Auswertung der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE „Situation der stationären Palliativ- und Hospizversorgung“ (BT-Drs. 18/6224) O-Ton Birgit Wöllert MdB – Obfrau der Bundestagsfraktion DIE LINKE im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages: „Bedarfsgerechtigkeit muss endlich Maßstab der Gesundheitsversorgung werden. Das gilt besonders für die stationären Angebote zur Palliativ- und Hospizversorgung. Bedarfs- und qualitätszentrierte Indikatoren für die Berichterstattung fehlen. Es bleibt unbegreiflich, wie die Bundesregierung auf dieser dünnen Datenbasis meint, Weichen für eine bedarfsgerechte Versorgung stellen zu können. Auch mit dem Gesetz zur Stärkung der Hospiz- und Palliativversorgung droht die tatsächliche Versorgung hinter dem wachsenden Bedarf, zurückzubleiben. Gute Palliativ- und Hospizversorgung kostet mehr als 200 Millionen. Auch schwerstkranke und sterbende Menschen in Pflegeheimen müssen denselben Anspruch auf eine hochwertige Versorgung haben wie Menschen im stationären Hospiz. Deshalb ist die Ungleichbehandlung der Finanzierung von Sterbenden in Pflegeheimen sofort aufzuheben. Der erhöhte Pflegeaufwand sollte in der kommenden Pflegereform als eine eigene Zusatzleistung der Krankenversicherung beschrieben und vergütet werden. Das Gesetz zur Stärkung der Hospiz- und Palliativversorgung und das neue Pflegestärkungsgesetz II müssen hier grundlegend nachgebessert werden“. Weitere Einschätzung: „Damit Bedarfsgerechtigkeit Maßstab der Gesundheitsversorgung werden kann, braucht es geeignete Strukturen und eine Datengrundlage, die deren Weiterentwicklung möglich macht. Diese fehlt in erschreckendem Maße“ so Birgit Wöllert weiter. „Bedarfs- und qualitätszentrierte Indikatoren für die Berichterstattung fehlen. Selektivverträge sichern keine Qualität. Denn ein Krankenhaus verhandelt mit jeder Krankenkasse einzeln besondere Aufwände. Ohne bundesweite Qualitätsstandards dominieren dabei betriebswirtschaftliche Erwägungen. Die Bundesregierung plant zwar erweiterte Informationspflichten für Pflegeheime. Berichte verbessern aber die Versorgung nicht. Das geht nur mit mehr qualifizierten Pflegekräften und höherer Vergütung im Pflegebereich“. „Ohne bundeseinheitliche Erfassung gibt es keine ehrliche Bestandsaufnahme. Diese darf sich auch nicht auf abgerechnete Leistungsfälle beschränken. Es muss klar sein, wie viele Menschen Palliativ- und Hospizversorgung in Anspruch nehmen und solche Leistungen bräuchten. Doch wieviel Menschen hinter der Zahl der Leistungsfälle stehen - dazu ist die Bundesregierung nicht aussagefähig. Auch die Zahl der stationären Hospiz- und Palliativbetten und die Sterbeorte werden als Kennzahl nicht erfasst. Welche Leistungen wo erbracht werden, bleibt im Dunkeln“. 1 Die Aussagen der Antwort der Bundesregierung im Einzelnen: 1. Messbare Ergebnisse liegen allein aus Krankenhäusern vor. 500 Krankenhäuser mit Palliativversorgung, das sind 25 Prozent der Gesamtzahl an Kliniken, rechneten 2013 insgesamt 52.214 stationär-palliativmedizinische Leistungen im Fallpauschalensystem (DRG) ab. 2. Auf Palliativstationen verstarben 45%, auf intensivmedizinischen Stationen 25% der Patientinnen und Patienten. 3. Die Zahl der Leistungsfälle hat sich seit Einführung der Palliativmedizinischen Fallpauschalen 2007 von 16.388 auf 58.691 im Jahr 2014 erhöht. 73 % der abgerechneten Fälle hatten eine onkologische Hauptdiagnose. Allerdings sind die Leistungsfälle nicht identisch mit der Zahl der versorgten Personen. Onkologische Hauptdiagnosen erfordern häufig Mehrfachbehandlungen, so dass der hohe Anteil dieser Diagnosen an den Leistungsfällen auf eine deutlich niedrigere Zahl versorgter Patienten schließen lässt. 