Die Aktion „Hilfe für Lesbos“ – ein Krankenwagen für die Insel. Jetzt sind wir schon 2 Tage zuhause und die ganze Aktion lässt uns nicht ruhen. Es kommen immer noch Spendengelder auf das Konto und wir können somit noch die ein oder andere sinnvolle Sache für die Lage der Flüchtlinge und der griechischen Bevölkerung auf Lesbos anstoßen. Dazu aber später mehr… Nachdem wir die vielen Hilfsmittel und Medikamente sauber in Kartons verpackt im Krankenwagen eingeladen hatten, sind wir Sonntagnacht um 3 Uhr, am 22.Dezember, losgefahren. Die vorangegangen 3 Wochen möchte ich nun nicht mehr beschreiben, das ist ja alles auf unserer Facebook‐Seite „Hilfe für Lesbos“ zu sehen. Neben vereisten Straßen am Fernpaß, zickigen Zöllnerinnen am Hafen von Ancona, und einem platten Reifen in Patras, war der Rest der 3‐tägigen Reise eher gemütlich anzusehen. Die eigentliche Reisegeschichte beginnt so eine halbe Stunde vor Ankunft auf der Inselhauptstadt Mytilini mit der Sichtung einer knallroten Rettungsweste und eines leeren Schlauchbootes, welche im Meer trieben. Da wurde uns so richtig schlagartig bewusst, auf was für ein Abenteuer wir uns eingelassen haben. Am Hafen auf Lesbos begann das uns bereits bekannte Ausladen der Fähre. Diese Fähre war weniger gebucht wie die Vorherigen, von daher durften wir rasch das Schiff verlassen. Am Hafen konnten wir erahnen, wie es hier noch vor 8 Wochen ausgesehen haben muss. Überall Menschen, vorwiegend Familien, die meisten Syrer, soweit das Auge reicht. Nach Schätzungen sind zurzeit 5000 Flüchtlinge im Hafengebiet, vor Wochen waren es über 30.000!! Auf dem Weg zur Autovermietung, wir mussten uns ja auf der Insel nach dem überreichen unseres Krankenwagens fortbewegen, sahen wir in Zelten hausende Familien, auf Bänken schlafende Männer und viele, einfach auf dem Gehweg sitzende Flüchtlinge. Zäune wurden als Wäscheleine benutzt, Bänke als Betten, das Meer als Waschmöglichkeit. Was uns schnell erstaunte war die Diskrepanz unter den Flüchtlingen, manche essen und schlafen auf der Straße, andere sitzen beim Shisha‐Rauchen im Restaurant und nächtigen im Hotel. Tja, es gibt eben Flüchtlinge die Geld haben und andere, die sich gerade so die Überfahrt mit den Schlepperbanden leisten können. Nach diesen doch bedrückenden ersten Eindrücken sind wir 30 Kilometer gen Inselnorden nach Kalloni, ins dortige Ärztezentrum, gefahren. Unsere Kontaktperson Regina Schmitz erwartete uns dort. Dank ihr konnten wir den Krankenwagen mit all den Hilfsmitteln gut übergeben. Ihr ist es zu verdanken, dass wir sehr gut aufgenommen und auch wahrgenommen wurden. Das war übrigens unsere größte Angst, anzukommen und keiner kümmert sich um uns. Aber all unsere griechischen Kontakte haben im Vorfeld perfekte Arbeit geleistet: Athene Zapaduli Panoulas, unsere langjährige Freundin, wohnt in Volos, eine Stadt auf dem Festland. Sie hat den Flyer ins Griechische übersetzt, alle bürokratischen Fallstricke umschifft, und in Kalloni die Kontakte zum Bürgermeister, dem leitenden Arzt Dr. Naief Altzaiousi und unserem Erstkontakt Takis Morfogiannis hergestellt. Viele Telefonate waren da nötig, wir hatten dadurch keinerlei Probleme beim Zoll oder mit den griechischen Behörden. Viele unsinnige Gesetzte können, wie wir erfahren haben, einem da rasch einen Strich durch die Rechnung machen. Takis Morfogiannis, Trauzeuge von Athene und ihrem Mann Nico, er wohnt nördlich der Stadt Kalloni, in Petra. Ein schöner Ort, direkt am Meer. Dort sind im Sommer direkt vor seiner Haustüre Bootsflüchtlinge ertrunken und zig tausende auf dem Weg zur Inselhauptstadt vorbeigelaufen. 