W.E.B. Windkraft: Die etwas andere Aktie, oder warum ich W.E.B. kaufe Vor 20 Jahren errichtete die W.E.B. ihre erste Windkraftanlage. In seinem Gastbeitrag analysiert der Autor die Kennzahlen der W.E.B. und vergleicht sie mit den „Großen“ der Branche. Überraschungen sind garantiert. Eine Gastanalyse von Michael Gredenberg*. © APA-dpa/A3542 Karl-Josef Hildenbrand MEINUNG 0 TAGESTHEMEN BLOGS Heute geht es um eine spezielle Aktie, die an keiner Börse gelistet ist, aber dennoch über eine private Plattform gehandelt werden kann. Es geht um die Waldviertler Windkraft-Firma W.E.B., welche ihr Kapital durch “Bürgerbeteiligung” aufgenommen hat. Das Unternehmen betreibt mittlerweile fast 200 Windkraftanlagen sowie einige Photovoltaik-Anlagen und Kleinwasserkraftwerke an 70 Standorten in Österreich, Deutschland, Tschechien, Frankreich, Italien und Kanada. Die älteste Anlage von W.E.B. ist mittlerweile 20 Jahre alt und wurde in Michelbach im Mostviertel installiert. Ich habe mir die Arbeit gemacht aus allen Geschäftsberichten bis ins Jahr 2009 zurück händisch alle wichtigen Kennzahlen auszuwerten um das Unternehmen zu analysieren. (Da das Unternehmen nicht börsenotiert ist gibt es keine Möglichkeit diese Daten “bequem” von Bloomberg zu bekommen.) Außerdem habe ich die Zahlen mit denen von einigen “großen” Kraftwerksbetreibern verglichen. Der Schwerpunkt dieser Analyse liegt aber nicht beim Vergleich sondern bei der Analyse des Unternehmens W.E.B.. Das Unternehmen W.E.B.. Vor 20 Jahren gründete der heutige Vorstandsvorsitzende Andreas Dangl das Unternehmen und sammelte bereits damals von etwa 200 Bürgern das notwendige Kapital für die erste Winkraft-Anlage ein. Aber nicht nur das Eigenkapital (also die Aktien) sondern auch große Teile des Fremdkapitals hat dieses Unternehmen über Bürgerbeteiligungen aufgenommen. Es ist sozusagen ein Vorreiter beim Crowd-Funding gewesen. Das Unternehmen steht für „grüne“ Energie. Auf der Webseite www.windenergie.at findet man viele Informationen über das Unternehmen. Auch die Investor-Relations Seite gefällt mir sehr gut, da sie wirklich viele übersichtlich dargestellte Informationen enthält. Die Aktie. Mittlerweile sind etwa 290.000 Aktien von WEB im Umlauf. Diese können über die firmeneigene Handelsplattform (den sogenannten “Traderoom”) gehandelt werden. Dieser ist hier zu finden: www.traderoom.at. Um handeln zu können muss man sich zuerst für die Plattform anmelden und einen Ausweisscan uploaden. Man wird dann nach einiger Zeit freigeschaltet und kann handeln. Die Plattform vermittelt Käufer und Verkäufer von WEB-Aktien. Der Handel selbst muss dann mit einem Kaufvertrag abgeschlossen werden. Natürlich ist die Aktie deshalb bei weitem nicht so liquide wie ein börsenotiertes Pendant. Die Kennzahlen von W.E.B. seit 2009 - Rentabilität und Wachstum. In der Tabelle 1 (im Börse Express PDF) habe ich die wichtigsten Kennzahlen für die Feststellung von Rentabilität und Wachstum aus den einzelnen Geschäftsberichten der WEB herausgesucht und zusammengefasst. Umsatz. Beim Umsatz konnte das Unternehmen in den letzten 5 Jahren um fast 11% pro Jahr zulegen. Auch die Zahlen für das erste Quartal 2015 schauen schon sehr vielversprechend aus, allerdings weist das Unternehmen im Quartalsbericht darauf hin, dass