Stoppel zunächst unbearbeitet liegen lassen

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BAUERNBLATT l 11. Juli 2015 ■
und des Gewichtes sicher abgereinigt. Eventuell vorhandene Problempartien werden spätestens bei
der für die Saatgutanerkennung
vorgeschriebenen Beschaffenheitsprüfung unter anderem im Hinblick
auf technische Reinheit, Fremdbesatz und Keimfähigkeit identifiziert. Bei Nichterfüllung der gesetzlichen Mindestanforderungen erfolgt keine Anerkennung der Saatgutpartie.
Ackerfuchsschwanz
ein Problem?
So knapp dürften die Saatgutmärkte
beim Getreide nicht versorgt sein.
kein Problem dar, denn es wird bei
der eingesetzten Reinigungstechnik
aufgrund der verminderten Größe
Auch Fragen zum eventuellen Besatz von Saatgut mit Ackerfuchsschwanz werden häufig geäußert
und eine Nulltoleranz im Saatgut
gefordert, wie es beispielsweise
beim Besatz mit Flughafer der Fall
ist. Aufgrund der zum Teil dramatischen Resistenzentwicklung beim
Ackerfuchsschwanz ist die Forderung nachvollziehbar, da bisher
freie Betriebe diesen Status erhalten wollen. Der Gesetzgeber, und
damit in diesem Fall die für die zugrunde liegende Richtlinie verant-
wortlichen EU-Gremien, hat nur für
sehr wenige Arten eine Nulltoleranz vorgesehen, wie zum Beispiel
für den zuvor genannten Flughafer.
Auch für Pflanzenarten wie Ambrosia oder das Jakobskreuzkraut gelten derzeit keine besonderen
Grenzwerte. So verständlich die
Forderung aus der Praxis im Hinblick auf den Ackerfuchsschwanz
auch ist, so muss doch festgehalten
werden, dass es sich aufgrund der
Samengröße und -form in keiner
Hinsicht um eine vom Getreidesaatgut schwer trennbare Art handelt.
Ackerfuchsschwanzbesatz in Getreidevermehrungen ist daher bis
zu einem gewissen Maß kein Aberkennungsgrund, wenn der Vermehrungsbestand durch den Anerkenner geprüft werden kann. Jede genau eingestellte, in der Getreideaufbereitung eingesetzte Saatgutanlage, die einen gewissen technischen Standard erfüllt, ist in der Lage, Samen von Ackerfuchsschwanz
sicher herauszureinigen. Der Erfolg
des Reinigungsprozesses steht und
fällt daher mit der Sorgfalt der Arbeitserledigung.
FAZIT
Der Vermehrungsumfang bei
den Getreidekulturen hat sich
nur geringfügig verändert, allerdings hat sich das Sortenspektrum, wie in jedem Jahr,
verschoben. Auch wenn sich bedingt durch regionale Trockenschäden in Mitteleuropa oder
derzeit noch nicht absehbare
Qualitätsprobleme das Angebot eventuell noch verknappen
sollte, ist nach aktuellem Stand
eine gute Marktversorgung mit
Getreidesaatgut zur kommenden Saison gegeben. Es bleibt
zu hoffen, dass auch in diesem
Jahr durch eine zügige Ernte
ausreichend Zeit für die Anerkennung und Logistik des Saatgutes vorhanden ist, damit das
Saatgut zum Wunschtermin
beim Kunden ist.
Henning Brogmus
Landwirtschaftskammer
Tel.: 0 43 31-94 53-350
[email protected]
Ausfallraps erfolgreich zum Auflaufen bringen
Stoppel zunächst unbearbeitet liegen lassen
Auf vielen Rapsschlägen ist der Besatz mit Durchwuchsraps ein zunehmendes und großes Problem. Das
umso mehr, als diese Pflanzen in vielen Fällen sehr spät in der Blüte und
in der Abreife sind und häufig einem
anderen Pflanzentyp entsprechen.
Der erste Schritt, um eine Besserung
herbeizuführen, beginnt bei der
Rapsernte und beim Umgang mit
den Rapsstoppeln.
