sitzen. Keimruhe verhindern Diese primäre Keimruhe soll das In vielen Fällen folgt auf die Ern- Auskeimen im Fruchtstand verhinte schon nach kurzer Zeit eine in- dern. Sie ist erwünscht. Die sekun- schaftlichen Verlust dar, denn eigentlich wäre dieses Erntegut besser zu verkaufen. Die ersten Maßnahmen, um Ausfallraps zu verhindern, sind daher die optimale Einstellung des Mähdreschers und der richtige Erntezeitpunkt. däre Keimruhe kann sich nach der Ernte aufbauen, wenn bestimmte Bedingungen dafür erfüllt sind. Rapssamen entwickeln diese sekundäre Keimruhe, wenn sie in einen trockenen Boden und Dunkelheit gelangen. Dieses umso mehr, je länger sie diesen Bedingungen aus trockenem Boden und Dunkelheit ausgesetzt sind. Wenn die Samen dagegen auf einem trockenen Boden liegen und nicht eingearbeitet werden, erlangen sie in aller Regel keine sekundäre Keimruhe. Sie keimen dann, sobald sie durch Niederschläge oder auch durch den morgendlichen Tau ausreichend Wasser erhalten. Die Samen, die eine solche sekundäre Keimruhe aufgebaut haben, keimen selbst dann nicht, wenn ausreichende Bodenfeuchtigkeit vorhanden ist. Beim Pflügen oder Grubbern zur Folgefrucht werden die Körner anschließend endgültig „vergraben“ und in die Krume eingemischt. Erst nach ei- nem Lichtreiz, der nur Bruchteile einer Sekunde ausmachen kann, wird die Keimruhe abgebaut, und die Samen keimen. Das kann zum Beispiel bei der Vorbereitung zur nächsten Rapsaussaat in einigen Jahren der Fall sein. Welche Bearbeitungsverfahren? Somit stellte sich für die Arbeitsgruppe um Pekrun auch die Frage, welche Verfahren der Stoppelbearbeitung einen Einfluss auf die Überdauerung der Rapssamen hatten. Es wurden seinerzeit die in der Übersicht dargestellten Verfahren geprüft. Um einheitliche Ausgangsbedingungen für alle Varianten zu haben, wurden Rapssamen in einer Menge von 500 kg/ha als „Ausfallverluste“ gleichmäßig auf die Versuchsfläche ausgebracht. Folgende Varianten der Bodenbearbeitung wurden geprüft: ● Variante 1: unmittelbares Pflügen (20 cm) 31 32 Pflanze BAUERNBLATT l 11. Juli 2015 ■ in den Reihen nach wie vor sehr starker Besatz vorhanden. In den 1990er Jahren wurde dann begonnen, die Rapsstoppel zunächst unbearbeitet liegen zu lassen und das Auflaufen des Ausfallrapses abzuwarten. Auf manchen dieser kleinen Schläge stellte sich der Erfolg schon nach einer Fruchtfolgerotation ein, auf anderen waren zwei Fruchtfolgerotationen nötig: Dann war der Besatz mit Durchwuchsraps so gering, dass die Flächen wieder für Sortenversuche genutzt werden konnten und dass zum Teil sogar eine Bekämpfung des Ausfallrapses in den Versuchen nicht nötig war. Späte Durchwuchspflanzen Die Stoppelbearbeitung muss so flach wie möglich erfolgen. Nach drei bis vier Wochen muss der Ausfallraps vernichtet werden, um der Kohlhernie nicht die Möglichkeit zu geben, einen Vermehrungszyklus erfolgreich abzuschließen. ● Variante 2: dreifach wiederholtes flaches Grubbern (5 cm) in wöchentlichen Abständen und anschließendes Pflügen (20 cm) ● Variante 3: vier Wochen keine Bearbeitung, anschließend flaches Grubbern (5 cm) und Pflug (20 cm) ● Variante 4: vier Wochen keine Bearbeitung, anschließend Scheibenegge und Grubber (10 cm) ● Variante 5 als Kontrolle: keine Bodenbearbeitung Nach einem Jahr wurde die Anzahl der noch vorhandenen Rapssamen ermittelt. Zu Versuchsbeginn im Jahr 1995 herrschten sehr trockene Bodenverhältnisse. In Übersicht 1 ist die Anzahl der Samen, die nach einem Jahr in der Bodenschicht 0 bis 30 cm wiedergefunden wurden, beispielhaft für einen Standort darge- stellt. Zwischen den Varianten der Stoppel- und Bodenbearbeitung waren sehr große Unterschiede vorhanden. Zum Teil überdauerte eine große Anzahl von Rapssamen. Die höchste Anzahl an überdauerten Rapssamen wurde in den Varianten 1 und 2 gefunden. Die Variante 2 mit intensiver Stoppelbearbeitung und anschließender Pflugfurche hatte zwar deutlich geringere Samenzahlen als die Variante 1. Im Vergleich zu den Varianten 3, 4 und 5 hatte sie aber immer noch sehr viel höhere Samenzahlen. In den Varianten 3, 4 und 5 wurden die geringsten Samenzahlen ermittelt. Vielleicht kann zusammengefast werden, dass sie alle auf einem vergleichbaren Niveau lagen, welches zwischen 0 % und bis zu 2,3 % Hier blieb die Stoppel zunächst unbearbeitet, und der Ausfallraps ist sehr gut aufgelaufen. Aber die Spuren in den Fahrgassen wurden mit einem Tiefenmeißel aufgelockert. Auch diese Arbeit sollte nicht zu früh erfolgen, denn auch dabei können Samen in tiefere