Krise & Chance August 2015

August 2015
Krise
Chance
präsentiert von
Neues zu
Restrukturierung
und Insolvenz
Schneller
schuldenfrei!?
Seit einem Jahr sollen
Verbraucher ihre
Schulden schneller
als bisher
loswerden
können.
News
Gläubiger
erhalten
25 Millionen
Euro
Die Gläubiger des insolventen Solarkraftwerk-Herstellers Solar
Millennium erhalten eine erste Abschlagszahlung auf ihre Forderungen in Höhe von 25 Millionen Euro. Das teilte Insolvenzverwalter Volker Böhm mit. Die Ausschüttung entspricht einer
Quote von rund zehn Prozent auf die offenen Forderungen
und ist damit deutlich über der durchschnittlichen Quote in
­Insolvenzverfahren. Böhm rechnet mit weiteren Ausschüttungen im weiteren Verlauf des Verfahrens.
e d i
t o r
i a l
Steuern auf Scheingewinne sind bei Unternehmensrestrukturierungen ein Ärgernis. Deshalb gibt es zwei Schreiben des
Bundesfinanzministeriums (BMF), die als Sanierungserlass
­bekannt sind. Darin legt das BMF fest, dass unter ­bestimmten
Umständen Steuern auf diese Scheingewinne gestundet und
schließlich erlassen werden.
Verstößt das BMF damit gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung? Diese Frage liegt dem großen
­Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) jetzt zur Entscheidung vor.
Gerichte, Literatur, BMF und Oberfinanzdirektionen haben
konträre Meinungen zur Rechtmäßigkeit des Erlasses ausgebildet.
Die gute Nachricht: Der vorlegende Senat hat offenbar
­keinen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der beiden Schreiben.
Der Erlass könnte also Bestand haben. Alles andere ergibt
auch keinen Sinn, denn dem Gesetzgeber lag es
am Herzen, mit dem ESUG gerade die Restrukturierungskultur zu stärken. Dazu braucht es auch
die Unterstützung der Finanzämter. Sollte der
BFH wider Erwarten gegen den Sanierungserlass
entscheiden, ist der Gesetzgeber gefragt.
Ihr Tobias Hirte
News
Belegschaft hofft
auf Rettung
Obwohl zwei wichtige Maschinen abtranspor-
ges offenbar abbauen und wegschaffen lassen,
tiert worden sind, hofft die Belegschaft der
ohne seine 55 Beschäftigten zu informieren. Di-
Druckerei Johannes Alt auf eine Rettung ihres
rekt nach dem Antrag hat Schneider das Unter-
Unternehmens im Insolvenzverfahren. Ge-
nehmen verlassen. Ein früherer Geschäftsführer
schäftsführer Roland Schneider hatte die bei-
und der Unternehmensgründer und Namens-
den Maschinen im Vorfeld des Insolvenzantra-
geber haben nun ihre Hilfe angeboten.
Am seidenen
Faden
Der Reinigungsdienstleister Kehl aus
Ludwigshafen am Rhein will mit einem
Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung
aus der Krise kommen. Geschäftsführer
Stephan Kehl macht für die Schieflage
seines Unternehmens einbrechende
Aufträge, hohe Personalkosten, unrentable Sparten und einen sich verschärfenden Wettbewerb verantwortlich. In der
Sanierung will er bis zu 40 der 380
­Arbeitsplätze abbauen, nachdem ein
fest eingeplanter Auftrag des Großkunden BASF überraschend weggefallen war.
Foto: www.kiel-wiki.de/CCA License
Neue Wende im
Fall Uthoff
Im Insolvenzverfahren über das Vermögen
des Kieler Augenarztes Detleff Uthoff (Augenklinik Bellevue) hat sich eine Wende ergeben.
Die Forderungsverwaltungsgesellschaft DSU
will nun doch die abgeschriebenen Schulden
des Arztes in Höhe von 56 Millionen Euro in
voller Höhe geltend machen. Die DSU, deren
Gesellschafterin lange auch die Ehefrau
­Uthoffs war, ist damit Hauptgläubigerin noch
vor der Stadt Kiel. Deren ehemalige Ober­
bürgermeisterin Susanne Gaschke musste
nach einem umstrittenen Steuerdeal mit
­Uthoff im Vorfeld des Insolvenzverfahrens
­zurücktreten.
Titel
Schneller sc
Seit einem Jahr sollen
Verbraucher ihre Schulden
schneller als bisher
loswerden können.
Der durchschlagende
Erfolg der Reform bleibt
aber aus.
­huldenfrei!?