Die erste Ursache für das Problem Ausfallraps ist der Verlust an
Samen bei der Ernte. Er kann sehr
hoch sein, wie zum Beispiel Untersuchungen von Pekrun in England
in den 1990er Jahren gezeigt haben. Auf einer Reihe von Schlägen
wurden in den Jahren von 1992 bis
1996
Ernteverluste
zwischen
190 kg/ha bis hin zu 654 kg/ha ermittelt. Das entspricht der 60-fachen bis 220-fachen Aussaatmenge
bei einer normalen Rapsbestellung. Diese Zahlen geben eine Vorstellung von der Größenordnung Solche späten Durchwuchspflanzen, die beispielhaft von einigen Rapsschlägen der Ernte 2013 und 2014 untersucht
des Eintrages an Ausfallraps. Er wurden, hatten hohe Erucasäuregehalte und hohe GSL-Gehalte. Das lässt eine Abstammung von alten Futterrapsen
stellt natürlich auch einen wirt- vermuten.
Fotos: Dr. Wolfgang Sauermann
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Übersicht: Überdauerung von Rapssamen (% der zu Versuchsbeginn
ausgebrachten Samen) nach einem Jahr in Abhängigkeit von der Stoppelbearbeitung. Sandiger Standort in Südengland (nach Pekrun 1998)
Variante
Sorte
1
2
3
Pflug
3x Stoppelbearbeitung
Pflug
4 Wochen
nichts,
Pflug
4
5
4 Wochen
Kontrolle
nichts,
kene BodenGrubber +
bearbeitung
Scheibenegge
Apex
33,9
14,9
0,8
0,4
0
Bristol
Envol
15,5
16,5
10,2
14,6
2,3
1,3
0,9
0,7
1,2
1,9
tensive Stoppelbearbeitung. Aber
warum läuft der Raps dann nicht
im gewünschten Umfang auf? Der
Grund dafür ist der Aufbau einer
sogenannten sekundären Keimruhe. Eine primäre Keimruhe bauen
die Samen während der Abreife
auf, wenn sie noch in der Schote
Ernteverluste minimieren – oder beim Getreide in der Ähre sitzen.
Keimruhe verhindern
Diese primäre Keimruhe soll das
In vielen Fällen folgt auf die Ern- Auskeimen im Fruchtstand verhinte schon nach kurzer Zeit eine in- dern. Sie ist erwünscht. Die sekun-
schaftlichen Verlust dar, denn eigentlich wäre dieses Erntegut besser zu verkaufen. Die ersten Maßnahmen, um Ausfallraps zu verhindern, sind daher die optimale Einstellung des Mähdreschers und der
richtige Erntezeitpunkt.
däre Keimruhe kann sich nach der
Ernte aufbauen, wenn bestimmte
Bedingungen dafür erfüllt sind.
Rapssamen entwickeln diese sekundäre Keimruhe, wenn sie in einen trockenen Boden und Dunkelheit gelangen. Dieses umso mehr,
je länger sie diesen Bedingungen
aus trockenem Boden und Dunkelheit ausgesetzt sind.
Wenn die Samen dagegen auf einem trockenen Boden liegen und
nicht eingearbeitet werden, erlangen sie in aller Regel keine sekundäre Keimruhe. Sie keimen dann,
sobald sie durch Niederschläge
oder auch durch den morgendlichen Tau ausreichend Wasser erhalten.
Die Samen, die eine solche sekundäre Keimruhe aufgebaut haben, keimen selbst dann nicht,
wenn ausreichende Bodenfeuchtigkeit vorhanden ist. Beim Pflügen oder Grubbern zur Folgefrucht
werden die Körner anschließend
endgültig „vergraben“ und in die
Krume eingemischt. Erst nach ei-
nem Lichtreiz, der nur Bruchteile
einer Sekunde ausmachen kann,
wird die Keimruhe abgebaut, und
die Samen keimen. Das kann zum
Beispiel bei der Vorbereitung zur
nächsten Rapsaussaat in einigen
Jahren der Fall sein.
Welche
Bearbeitungsverfahren?
Somit stellte sich für die Arbeitsgruppe um Pekrun auch die Frage,
welche Verfahren der Stoppelbearbeitung einen Einfluss auf die
Überdauerung der Rapssamen hatten. Es wurden seinerzeit die in der
Übersicht dargestellten Verfahren
geprüft. Um einheitliche Ausgangsbedingungen für alle Varianten zu haben, wurden Rapssamen
in einer Menge von 500 kg/ha als
„Ausfallverluste“ gleichmäßig auf
die Versuchsfläche ausgebracht.