Bodenschichten verlagert werden. Fotos: Dr. Wolfgang Sauermann lag. Diesen Varianten war gemeinsam, dass in den ersten Wochen nach der Rapsaussaat nichts durchgeführt wurde. Der Acker blieb unverändert liegen. Der Raps lief unter diesen Bedingungen am besten auf. Die Anzahl der verbliebenen Samen, die nach einem Jahr noch wiedergefunden wurden, war außerordentlich gering. Die Variante 5 diente hierbei als Kontrolle für diesen Versuch. Sie ist nicht praxisrelevant. Insofern sind die Varianten 3 und 4 diejenigen, die hier als Empfehlung auch für die diesjährige Rapsernte und die darauffolgenden Wochen infrage kommen. Auf vielen Rapsschlägen treten Durchwuchspflanzen auf, die nicht dem Bestandsbild entsprechen. Sie sind sehr spät in der Blüte und auch in der Abreife, sie überragen den normalen Bestand um bis zu 50 cm, und sie erinnern in ihrem Erscheinungsbild eher an Futterraps als an Körnerraps. Aus den Ernten 2013 und 2014 wurden aus jeweils zweien solcher Schläge Pflanzen geschnitten und auf Inhaltsstoffe (Erucasäuregehalt, Glukosinolatgehalt) untersucht. In allen Fällen hatten diese Samen hohe Glukosinolatgehalte und vielfach auch Erucasäuregehalte von bis zu 25 %. Zur Erläuterung: Die Umstellung auf erucasäurefreien Körnerraps fand mit der Aussaat 1974 statt und die Umstellung auf 00-Körner- Kammer liefert ähnliche Ergebnisse Gleiche Ergebnisse können vom Futterkamper Versuchsfeld der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein aus den 1990er Jahren berichtet werden. Auf dem stationären Teil des Versuchsfeldes, auf dem später die Reithalle und der Reitplatz gebaut wurden, wurde damals bereits seit Jahrzehnten die dreijährige Fruchtfolge Raps–Weizen–Gerste gefahren. Die kleinen Schläge waren sehr stark mit Durchwuchs belastet, und Sortenversuche ließen sich kaum mehr mit guten Ergebnissen durchführen. Obwohl der Durchwuchs zwischen den Reihen gehackt wurde, war Die Rapsstoppel sollten nach der Ernte zunächst nicht bearbeitet werden. Der Ausfallraps keimt. Durch eine zu frühe Bodenbearbeitung und die Einarbeitung in den Boden kann der Aufbau einer sekundären Keimruhe gefördert werden. Pflanze ■ BAUERNBLATT l 11. Juli 2015 raps mit den Aussaaten 1986 und 1987. Die Qualitätsergebnisse zeigen, dass diese extremen und stark abweichenden Durchwuchspflanzen nicht aus Körnerrapssorten in 00- und vielfach auch 0Qualität kommen können. Eine Umstellung auf 00Futterraps wurde nicht so konsequent vollzogen wie beim Körnerraps. Insofern liegt der Verdacht nahe, dass Samen dieser alten Sorten über den Aufbau einer sekundären Keimruhe zum Teil lange im Boden überdauert haben, vereinzelt immer wieder aufgelaufen sind und im Körnerraps bis hin zur Abreife gestanden haben und dass sich dieses Problem im Laufe der Jahre immer weiter vermehrt hat. InsbesondeIn vielen Schlägen treten stark abweichende re, um diesem zu begegnen, und um den Aufbau Durchwuchspflanzen auf. FAZIT Bei der Rapsernte ist zuallererst daraufzuachten,denMähdrescheroptimal einzustellen und höhere Ausfallverluste zu vermeiden. Nach der Ernte sollten die Rapsstoppel zunächst unbearbeitet bleiben. Es muss verhindert werden, dass die Samen in den Boden eingearbeitet werden und dabei vergraben werden, sodass sie keine sekundäre Keimruhe aufbauen können. Es empfiehlt sich somit, die Rapsstoppeln zunächst unbearbeitet zu lassen und ein Auflaufen des Ausfallrapses abzuwarten. Nach eigenen Erfahrungen vom Versuchsfeld Futterkamp reicht auch unter sehr trockenen Bedingungen im Sommer vielfach schon der Tau aus, um die Samen zum Quellen und Ankeimen einer sekundären Keimruhe in diesen Samen zu verhindern, sollte die Rapsstoppel zunächst ohne Bearbeitung liegen gelassen werden. zu bringen. Es ist ausreichend, wenn die Samenschale aufgeplatzt ist. Werden diese Samen später vergraben, so dürften sie unter der eindringenden Feuchte in aller Regel verrotten. Die erste Stoppelbearbeitung sollte dann so flach wie möglich erfolgen. Sie kann bei einem feuchten Boden drei bis vier Wochen nach der Mähdruschernte stattfinden. Das sollte auch in diesem zeitlichen Abstand erfolgen, um zu verhindern, dass die Kohlhernie ihren ersten Entwicklungszyklus erfolgreich beenden kann. Der Verzicht auf die Stoppelbearbeitung unmittelbar nach der Rapsernte trägt ferner zur Entzerrung der Arbeitsspitze bei und ist auch aus dieser Sicht positi, zu bewerten. Dr. Wolfgang Sauermann Landwirtschaftskammer Tel.: 0 43 31-94 53-334 [email protected] 33
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