50 Kilometer bei knapp 40 Grad. Da haben wir Geschichten gehört, die unter die Haut gehen. Dank ihm haben wir überhaupt die Spendenaktion begonnen. Durch ihn erfuhren wir, wie es tatsächlich auf der Insel aussieht. Regina Schmitz, wohnt mit Ihrem Mann und den zwei Söhnen in Stipsi, einem sehr idyllisch gelegenen Bergdorf. Der Ort liegt zwischen Kalloni und Petra. Sie lebt seit 12 Jahren auf Lesbos und organisiert für Robert Betz die Seminare auf der Insel. Sie ist sozusagen seine Vor‐Ort‐Reiseleitung auf Lesbos und hat sehr viele Kontakte. Durch Sie wurden wir bestärkt, das Ganze mit 100% Energie durchzuziehen. Und dann gibt es noch eine Vielzahl von Menschen, die uns mit vielen kleinen Schritten zum Ziel verholfen haben – und natürlich all die Spender und Firmen, die wir noch später alle benennen werden. Im Ärztezentrum wurden wir freudig empfangen. Ganz griechischer Sitte wurde erst mal Wasser und ein Frappe gereicht. Im Büro von Dr. Naief, welches mit der Klimaanlage beheizt(!! )wird, spürten wir die erste große Dankbarkeit. Es war ihm lange nicht klar, dass wir es ernst meinen und tatsächlich mit einem Krankenwagen, vollbeladen mit Medizin und Hilfsmitteln, bei ihm auf der Insel erscheinen würden. Welch Glück, dass Myrsini Eirini Gianni anwesend war. Sie ist Ärztin und arbeitet in Stuttgart in einer Klinik und war auf Heimaturlaub. Dabei hilft Sie im Ärztezentrum unentgeltlich aus. So waren die Sprachprobleme schon mal gelöst. Dann ging es ans auspacken. Anfangs gingen die unzähligen Kartons schnell von Bord des Wagens. Parallel wurden diese im Ärztezentrum geöffnet und gleich in die leeren Regale eingeräumt. Immer wieder kam ein Pfleger angerannt und alle waren ganz sprachlos, was wir alles im Gepäck hatten. Der Fahrer dieser Ambulanz, er hatte eigentlich Urlaub, rannte ganz aufgeregt ums Auto. Alle Hebel und Tasten wurden ausprobiert und Ralf konnte alles gut erklären. Beim Aufheulen des Martinshorns war es dann um ihn geschehen. Im Laufe dieser Stunden kamen unzählige Menschen aus dem Ort zur Station, um nachzuschauen, was da los ist. Wildfremde Menschen drückten uns Ihre Dankbarkeit aus. Selbst die Presse war vor Ort. Es dauerte Stunden, bis wir das Zentrum verlassen konnten, und unser Zimmer in Petra bezogen. Den Abend verbrachten wir mit Regina Schmitz, der Hunger musste gestillt werden. Tags drauf kam Nico Scheller mit Savas Mouratidis aus der Heimat an. Sie hatten einen Spendenaufruf in allen Inshape‐Fitnessstudios gestartet. So war Nico´s Wohnmobil bis unters Dach mit Winterkleidung, Schuhen, Schlafsäcken, Decken, Taschen und Rucksäcken, einem dringend benötigten Rollstuhl beladen. Zusätzlich hat er die von Spendengeldern finanzierten 5000 silber/goldenen Überlebensdecken mitgebracht. Wir fuhren sofort ins Flüchtlingscamp Kara Tepe, am Ortsrand von Mytilini. Dort leben zurzeit ausschließlich syrische Familien, welche auf den Weitertransport via Fähre aufs griechische Festland warten. Der Leiter des Camps Fred Morlet, ein Franzose, der auf Mallorca lebt, war überglücklich über unsere Ankunft. Fred erzählte uns, dass das gesamte Camp rein aus privaten Spendengeldern finanziert wird. Sie bekommen keinen Cent