Folgende Varianten der Bodenbearbeitung wurden geprüft:
● Variante 1: unmittelbares Pflügen (20 cm)
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in den Reihen nach wie vor sehr
starker Besatz vorhanden. In den
1990er Jahren wurde dann begonnen, die Rapsstoppel zunächst unbearbeitet liegen zu lassen und das
Auflaufen des Ausfallrapses abzuwarten. Auf manchen dieser kleinen Schläge stellte sich der Erfolg
schon nach einer Fruchtfolgerotation ein, auf anderen waren zwei
Fruchtfolgerotationen nötig: Dann
war der Besatz mit Durchwuchsraps
so gering, dass die Flächen wieder
für Sortenversuche genutzt werden
konnten und dass zum Teil sogar eine Bekämpfung des Ausfallrapses
in den Versuchen nicht nötig war.
Späte
Durchwuchspflanzen
Die Stoppelbearbeitung muss so flach wie möglich erfolgen. Nach drei bis vier Wochen muss der Ausfallraps vernichtet
werden, um der Kohlhernie nicht die Möglichkeit zu geben, einen Vermehrungszyklus erfolgreich abzuschließen.
● Variante 2: dreifach wiederholtes flaches Grubbern (5 cm) in wöchentlichen Abständen und anschließendes Pflügen (20 cm)
● Variante 3: vier Wochen keine
Bearbeitung, anschließend flaches
Grubbern (5 cm) und Pflug (20 cm)
● Variante 4: vier Wochen keine
Bearbeitung, anschließend Scheibenegge und Grubber (10 cm)
● Variante 5 als Kontrolle: keine
Bodenbearbeitung
Nach einem Jahr wurde die Anzahl der noch vorhandenen Rapssamen ermittelt. Zu Versuchsbeginn
im Jahr 1995 herrschten sehr trockene Bodenverhältnisse. In Übersicht 1
ist die Anzahl der Samen, die nach
einem Jahr in der Bodenschicht 0 bis
30 cm wiedergefunden wurden, beispielhaft für einen Standort darge-
stellt. Zwischen den Varianten der
Stoppel- und Bodenbearbeitung
waren sehr große Unterschiede vorhanden. Zum Teil überdauerte eine
große Anzahl von Rapssamen.
Die höchste Anzahl an überdauerten Rapssamen wurde in den Varianten 1 und 2 gefunden. Die Variante 2 mit intensiver Stoppelbearbeitung und anschließender Pflugfurche hatte zwar deutlich geringere Samenzahlen als die Variante 1.
Im Vergleich zu den Varianten 3, 4
und 5 hatte sie aber immer noch
sehr viel höhere Samenzahlen. In
den Varianten 3, 4 und 5 wurden
die geringsten Samenzahlen ermittelt. Vielleicht kann zusammengefast werden, dass sie alle auf einem
vergleichbaren Niveau lagen, welches zwischen 0 % und bis zu 2,3 %
Hier blieb die Stoppel zunächst unbearbeitet, und der Ausfallraps ist sehr gut
aufgelaufen. Aber die Spuren in den Fahrgassen wurden mit einem Tiefenmeißel aufgelockert. Auch diese Arbeit sollte nicht zu früh erfolgen, denn auch
dabei können Samen in tiefere Bodenschichten verlagert werden.
Fotos: Dr. Wolfgang Sauermann
lag. Diesen Varianten war gemeinsam, dass in den ersten Wochen
nach der Rapsaussaat nichts durchgeführt wurde. Der Acker blieb unverändert liegen. Der Raps lief unter diesen Bedingungen am besten
auf. Die Anzahl der verbliebenen
Samen, die nach einem Jahr noch
wiedergefunden wurden, war außerordentlich gering.
Die Variante 5 diente hierbei als
Kontrolle für diesen Versuch. Sie ist
nicht praxisrelevant. Insofern sind
die Varianten 3 und 4 diejenigen,
die hier als Empfehlung auch für
die diesjährige Rapsernte
und die darauffolgenden
Wochen infrage kommen.
Auf vielen Rapsschlägen treten
Durchwuchspflanzen auf, die nicht
dem Bestandsbild entsprechen. Sie
sind sehr spät in der Blüte und auch
in der Abreife, sie überragen den
normalen Bestand um bis zu 50 cm,
und sie erinnern in ihrem Erscheinungsbild eher an Futterraps als an
Körnerraps. Aus den Ernten 2013
und 2014 wurden aus jeweils zweien solcher Schläge Pflanzen geschnitten und auf Inhaltsstoffe
(Erucasäuregehalt, Glukosinolatgehalt) untersucht. In allen Fällen
hatten diese Samen hohe Glukosinolatgehalte und vielfach auch
Erucasäuregehalte von bis zu 25 %.
