BIBB/BAuA-2012 Demografischer Wandel und regionale Betroffenheit – Die Arbeitsplatzsituation aus Sicht der Beschäftigten 18 baua-faktenblatt Die Regionen Deutschlands sind unterschiedlich stark vom demografischen Wandel betroffen. Da sich Bevölkerungsveränderungen nicht losgelöst von ökonomischen Entwicklungen vollziehen, haben sie Auswirkungen auf den Lebensbereich Arbeit. So zeigen Ergebnisse der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2012, dass abhängig Beschäftigte ihre Arbeitsplatzsituation in den weniger und stärker von Schrumpfung betroffenen Bundesländern (ohne Stadtstaaten) unterschiedlich einschätzen. Das unterstreicht, Entwicklungen auch räumlich differenziert zu betrachten. Wachstum und Schrumpfung in den Bundesländern Eine steigende Lebenserwartung und anhaltend niedrige Geburtenraten lassen Deutschlands Bevölkerung altern und schrumpfen. Regional schlägt sich diese Bevölkerungsentwicklung jedoch unterschiedlich nieder. Es gibt sowohl schrumpfende als auch wachsende Regionen mit mehr oder weniger starker Alterungsdynamik. Schrumpfung bzw. Wachstum ist dabei im weiteren Sinne mehr als nur ein demografischer Prozess, weil sich Bevölkerungs- und wirtschaftliche Entwicklungen in hohem Maße gegenseitig bedingen. So führt steigende Arbeitslosigkeit vermehrt zu Abwanderung von Personen im Erwerbsalter und folglich zu Bevölkerungsverlusten. Um dies mit abzubilden, erfasst das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) Schrumpfung und Wachstum anhand von sechs Indikatoren, die sowohl die Bevölkerungsentwicklung als auch die Entwicklung von Beschäftigung und Wirtschaft beschreiben (s. Tab. 1). Für die Analyse sind die Daten aus dem Erhebungszeitraum 2007 bis 2012 herangezogen worden. Es zeigt sich, dass in den 13 Flächenländern bereits Städte Tab. 1: Entwicklungsindikatoren für Wachstum und Schrumpfung nach der BBSR-Definition Entwicklungsindikatoren 98 Sachsen-Anhalt 78 Freistaat Sachsen 91 57 MecklenburgVorpommern 88 74 Freistaat Thüringen 87 68 75 Brandenburg 53 71 Saarland Rheinland-Pfalz 56 45 84 weniger von Schrumpfung betroffen 52 Baden-Württemberg stärker von Schrumpfung betroffen 37 51 51 Nordrhein-Westfalen Hessen 46 33 schrumpfende Städte und Gemeinden 42 Schleswig-Holstein 40 Niedersachsen 32 in schrumpfenden Städten und Gemeinden lebende Bevölkerung 36 29 Freistaat Bayern 19 0 10 in % 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Datenquelle: BBSR (2015). Wachsende und schrumpfende Gemeinden in Deutschland. Abb. 1: Anteil schrumpfender Gemeinden und der in schrumpfenden Gemeinden lebenden Bevölkerung in den Bundesländern (in %) Bevölkerungsentwicklung der letzten fünf Jahre Gesamtwanderungssaldo über die letzten fünf Jahre Entwicklung der Erwerbsfähigen (20 bis 64 Jahre) der letzten fünf Jahre Entwicklung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten der letzten fünf Jahre Veränderung der Arbeitslosenquote der letzten fünf Jahre Entwicklung der Istaufkommen Gewerbesteuer der letzten fünf Jahre Quelle: BBSR (2015). Wachsende und schrumpfende Gemeinden in Deutschland. und Gemeinden von Schrumpfung betroffen sind. Es sind vor allem die ostdeutschen Bundesländer (s. Abb. 1). Im Durchschnitt schrumpfen hier fast 90 % der Gemeinden. Den höchsten Anteil an schrumpfenden Städten und Gemeinden weisen Sachsen-Anhalt (98 %) und Sachsen (91 %) auf. In Bayern und Niedersachsen hingegen ist das Ausmaß an schrumpfenden Gemeinden mit etwa einem Drittel am niedrigsten. Die meisten Städte und Gemeinden verzeichnen hier noch eine stabile bzw. wachsende Entwicklung. Insgesamt zeigen die Daten, dass der Großteil der Bevölkerung in den neuen Bundesländern in schrumpfenden Gemeinden lebt (53 % bis 78 %). Im Ost-West-Vergleich fällt der Anteil der in schrumpfenden Gemeinden lebenden Bevölkerung in den westdeutschen Bundesländern im Allgemeinen kleiner aus (19 % bis 51 %). Einzige Ausnahme bildet das Saarland, das mit 84 % sogar den höchsten Wert von allen Bundesländern erreicht. Demografischer Wandel und regionale Betroffenheit Arbeitsplatzsituation der Beschäftigten im Spiegel regionaler Entwicklung In der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2012 haben die Beschäftigten mit Blick auf die eigene Arbeitsplatzsituation u. a. Auskunft über ihr letztes Arbeitsverhältnis und die nahe berufliche Zukunft gegeben. Konkret wurde gefragt, ob der letzte Arbeitgeber auf eigenen Wunsch verlassen wurde und wie die Entwicklung der eigenen beruflichen Situation in den nächsten zwei bis drei Jahren sowie die Arbeitsplatzsicherheit eingeschätzt wird. Die Ergebnisse lassen regionale Unterschiede erkennen. So berichten Beschäftigte, die in den stärker von Schrumpfung betroffenen Bundesländern