vom Staat und haben derzeit Probleme das Essen zu finanzieren. Für die derzeit 900 Flüchtling benötigt er 400€ täglich. Einige Tage zuvor hatte er kein Geld mehr. Wäre nicht eine Dame gekommen, die ihm 400€ auf den Tisch gelegt hätte, hätten die Menschen dort ohne Essen auskommen müssen. Sämtliche ehrenamtliche Helfer, die sogenannten Volunteers, reisen auf eigene Kosten an, arbeiten dort ohne Entlohnung und kommen auch für Ihren Aufenthalt selbst auf. Im Dezember alleine kamen 58.000 Flüchtlinge (nur auf Lesbos!) an, während des Jahres 2015 waren es über 500.000, und das bei 90.000 Einwohnern. Und dann sind da noch die Inseln Samos, Kos, Chios, auch dort herrschen ähnliche Verhältnisse. Da wir noch Geld übrig haben, werden wir dem Camp Kara Tepe bzw. Fred Morlet 2000 Euro überweisen. Als wir anwesend waren, wollten wir gemeinsam Heiligabend feiern, wir wurden zum Essen eingeladen. Doch leider war es uns schnell klar, dass an diesem Abend das Essen nicht für alle Syrer reicht. Das war ein sehr beklemmender Moment. Somit tragen wir dazu bei, für einige Tage die Versorgung dort sicherzustellen. Auf dem Rückweg nach Petra sind wir am Lager Moria, einem ehemaligen Militärstützpunkt mit sehr hohem Stacheldrahtzaun, vorbeigekommen. Dort werden vorwiegend männliche, alleinreisende Flüchtlinge aller Nationalitäten und Religionen eingepfercht. Dieses Lager wird als „Hölle Moria“ in der Presse beschrieben. Es war auf uns sehr furchteinflößend was wir sahen, wir haben dort nicht angehalten. Wobei auch an diesem Ort große Not herrscht. Gemeinsam verbrachten wir die nächsten 24 Stunden an der Nordküste der Insel. Wir haben uns ein persönliches Bild davon gemacht, wie dort die Lage ist. Tags zuvor konnten Maren und ich einige Schlauchboote mit durchnässten Flüchtlingen ankommen sehen. Und das bei sehr ruhiger See. An diesem Tag war das Meer sehr aufgewühlt, wir konnten nur erahnen, was sich da, meist nachts, für Dramen auf hoher See abspielen. Zusammenfassend können wir nur den Hut vor der griechischen Bevölkerung ziehen, die unter großem persönlichem Einsatz hilft, wo es nur geht. Wir haben die Augenzeugenberichte gehört, wie es ist, wenn hungrige Familien an der eigenen Haustüre vorbeiziehen und man einfach alles herausgibt, was in der Vorratskammer steht. Wenn es unter Strafe verboten ist, Alte und Gebrechliche, Kinder und Kranke zur nächsten Auffangstation zu fahren, da man sonst als Schlepper verknackt werden kann. (Auto wird konfisziert und 5000 Euro Strafe) Wenn morgens beim Aufstehen ein Boot hinterm Haus kentert und keiner da ist, der hilft. Unzählige und unvorstellbare Geschichten. Uns hat Nico Schellers Zusammenfassung seiner Reise sehr gut gefallen, vor allem sein Ende, wo er seine Eindrücke, die unsere wiederspiegeln, beschreibt. Alle Regierungen haben voll versagt, die EU und das gesamte Politiker‐Lumpenpack, welches eh nur von wirtschaftlichen Interessen geführt wird. Denn wo liegt es näher, Flüchtlingen die einfache, sichere Überfahrt per Fähre zu genehmigen, die ich als Deutscher für 10 Euro belegen könnte? Stattdessen werden Schlepperbanden, durch diese oft lebensbedrohlichen Fluchtaktionen reicher und reicher….und wer partizipiert nun alles davon? Für was gibt die deutsche Regierung 3 Milliarden Euro Steuergelder der türkischen Regierung? Ralf und Maren im Januar 2016
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