üblicherweise bei Windkraft die Quartale eins und vier (Winter) wesentlich ertragreicher sind als die Quartale zwei und drei (Sommer). Im Sommerhalbjahr geht einfach weniger Wind als im Winterhalbjahr. Man kann also nicht von der guten Entwicklung des ersten Quartals auf das gesamte Jahr hochrechnen, es zeichnet sich aber bereits ab, dass das Wachstum beibehalten werden kann. Ich habe außerdem noch die Stromproduktion pro Jahr in Megawattstunden in die Tabelle aufgenommen, sowie den durchschnittlichen Strompreis pro Jahr (zu dem Strom verkauft wurde) in Euro pro Megawattstunde (MWh) Hier ist zu sehen, dass der Strompreis seit dem von der Finanzkrise gezeichnetem Jahr 2009 wieder leicht gestiegen ist. Das kann auch auf Förderungen von Windkraft zurückzuführen sein. Gewinn. Auch der Gewinn konnte in den letzten 5 Jahren jährlich gesteigert werden, sogar noch ein wenig stärker als der Umsatz: um 11,61% pro Jahr. Umsatzrendite. Die Umsatzrendite (Gewinnspanne) konnte in den letzten 5 Jahren relativ stabil bei etwa 13% gehalten werden. Der „gute“ Wert für das erste Quartal 2015 ist ein auf das ganze Jahr hochgerechneter Wert, der wie bereits erwähnt, wahrscheinlich nicht gehalten werden kann da das erste Quartal immer besser ist als die Quartale 2 und 3. Hier habe ich auch zum Vergleich 3 weitere Stromproduzenten welche alle an der Börse notiert sind herangenommen. Zwei davon werden an der Wiener Börse gehandelt: Die Österreichischen Unternehmen Verbund und EVN. Außerdem habe ich den finnischen Stromproduzenten Fortum in den Vergleich aufgenommen, da dieses Unternehmen fundamental sehr gut da steht – wie wir noch sehen werden. Bei der Umsatzrendite schlägt WEB die beiden Österreicher Verbund und EVN deutlich. Fortum hat allerdings über die letzten 5 Jahre deutlich bessere Gewinnspannen (siehe Tabelle 2 im PDF). Das mag daran liegen, daß Fortum sich nicht ausschließlich auf “grüne” Energie spezialisiert hat, sondern auch einige Atomkraftwerke betreibt. Gesamtkapitalrendite. Die Gesamtkapitalrendite hat sich bei W.E.B. in den letzten Jahren um die 4% eingependelt – auch hier ist der Wert für 2015 wie bereits oben erklärt mit Vorsicht zu geniessen, da das erste Quartal nicht für eine Hochrechnung auf das ganze Jahr genommen werden kann. Nur Fortum hat eine bessere GK-Rendite. Verbund und EVN sind weit schlechter (siehe Tabelle 3 im PDF). Insgesamt ist eine GK-Rendite von 4% nicht besonders gut – für Energieversorger allerdings normal bis gut. Unternehmen mit einer so „niedrigen“ Gesamtkapitalrendite sind einem erheblichen Zinsrisiko ausgesetzt, da ein Anstieg der Fremdkapitalzinsen über die GK-Rendite automatisch Verluste zur Folge hätte. Da W.E.B. Fremdkapital in Höhe von etwa 290 Millionen Euro hat, würde der Anstieg der Zinsen auf dieses Kapital um ein Prozent immerhin eine Gewinnminderung von 2,9 Millionen Euro bedeuten – also mehr als ein Drittel des Jahresgewinnes 2014. Wachstum. In der Tabelle 4 (PDF) habe ich das Wachstum von Umsatz und Gewinn in den letzten 5 Jahren von W.E.B. mit Verbund, EVN und Fortum verglichen. Hier sieht man, dass W.E.B. die anderen in beiden Belangen gut abhängen konnte: Sowohl bei Umsatz als auch bei Gewinn betrug das jährliche Wachstum etwa 11% – was sehr gut ist. Bei den börsenotierten Unternehmen