Titel
Schneller schuldenfrei! Das war und ist das Ziel gen. „Die Verfahrenskosten allein liegen in der
des neuen Verbraucherinsolvenzrechts, das vor Regel bei 1500 bis 2000 Euro. Wer in einer fieinem Jahr in Kraft getreten ist. Seit dem 1. Juli nanziellen Schieflage steckt, für den ist es oft2014 sollen insolvente Verbraucher damit weit- mals ein Ding der Unmöglichkeit, diesen Beaus schneller als früher ihre Schulden loswer-
trag aufzubringen – von den zusätzlichen 35
den – bislang allerdings noch ohne durchschla- Prozent ganz zu schweigen“, sagt Buck. „Wer
genden Erfolg.
es trotzdem schafft, die Verfahrenskosten zu
begleichen, der ist seine Schulden nach fünf
„Das erste Jahr zeigt, dass nur die wenigsten
statt sechs Jahren los. Das funktioniert in eini-
Verbraucher von einem schnelleren Schulden-
gen Fällen, das Gros der Verbraucherinsolven-
erlass profitieren und nach drei anstatt sechs
zen läuft aber wie vor der Reform.“
Jahren finanziell neu starten können“, zieht Stefano Buck, Fachanwalt für Insolvenzrecht bei
Bucks Einschätzung basiert auf seinen Erfahrun-
Schultze & Braun Bilanz. „Die Hürde für einen
gen aus zahlreichen Verbraucherinsolvenzver-
Schuldenschnitt nach drei Jahren ist und bleibt fahren seit dem 1. Juli 2014 und den mehr als
viel zu hoch.“
10.000 Verfahren dieser Art, die Schultze &
Braun in den vergangenen zehn Jahren bear-
Wer nach drei Jahren schuldenfrei sein will,
beitet hat. In weniger als einem Prozent davon
muss zusätzlich zu den Verfahrenskosten noch konnten die Schuldner 35 Prozent der Gläubi35 Prozent der Gläubigerforderungen aufbrin- gerforderungen und die Verfahrenskosten be-
zahlen. Den Daten der Online-Plattform Insol-
zustimmen, können insolvente Verbraucher
venz-Portal zu Folge haben zwischen dem 1.
mit dem Plan jetzt eine Art Sanierungsfahr-
Juli 2014 und dem 26.Juni 2015 85.964 Ver-
plan für sich festlegen. Sie können dann die
braucher einen Insolvenzantrag gestellt.
Höhe und den Zeitraum ihrer Entschuldung
individuell festlegen. Läuft alles gut, wird der
Eine Option, mit der Verbraucher ihre Schul-
Verbraucher seine Schulden bereits nach we-
den im Idealfall bereits nach einigen Monaten
nigen Monaten los und die Gläubiger erhalten
loswerden, ist der Insolvenzplan. Dieses Sanie-
früher zumindest einen Teil ihrer Forderungen.
rungsinstrument, das sich im Unternehmensinsolvenzrecht bereits seit 16 Jahren bewährt,
„Ein Insolvenzplan kommt etwa dann in Fra-
wurde mit der Reform vor einem Jahr auch im
ge, wenn Freunde oder Familienangehörige
Verbraucherinsolvenzrecht eingeführt.
den Verbraucher finanziell unterstützen können.“ Dabei muss die Quote des Insolvenz-
„Auch wenn die Anzahl der Insolvenzpläne in
plans höher liegen als im Regelinsolvenzver-
Verbraucherinsolvenzverfahren bislang noch
fahren. Zudem muss der Schuldner
überschaubar ist, hat dieses Sanierungsinstru-
die Verfahrenskosten bezahlen.
ment großes Potential für alle Beteiligten. Der
Insolvenzplan ist die noch ungenutzte WinWin-Option im Verbraucherinsolvenzrecht“,
erläutert Buck. Wenn Gläubiger und Gericht
Thema
Mit Plan gegen
die Pleite
Thomas Middelhoff ist eine schillernde Figur.
Als Bertelsmann-Chef ein gefeierter Manager,
danach Investmentbanker und anschließend
Chef des Karstadt-Mutterkonzerns Arcandor.
Er verdiente Millionen, besaß eine noble Villa
in einem Bielefelder Vorort sowie ein mondänes Anwesen in St. Tropez. „Big T.“, wie er
genannt wurde, hatte es ganz nach oben
­geschafft.
Doch was dann folgte, war ein jäher Absturz.
Es begann mit der Insolvenz des KarstadtQuelle-Mutterkonzerns Arcandor, die wiederum zu einer Schieflage von Immobilienfonds
führte, zu denen Karstadt-Immobilien gehörten. In diese Fonds hatte Middelhoff auch
mit geliehenem Geld massiv investiert. Seit
31. März dieses Jahres läuft die Privatinsolvenz bei Thomas Middelhoff.
Spätestens seit der Karstadt-Pleite habe Middelhoff geahnt, dass es für ihn finanziell eng
werden würde, schreibt die Wirtschaftswoche. „In der Folge ist in Sachen ‚asset protection‘ viel passiert“, sagt Middelhoffs Insolvenzverwalter Thorsten Fuest dem Blatt. Asset
Protection bedeutet, dass ein Schuldner versucht, Vermögenswerte so abzusichern, dass
sie dem Zugriff der Gläubiger entzogen sind.
Ein Verhalten, das in Privatinsolvenzen oft zu
sehen ist. Denn Werte, die bei Familienangehörigen liegen, sind von der Insolvenz nicht
betroffen und für die Gläubiger tabu. Allerdings müssen Werte schon sehr frühzeitig
und rechtssicher übertragen worden sein.
