Kostprobe 1 - Die Idee vom Gesprächsfaden

Die Idee vom Gesprächsfaden
An meiner Lampe im Büro hängt ein roter Faden. Jemand hat ihn mir einmal geschenkt, damit ich
»den Faden nicht mehr verlieren« kann. Ich soll ihn vielmehr behalten, verfolgen und nie aus den
Augen verlieren. Er soll sich durch Konzepte, Präsentationen, Geschichten und Gespräche ziehen, als
ein Gedanke oder ein Motiv, das durch das Geschehen immer weiter fortgeführt wird.
Johann Wolfgang Goethe berichtete, dass die britische Marine die Idee vom roten Faden
entwickelt und geschickt für sich eingesetzt habe. Sie flechte nämlich rote Fäden als
Erkennungszeichen in ihre Taue, um diese vor Diebstahl zu schützen. In seinem Roman
»Wahlverwandtschaften« verwendet Goethe den roten Faden der Royal Navy als ein Bild für etwas,
dass alles verbindet und nicht einfach herausgetrennt werden kann; etwas, woran auch die kleinsten
Teile zu erkennen sind. Durch das Leben einer der Hauptfiguren Ottilie zieht sich der Faden der
Neigung und Anhänglichkeit. Eine Vorstellung, die auch der Schriftsteller E. T. A. Hoffmann
nachvollziehen kann. Er schreibt 1821 in seinem Roman »Die Serapionsbrüder«:
»Goethes schönen Gedanken vom roten Faden, der sich durch unser Leben zieht und an
dem wir, ihn in lichten Augenblicken gewahrend, den über uns, in uns wallenden höheren
Geist erkennen«. (8. Abschnitt: »Der Zusammenhang der Dinge«)
Wenn Redner auf einer Bühne den Faden verlieren, merkt man es ihnen meistens an. Es ist eine
Situation, die schon als Zuhörer unangenehm ist. In Besprechungen, Diskussionen und Arbeitskreisen
verliert jedoch manchmal die gesamte Gruppe den roten Faden. Das eigentliche Thema, das Ziel, das
gemeinsame Anliegen wird aus den Augen verloren. Man redet über dies und das und irgendwann ist
die Zeit um, wieder wurde kaum etwas geschafft und keiner weiß eigentlich so recht wieso.
Irgendwie scheint es zwischendurch niemandem aufgefallen zu sein.
Damit ein Schiff nicht auf Grund läuft, muss in Küstennähe regelmäßig die Wassertiefe ausgelotet
werden. Traditionell geschieht dies durch ein Bleilot, das an einem Faden hinabgelassen wird. Trotz
moderner Ultraschall?Echolote wird diese Entfernung noch immer in der Maßeinheit »Faden«
angegeben. Wie aber kann man nun die Tiefe von Gesprächen herausfinden? Wenn ein roter Faden
Eigentumsverhältnisse klären und Lebenswege beschreiben kann: Was zieht sich dann durch ein gut
geführtes Gespräch? Woran erkennt man, ob ein Gesprächsbeitrag zum Thema passt? Was verbindet
die vielen Einzelteile? Wie zeigt sich der »höhere Geist«?
Die Aufgabe eines Gesprächsleiters ist es unter anderem, den Faden fest in der Hand zu halten
und allen Gesprächsteilnehmern zu helfen, ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Er gibt die Struktur
vor und führt auf sie zurück. Er lenkt und leitet, koordiniert, motiviert oder besänftigt.
Die Idee eines roten bzw. blauen Gesprächsfadens zieht sich auch durch meinen Internetauftritt;
sie ist Grundlage meiner Arbeit. In den nächsten Kostproben möchte ich Ihnen Anregungen dazu
geben, die es erleichtern, den roten Faden in Gesprächen zu finden und vor allem, ihm zu folgen.
Gestalten Sie Gespräche!
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