war durchwegs ein Rückgang zu verzeichnen – sowohl beim Umsatz als auch beim Gewinn. EVN hat 2014 sogar Verluste gemacht. Die Ursache dafür mag wohl darin liegen, dass die großen börsenotierten Unternehmen einfach nicht mehr wachsen können, da sie bereits eine sehr große Bevölkerungsschicht mit Strom versorgen und auch für die Grundversorgung mit Strom verantwortlich sind. Ein kleines Unternehmen tut sich da leichter: Es baut einfach Kraftwerke und speist den Strom ins Netz. Je mehr Kraftwerke da sind umso mehr Strom kann produziert und eingespeist werden. Aus Sicht der großen Unternehmen ist der Markt bereits gesättigt. Aus Sicht eines kleinen Unternehmens hingegen besteht immer noch die Möglichkeit den „Großen“ Kunden wegzunehmen bzw. Strom in das Netz einzuspeisen und ihnen Marktanteile wegzunehmen. Eine ähnliche Situation ermöglichte im Telekom-Markt Anfang das Jahrtausends den kleineren Internetprovidern (auch meine ehemalige Firma INODE gehörte dazu) den ehemaligen Monopolisten (in Österreich war das die Telekom Austria) Marktanteile wegzunehmen. Die Telekom Austria konnte in der Situation nur verlieren, da sie vor Öffnung des Marktes 100% Marktanteil hatte. Die Kleinen konnten nur gewinnen, da sie der Telekom die Marktanteile streitig machen konnten. Tabelle 5 im PDF zeigt einige weitere interessante Kennzahlen. So ist zum Beispiel zu erkennen, dass das Eigenkapital welches den Aktionären zuzuschreiben ist (WEB hat auch Hybrid-Anleihen mit Eigenkapitalcharakter ausgegeben die ich hier herausgerechnet habe) in den letzten 5 Jahren um 6,14% pro Jahr gewachsen ist. Auch hier haben wir schon bessere Zahlen gesehen, allerdings nicht bei Versorgern. Der Zinsaufwand ist in den letzten Jahren stetig zurückgegangen – was dem günstigen Zinsumfeld zu verdanken ist. Auch das war Rückenwind für die Windkraft-Firma W.E.B. Der Gewinn pro Aktie (EPS) nahm um fast 10% pro Jahr zu, der Umsatz pro Aktie ebenfalls. Der Buchwert pro Aktie stieg nur um etwa 5,1% im Durchschnitt pro Jahr – was auf eine Kapitalerhöhung im Jahr 2010 zurückzuführen ist. Die Handelsplattform für die WEB-Aktien gibt es erst seit 2012, deshalb gibt es erst seit diesem Jahr Daten über den Aktienpreis am Markt. Auffällig ist, dass sich die Aktie seitdem sie gehandelt wird stetig “verbilligt” hat: KGV, KBV und KUV sind seither rückläufig. Am deutlichsten zu erkennen ist das beim Kurs-Buchwert, welches anfangs 1,24 betrug und nun unter 1 gefallen ist (0,97) – ein Rückgang der Bewertung von über 25% (siehe dazu Tabelle 6 im PDF). Entsprechend gestiegen ist die Dividendenrendite. Generell ist die Versorger-Branche kein Börse-Liebling, da die meisten Unternehmen in diesem Bereich keinerlei Wachstumsphantasie haben und einige mit Verluste kämpfen müssen (wie z.B. EVN). Es müssen auch sehr hohe Investitionen für die Erhaltung der Kraftwerke getätigt werden, ohne dass aus diesen Investitionen heraus Wachstumsaussichten bestehen. Bei W.E.B. scheint die Situation allerdings derzeit noch anders. Da das Unternehmen noch so klein ist, bestehen sehr wohl Wachstumsfantasien. Deshalb ist man z.B. einfach nach Kanada gegangen und hat dort Windkraftwerke aufgestellt. Ein Vergleich mit „klassischen“ Versorgern ist allerdings schwer. Bereits bei der Marktkapitalisierung ist das