Der Insolvenzverwalter des Schuldners kann
beispielsweise Schenkungen bis zu zehn Jahre
rückwirkend anfechten.
Meist gelingt der Ausweg aus der Schuldenfalle daher eher mit Hilfe eines Insolvenzplanes, einer Art Vergleich mit den Gläubigern:
Sie erhalten eine bestimmte Quote auf ihre
Forderungen, die höher liegt als in einem
langjährigen Regelinsolvenzverfahren. Stimmen die Gläubiger zu, wird das Warten auf
die Restschuldbefreiung für den Schuldner
deutlich verkürzt. Im Idealfall kann eine Privatinsolvenz sogar schon nach wenigen Monaten erledigt sein.
Ein fairer Umgang mit den Gläubigern ist daher geboten, sonst bleibt ein bitterer Beigeschmack. Beispiel Franjo Pooth: Der Ehemann von Verona Pooth war mit seinem Unternehmen Maxfield in die Pleite geschlittert
und hatte Schulden von fast 20 Millionen Euro
angehäuft. Noch während Pooths Insolvenzverfahren lief, zeigte der Privatsender RTL eine
Doku „Verona privat – Zuhause bei
den Pooths“. 300-QuadratmeterVilla und dicke Sportwagen inklusive.
Für die Gläubiger von Maxfield
und Pooth blieb am Ende nur
wenig übrig. Sie müssen auf fast
18 Millionen Euro verzichten. Während die
Gläubiger die Schlussrechnung erhielten,
machten die Pooths Urlaub.
Thema
Genosse
Prokon!
Mit großer Mehrheit hat sich die Gläubiger-
muss, um die Zustimmung der Gläubiger be-
versammlung des insolventen Windenergie-
müht. Hier wäre eine Quote von rund 52 Pro-
Unternehmens Prokon für eine Fortführung
zent zusammengekommen. EnBW hätte Pro-
als Genossenschaft ausgesprochen. In allen
kon übernehmen und damit den Anteil er-
acht Gläubigergruppen stimmten sie sowohl
neuerbarer Energien in seinem Strommix
mit Kopf- als auch mit Summenmehrheit da-
deutlich erhöhen können.
für. Die Investorenlösung um den Karlsruher
Energiekonzern EnBW kam daher gar nicht
Aber die Prokon-Gläubiger votierten gegen
mehr zur Abstimmung.
die Karlsruher. Offenbar hat EnBW unterschätzt, wie sehr die Zeichner der Genuss-
Am Anfang mussten gerade die 75 000
scheine von der Energiewende überzeugt
Zeichner der Prokon-Genussscheine den
sind und wie sehr sie dazu einen eigenen Bei-
­Totalverlust ihrer Geldanlage fürchten. Gegen
trag leisten wollen. Dafür sind sie sogar be-
Ende des Insolvenzverfahrens wurden sie
reit, ein gewisses unternehmerisches Risiko
plötzlich zu Umworbenen. Der Verein „Freun-
einzugehen. Der Erfolg der Genossenschaft
de von Prokon“ hatte mit einer Deutschland-
ist nämlich nicht von vorneherein gesetzt.
Tour bei zahlreichen Veranstaltungen vor Prokon-Anlegern für die Umwandlung in eine
Insolvenzverwalter Penzlin hatte auf
Genossenschaft geworben, bei der die Gläu-
der Gläubigerversammlung in der
biger nach Prognosen des Insolvenzverwal-
Hamburger Messe keine Empfeh-
ters Dietmar Penzlin eine Quote von 57,8 Pro-
lung für einen der beiden von ihm
zent des eingesetzten Kapitals erhalten sollen.
vorgelegten Insolvenzpläne ausgesprochen. In beiden Fällen profitier-
Gleichzeitig hatte sich der Stromkonzern
ten die Gläubiger von einem schnel-
EnBW, der sich nach dem Atomausstieg ei-
len Ende des Verfahrens. Es soll bis spätestens
nem schmerzhaften Umbau unterziehen
Ende August aufgehoben werden.
T e r
mine
August
2015
Zertifizierter Insolvenzassistent
vom 26. bis 28. August 2015 in Heidelberg
Abrechnung von Versorgungsbezügen
am 25. August 2015 in Mannheim
Bilanzanalyse für Juristen
vom 26. bis 27. August 2015 in Heidelberg
Sommerlehrgang Vertragsgestaltung
vom 26. bis 27. August 2015 in Hamburg
September
2015
Erkennen von Verdachtsfällen und deren Meldung
am 21. September 2015 in Köln
MaRisk-Compliance
am 29. September 2015 in Frankfurt
Verträge & Insolvenz
am 30. September 2015 in Frankfurt
Am Praxisfall: Kreditengagements in der Krise
am 30. September 2015 in Frankfurt
Sanierungskonzepte und Sanierungskredite
am 30. September 2015 in Frankfurt
Bilanz-Know-how für Controller
vom 22. bis 23. September 2015 in Köln
Krisenkommunikation im Ernstfall
vom 30. September bis 1. Oktober 2015 in Köln
IM P
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