wohnen, häufiger – und das altersübergreifend – den letzten Arbeitgeber nicht auf eigenen Wunsch verlassen zu haben (s. Abb. 2). Im Durchschnitt liegt der Anteil hier bei 44 %. Von den Beschäftigten, die in den weniger von Schrumpfung betroffenen Bundesländern wohnen, sagen das nur knapp 25 %. Besonders groß ist der Unterschied bei den Beschäftigten 50 Jahre und älter, wo der Anteil um ein Fünftel höher ausfällt (50 % gegenüber 28 %). Unfreiwilliger Arbeitgeberwechsel 50 Beschäftigte (in %) 18 baua-faktenblatt 50 44 40 41 33 30 20 26 25 23 28 10 0 insgesamt Beschäftigte, die 15-29 Jahre 30-49 Jahre 50-64 Jahre in weniger von Schrumpfung betroffenen Bundesländern wohnen in stärker von Schrumpfung betroffenen Bundesländern wohnen Abb. 2: Beschäftigte, die ihren letzten Arbeitgeber nicht auf eigenen Wunsch verlassen haben, nach Alter und Bundesland (in %) Bezüglich der beruflichen Zukunft zeigen sich hingegen keine nennenswerten Unterschiede. Durchschnittlich rund ein Viertel aller Befragten erwartet eine Verbesserung der beruflichen Situation in den nächsten Jahren. Unterschiedliche Einschätzungen diesbezüglich scheinen vielmehr altersbedingt zu sein, was am durchgängig höheren und ähnlich hohen Anteil an Äußerungen „wird schlechter werden“ unter älteren Beschäftigten ablesbar ist (50-64 Jahre: 15 %, 15-29 Jahre: 4 %). Dennoch, und das korrespondiert mit den Aussagen über den letzten Arbeitgeberwechsel, ist die subjektive Arbeitsplatzunsicherheit unter den Befragten, welche in den stärker von Schrumpfung betroffenen Bundesländern wohnhaft sind, etwas höher (s. Abb. 3). So hält z. B. jeder zehnte Befragte, der in Mecklenburg-Vorpommern wohnt, die Gefahr, in nächster Zeit entlassen zu werden bzw. dass der Arbeitsvertrag nicht verlängert wird, für sehr hoch bzw. hoch. In Bayern dagegen sind es mit 5 % nur halb so viele. Und auch der Anteil der Beschäftigten, der überhaupt keine Gefahr sieht, ist in den stärker schrumpfenden Bundesländern im Durchschnitt deutlich niedriger (Durchschnittswert 37 % vs. 50 %). Subjektive Gefahr eines Arbeitsplatzverlustes Sachsen-Anhalt 8 54 Freistaat Sachsen MecklenburgVorpommern Freistaat Thüringen 9 54 10 9 37 43 47 8 Brandenburg 38 65 27 37 54 Rheinland-Pfalz 5 45 50 Baden-Württemberg 6 43 51 Nordrhein-Westfalen 7 45 Hessen 6 46 Schleswig-Holstein 5 43 Niedersachsen 6 40 Freistaat Bayern 5 0 Gefahr sehr hoch/hoch 48 49 51 54 50 45 20 40 60 Beschäftigte (in %) Gefahr sehr gering 80 100 überhaupt keine Gefahr Abb. 3: Einschätzung der Beschäftigten zur Gefahr, in nächster Zeit ent lassen zu werden, nach Bundesland (ohne Saarland, in %) Berufliche Qualifikation und Weiterbildung können den Verbleib im Erwerbsleben sichern. In dieser Hinsicht zeigen die Befragten in allen Bundesländern eine ähnlich hohe Weiterbildungsbereitschaft. In beiden Gruppen (Beschäftigte, die in weniger bzw. stärker von Schrumpfung betroffenen Bundesländern wohnen) planen durchschnittlich 56 % der Beschäftigten, sich in den nächsten zwei Jahren für ihre Berufstätigkeit weiterzubilden. Dabei möchten sich Beschäftigte in den stärker von Schrumpfung betroffenen Bundesländern häufiger anderes berufsfachliches Wissen aneignen (71 % vs. 64 %). Auch spielt bei ihnen die Intention, mit Weiterbildung beruflich auf dem Laufenden zu bleiben, eine etwas größere Rolle (77 % vs. 73 %), vor allem in Sachsen-Anhalt (80 %). Fazit Die dargelegten Ergebnisse unterstreichen die allgemeine Forderung, Entwicklungen in Zeiten demografischen Wandels räumlich differenziert zu betrachten. Sie machen deutlich, dass der Lebensbereich Arbeit im Kontext regionaler Rahmenbedingungen (Wachstum oder Schrumpfung) gesehen werden muss. Die hier auf Bundeslandebene betrachteten Äußerungen lassen bereits Unterschiede erkennen. Sie spiegeln indirekt auch die unterschiedliche wirtschaftliche Lage in West- und Ostdeutschland wider. Gleichwohl scheinen die Beschäftigten bereit zu sein, sich mittels Weiterbildung den neuen Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt zu stellen. Sie wollen mehr wissen? BBSR (2015). Wachsende und schrumpfende Gemeinden in Deutschland. www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/Raumbeobachtung /Raumabgrenzungen/Wachs_Schrumpf_gem/Wachs_ Schrumpf_Gemeinden_node.html BIBB/BAuA-Faktenblatt 05: Demografischer Wandel in der Arbeit – Körperlich schwere Arbeit belastet Ältere stärker. www.baua.de/dok/6505452 Impressum | Herausgeber: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Friedrich-Henkel-Weg 1–25, 44149 Dortmund, Telefon: 0231 9071-2071, E-Mail: [email protected], Internet: www.baua.de | Autorin: Dr. Sandra Opitz | Gestaltung: Martina Brandau-Pollack | November 2015
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