[Maturana, H.R.: Biologie der Realität, Ffm, S. 10 f] Zum Verhältnis

[Maturana, H.R.: Biologie der Realität, Ffm, S. 10 f]
Zum Verhältnis von Wissenschaft und täglichem Leben
Wir leben „eine Kultur, die die Aufgaben des täglichen Lebens abwertet, nicht
nur weil sie als Aktivitäten von Menschen der niedrigen Gesellschaftsklasse
betrachtet werden, sondern weil sie als Aktivitäten aufgefaβt werden, für die
weniger Intelligenz und Scharfsinn benötigt wird als für technische Aufgaben.
Ich widerspreche diesen Ansichten. Ich bin der Meinung, daβ die Aufgaben
des täglichen Lebens die grundlegenden Aktivitäten unserer menschlichen
Existenz sind, weil alle technischen Aktivitäten, wie verfeinert sie auch immer
erscheinen mögen, nur Ausdehnungen der Aufgaben des täglichen Lebens
sind und faktisch als alltägliche Aufgaben gelebt werden. So ist z. B. die
Biologie eine Ausdehnung des sich um die Tiere und Pflanzen des Haushalts
Kümmerns, Chemie ist eine Ausdehnung des Kochens, Physik eine
Ausdehnung des Hausbaus, und Philosophie ist eine Ausdehnung der
Aufgabe, die Fragen von Kindern zu beantworten, und ob es uns gefällt, es
so zu sehen oder nicht, wir leben diese technischen Tätigkeiten im täglichen
Leben als tägliches Leben. Ich gehe davon aus, daβ die gleiche Intelligenz
notwendig ist, sich um ein Heim zu kümmern, wie sich um ein Laboratorium
oder um eine Industrie zu kümmern, und ebenso viel Intelligenz ist
notwendig, um die Probleme in einem Haushalt zu lösen wie die in einer
wissenschaftlichen Forschung. Unter diesen Umständen gebe ich zu
bedenken, dass das, was erklärt werden muβ, das tägliche Leben ist, als die
Quelle all unserer Erfahrung, wie technisch und spezialisiert sie auch immer
ist.
Wenn wir den Beobachter, das Beobachten und die Erkenntnis als
Phänomene des täglichen Lebens verstehen, dann verstehen wir die
Phänomene des Beobachtens, der Erkenntnis und das menschliche Wesen
als die bewuβten Wesen, die wir als Beobachter sind.“