zu erkennen: W.E.B. ist nicht einmal 100 Mio. Euro wert, Verbund z.B. wird hingegen mit einem Börsewert von fast 2,5 Milliarden gehandelt – also 25 mal soviel W.E.B. ist sehr günstig im Vergleich zu ihren großen Börse-Brüdern: Beim KGV ist nur Fortum ähnlich günstig, allerdings fehlt dort die Wachstumsfantasie. Dafür ist Fortum profitabler als W.E.B.. Beim KBV hingegen ist Fortum um fast 50% teurer als W.E.B. (siehe dazu Tabelle 7 im PDF). Hier ist nur Verbund und EVN ähnlich günstig – EVN sogar deutlich günstiger. Allerdings macht EVN Verluste und Verbund sehr schwache Gewinne. Versorger sind generell dividendenstarke Unternehmen da sie in der Regel in gesättigten Märkten unterwegs sind und keine guten Aussichten für Wachstum haben. So zahlt z.B. sogar EVN eine Dividende von über 4% obwohl das Unternehmen Verluste macht – das geht natürlich an die Substanz. Fortum hat die höchste Dividendenrendite, allerdings wenig Aussicht auf Wachstum. W.E.B. hat die Dividende in den letzten Jahren immer erhöht und hat Aussicht auf Wachstum. Dennoch werden 4,76% Dividende bezahlt. Beim KUV ist W.E.B. teurer als die beiden anderen Österreicher – was natürlich auch mit den schlechten Ertragskennzahlen und Wachstumsaussichten der beiden anderen zu erklären ist. Fazit: W.E.B. ist in vielerlei Hinsicht ein besonderes Unternehmen: Es ist eine Aktiengesellschaft, deren Anteilsscheine nicht an einer Börse sondern an einer eigenen Handelsplattform gehandelt werden. Es ist ein Unternehmen in einer Sparte mit wenig Aussicht auf Wachstum (Stromversorger), welches aber dennoch gute Wachstumsraten vorweisen kann. Die Bewertung der Aktie scheint insgesamt attraktiv, wobei man folgende Risiken beachten sollte: – Da die Aktie nicht an einer regulären Börse gehandelt wird, ist der Handel sehr kompliziert und auch nicht sehr liquide – es kann Tage oder auch Wochen dauern bis eine Handels-Order erfüllt wird. – Da die Gesamtkapitalrendite branchenspezifisch sehr niedrig ist, ist das Unternehmen sehr anfällig für Zinserhöhungen. Wenn man Angst vor (stark) steigenden Zinsen hat, sollte man die Finger von dieser Aktie lassen oder sich parallel gegen steigende Zinsen absichern. – Das Unternehmen ist ebenfalls stark abhängig vom Strompreis und von Förderungen für “grüne” Energie. Sinkt der Strompreis aufgrund von Überproduktion oder zu geringer Nachfrage, so kann das Geschäftsmodell ins Wanken geraten. Ich kaufe. Ich werde dennoch privat ein paar von den Aktien erwerben, da ich das Modell insgesamt interessant finde und das Unternehmen (alleine schon wenn man sich die Webseite genauer ansieht) einen sehr positiven Spirit ausstrahlt. Aus dem Börse Express PDF vom 6.08.2015. Dort finden Sie auch die zahlreichen, im Artikel angesprochenen Tabellen mit den wichtigsten Untenehmenskennzahlen und Vergleichsziffern. Das Börse Express PDF gibt es nur im Abo. Eine aktuelle Übersicht über unsere Abo-Angebote finden Sie hier: http://bit.ly/15yw417 * Über den Autor: Michael Gredenberg ist Gründer des Internetproviders INODE und investiert seit dem Verkauf des Unternehmens selbst in Aktien. Seit einiger Zeit betreibt er das Internetportal financeblog.at, das Sie hier abrufen können: http://bit.ly/WIzm0D Michael Gredenberg
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