Zur Erläuterung: Die Umstellung
auf erucasäurefreien Körnerraps
fand mit der Aussaat 1974 statt
und die Umstellung auf 00-Körner-
Kammer liefert
ähnliche Ergebnisse
Gleiche Ergebnisse können
vom Futterkamper Versuchsfeld der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein aus
den 1990er Jahren berichtet
werden. Auf dem stationären Teil des Versuchsfeldes,
auf dem später die Reithalle
und der Reitplatz gebaut
wurden, wurde damals bereits seit Jahrzehnten die
dreijährige
Fruchtfolge
Raps–Weizen–Gerste gefahren. Die kleinen Schläge waren sehr stark mit Durchwuchs belastet, und Sortenversuche ließen sich kaum
mehr mit guten Ergebnissen
durchführen. Obwohl der
Durchwuchs zwischen den
Reihen gehackt wurde, war
Die Rapsstoppel sollten nach der Ernte zunächst nicht bearbeitet werden. Der Ausfallraps keimt. Durch eine zu frühe Bodenbearbeitung und die Einarbeitung in den Boden
kann der Aufbau einer sekundären Keimruhe
gefördert werden.
Pflanze
■ BAUERNBLATT l 11. Juli 2015
raps mit den Aussaaten
1986 und 1987.
Die Qualitätsergebnisse
zeigen, dass diese extremen und stark abweichenden Durchwuchspflanzen
nicht aus Körnerrapssorten
in 00- und vielfach auch 0Qualität kommen können.
Eine Umstellung auf 00Futterraps wurde nicht so
konsequent vollzogen wie
beim Körnerraps. Insofern
liegt der Verdacht nahe,
dass Samen dieser alten
Sorten über den Aufbau einer sekundären Keimruhe
zum Teil lange im Boden
überdauert haben, vereinzelt immer wieder aufgelaufen sind und im Körnerraps bis hin zur Abreife gestanden haben und dass
sich dieses Problem im Laufe der Jahre immer weiter
vermehrt hat. InsbesondeIn vielen Schlägen treten stark abweichende re, um diesem zu begegnen, und um den Aufbau
Durchwuchspflanzen auf.
FAZIT
Bei der Rapsernte ist zuallererst daraufzuachten,denMähdrescheroptimal einzustellen und höhere Ausfallverluste zu vermeiden. Nach der
Ernte sollten die Rapsstoppel zunächst unbearbeitet bleiben. Es
muss verhindert werden, dass die
Samen in den Boden eingearbeitet
werden und dabei vergraben werden, sodass sie keine sekundäre
Keimruhe aufbauen können. Es
empfiehlt sich somit, die Rapsstoppeln zunächst unbearbeitet zu lassen und ein Auflaufen des Ausfallrapses abzuwarten. Nach eigenen
Erfahrungen vom Versuchsfeld Futterkamp reicht auch unter sehr trockenen Bedingungen im Sommer
vielfach schon der Tau aus, um die
Samen zum Quellen und Ankeimen
einer sekundären Keimruhe in diesen Samen zu verhindern, sollte die
Rapsstoppel zunächst ohne Bearbeitung liegen gelassen werden.
zu bringen. Es ist ausreichend, wenn
die Samenschale aufgeplatzt ist.
Werden diese Samen später vergraben, so dürften sie unter der eindringenden Feuchte in aller Regel
verrotten. Die erste Stoppelbearbeitung sollte dann so flach wie möglich erfolgen. Sie kann bei einem
feuchten Boden drei bis vier Wochen nach der Mähdruschernte
stattfinden. Das sollte auch in diesem zeitlichen Abstand erfolgen,
um zu verhindern, dass die Kohlhernie ihren ersten Entwicklungszyklus
erfolgreich beenden kann. Der Verzicht auf die Stoppelbearbeitung
unmittelbar nach der Rapsernte
trägt ferner zur Entzerrung der Arbeitsspitze bei und ist auch aus dieser Sicht positi, zu bewerten.
Dr. Wolfgang Sauermann
Landwirtschaftskammer
Tel.: 0 43 31-94 53-334
[email protected]
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