4. Weniger als 100 Krankenhäuser haben mit Kostenträgern Vereinbarungen als „Besondere Einrichtungen“ außerhalb der DRG-Vergütung abgeschlossen. Während die Zahl von 4 im Jahr 2003 auf 138 im Jahr 2011 kontinuierlich stieg, sinkt sie seit 2012. Das zeigt Verhandlungsprobleme oder eine mangelnde Bereitschaft von Kostenträgern an, solche tagesoder fallbezogenen Budget-vereinbarungen abzuschließen. Fallpauschalen decken den tatsächlichen Aufwand insbesondere für Palliativpflege, nicht ab. Ob die im HPG geplante Option, dass Krankenhäuser sich einseitig als „Besondere Einrichtung“ erklären können, zu einer aufwandsadäquaten Leistungsvergütung führt, ist fraglich. Denn damit ist weder die Vergütungshöhe schon geregelt, noch das Grundproblem der DRG gelöst: die Orientierung auf technische Leistungen. In der Palliativversorgung zählt eben das weniger, sondern Zeit und Präsens – also hoher Personaleinsatz. 5. Völlig unzureichend sind die statistischen Angaben zu stationären Pflegeeinrichtungen. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Begleitung schwerstkranker und sterbender Menschen originäre Aufgabe in Pflegeeinrichtungen ist. Allerdings wird die medizinische Behandlungspflege in Heimen nur pauschal und nicht aus Mitteln der GKV vergütet, obwohl auch Pflegebedürftige in Heimen Krankenkassenbeiträge zahlen. Das ist eine eklatante Ungleichbehandlung. 6. Im Zusammenhang mit stationären Pflegeeinrichtungen spricht die Bundesregierung immer nur von Sterbebegleitung. Entsprechende Konzepte sind nach § 113 SGB XI vorzuhalten. Von 11.000 überprüften Pflegeeinrichtungen im Jahr 2012 hätten 96,8% ein solches Konzept vorweisen können. Über die Qualität der Umsetzung können keine Angaben gemacht werden. 2 7. Einen Vergütungszuschlag in stationären Pflegeeinrichtungen für die Hospiz- und Palliativversorgung in stationären Pflegeeinrichtungen lehnt die Bundesregierung mit der Begründung ab, Sterbebegleitung sei integraler Bestandteil der stationären Pflege und deshalb nicht auf gesonderte Hospizkräfte aufteilbar. Dass der Personalnotstand in stationären Pflegeeinrichtungen würdevolle Sterbebegleitung oft verhindert, kommentiert die Bundesregierung nicht. 8. Statistische Angaben über die tatsächliche Auslastung stationärer Hospizplätze, die Verweildauer oder die Zahl der Beschäftigten liegen ebenfalls nicht vor. Die Zuschüsse der Bundesregierung beliefen sich 2014 auf ca. 94 Millionen Euro und haben sich seit 2007 mehr als verdoppelt. Fast verdreifacht haben sich die Bundeszuschüsse zu ambulanten Hospizleistungen. Wie viele Menschen dadurch mehr versorgt werden konnten, erschließt sich nicht. 9. Nicht auskunftsfähig ist die Bundesregierung zu folgenden Versorgungsindikatoren: - statistische Verteilung der Sterbeorte - Anzahl von Palliativstationen und -betten sowie Anzahl der verfügbaren Hospizplätze und der jeweils versorgten Personen - zu Angaben über die tatsächliche Auslastung stationärer Hospizplätze, die tatsächliche Verweildauer, die Zahl der Beschäftigten und ehrenamtlichen Sterbebegleiter - zur Zahl der Erst- und Mehrfacheinweisungen von Pflegeheimbewohnerinnen und bewohnern in stationäre Krankenhausbehandlung und zur Zahl der der Pflegeheime, die sich auf Palliativpatienten spezialisiert haben - zu den Pflegeeinrichtungen als Leistungsort der SAPV (spezialisierte ambulante Palliativversorgung) - zur Anzahl der Absolventen einer „Zusatzausbildung für Palliativpflege“ - zu Fortschritten in der Heilkundeübertragung für eine bessere Schmerzversorgung von schwerstkranken und sterbenden Menschen in stationären Pflegeeinrichtungen. 3
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