NS-Gauleitung residierte einst im Schloss - Hermann

NS-Gauleitung residierte einst im Schloss
Das wenig bekannte Jagdschloss Sayneck liegt in der Gemarkung Großmaischeid – 80 Jahre lang gehörte es der Dynastie Krupp – Heute fürstlicher Besitz
80 Jahre lang war Sayneck im
Isenburger Sayntal das Jagdschloss der Dynastie Krupp.
Durch den Tod von Alfried
Krupp von Bohlen und Hallbach lief die Ära Krupp auf
Schloss Sayneck am 30. Juni
1968 ab. Die Gebäude gingen
in den Besitz des Fürsten zu
Wied über. Seit knapp 40 Jahren ist Schloss Sayneck nun
Jagdschloss der fürstlich-wiedischen Familie.
GROSSMAISCHEID. Sayneck
– so nannte Alexander Graf
von Hachenburg, Prinz zu
Sayn und Wittgenstein, sein
Jagdhaus. Im Frühjahr 1881
ließ er es inmitten des fürstlich-wiedischen Forst-Reviers
im Gebiet rund um die Isenburg erbauen.
Friedrich Alfred Krupp aus
Essen übernahm Sayneck am
1. Mai 1884 als Pächter mit
den vorhandenen Jagden,
wozu Großmaischeid, Ebenfeld, Caan, Nauort, Stromberg
und Sayn gehörten. Im Lauf
der Jahrzehnte weilten viele
prominente Gäste dort. Persönlichkeiten aus Wirtschaft,
Politik und Kunst waren von
diesem Fleckchen Erde ebenso begeistert wie Vertreter
des Adels und hohe Militärs.
Im Zweiten Weltkrieg spielte Sayneck ebenfalls eine Rol-
le: 1944 richtete man auf
Sayneck ein Reichsarbeitsdienst-Lazarett ein. In den
letzten Kriegsmonaten 1945,
von Januar bis März, residierte NSDAP-Gauleiter Gustav
Simon, Chef des Gau Mosellandes, mit seinem Stab auf
Sayneck. Simon war zugleich
Reichsverteidigungskommissars mit einer überörtlichen Behörde in Koblenz.
Erst als sich im Mai 1944 die
Invasion in Frankreich abzeichnete, geriet Koblenz in
das Visier der alliierten Bomberflotten. Zur Katastrophe
kam es, als die britische Luftwaffe am frühen Abend des 6.
November mit 122 Lancaster
über 500 Tonnen Bomben auf
das Koblenzer Innenstadtgebiet abwarf, wobei der Zielpunkt am Löhrrondell lag.
Den Brandschein sahen die
Besatzungen der abfliegenden Lancaster noch, als sie
Brüssel überflogen. Das Ergebnis war, dass das Gebiet
der Innenstadt niederbrannte.
So zog der NSDAP-Führungsstab um nach Schloss
Sayneck. Während dieser Zeit
gehörte auch Robert Ley, Leiter der Deutschen Arbeitsfront zu den Besuchern von
Sayneck. Einige Tage später,
im Mai 1945, wurde er von
US-amerikanischen Truppen
verhaftet und als einer der
Hauptkriegsverbrecher angeklagt. Ley entzog sich seiner abzusehenden Verurteilung im Nürnberger Kriegsverbrecherprozess, indem er
sich in seiner Zelle erhängte.
Kurz vor dem Eintreffen der
Amerikaner, auf Palmsonntag
am 25. März 1945, traf sich
noch der Generalstab des
Von mächtigen Douglasien umgeben, die aus dem Laubholz herausragen, liegt im abgeschiedenen fürstlich-wiedischen Forstort Langwiesenberg in der Gemarkung Großmaischeid das wenig
bekannte Schloss Sayneck. M Foto: Creativ
Westfront-Kommandos der
Wehrmacht zu einer Stippvisite auf Schloss Sayneck ein,
während Hitler für die Westfront schon die Zerstörung aller Industrie- und Versorgungseinrichtungen
beim
Rückzug angeordnet hatte,
um nur „verbrannte Erde“ zurückzulassen.
Baugeschichte
Neben dem Schloss begann
im Sommer 1884 der Bau eines Wohnhauses für die
Kruppschen Forst- und Jagdschutzbeamten. 1885 wurden
die Ökonomiegebäude errichtet, die neben den Abstellund Lagerräumen, den Pferdestall und die Wagenhalle
umfassten. Im gleichen Zeitraum ließen die Besitzer einen
Schießstand mit allen Einrichtungen erstellen: Hundert
Meter für Büchsen, laufender
Keiler oder Kipphase. 1887
folgten das Badehaus und die
Wildkammer. Ein Bassin, in
dem Krupp Forellen lebend
für den alsbaldigen Bedarf
hielt, ließ er zusätzlich zu einer Teichanlage,
einem
Brunnen und einer Uhu-Hütte
bauen. Eine Tankstelle sowie
eine bauliche Anlage für die
Wasser- und Stromversorgung und ein weiteres Wohngebäude für das Personal ergänzten das Anwesen.
Schon 1888 fasste Krupp
den Entschluss, das erste
Schloss abzureißen und im
gleichen Stil, aber in wesentlich größeren Dimensionen
wieder neu zu errichten. Der
Fahrweg, der aus dem Sayntal
nach Sayneck führt, wurde
1887 gebaut, wobei man
hangseitig entlang des Scheldebachtales eine Abgrenzung
durch eine Ahornpflanzung
schuf.
Bis dahin war das ganze
Material für den Bau der Gebäude und Anlagen über
Klein- und Großmaischeid
angefahren worden. 1931/32
wurde diese Auffahrt mit einer Teerdecke versehen und
eine Alleestraße geschaffen.
1882 schufen Prinz von
Sayn und Wittgenstein und
dessen Kammerdiener die
„Himmelsleiter“, eine Serpentine, die von der Sayntalstraße durch den felsigen
Steilhang nach Sayneck führt.
Dieser Pfad ist der kürzeste
Weg nach Sayneck und liegt
so versteckt, dass er nur dem
Ortskundigen bekannt ist.
Während die Wiederzulassung der „Brexbachtalbahn“
heute umstritten ist, erinnern
Erzählungen vom Saynecker
Schloss Ende des 19. Jahrhunderts sogar an Sonderzüge des Industriellen Krupp für
seine sechstägigen Treibjagden im Sayntal. Aufgrund der
Vielzahl und Größe der angepachteten Reviere dauerten
die herbstlichen Treibjagden
in den Jahren von 1888 bis
1893 jeweils sechs Tage. Hierfür wurde eigens von Sayn
nach Ransbach ein Sonderzug
eingesetzt.
Schloss Sayneck
Das heutige Schloss ist geprägt durch Gediegenheit.
Wenngleich der größte Teil
der Einrichtung 1968 anlässlich der Aufgabe durch Krupp
herausgenommen
wurde,
blieben die Vertäfelungs- und
Schnitzarbeiten, der herrliche
Kamin und die schönen Kachelöfen. Das Schloss beherbergt eine sehr umfangreiche
Trophäensammlung,
Teile
davon waren bei bedeutenden Jagdausstellungen zu sehen. Für den jagdlich Interessierten bietet sich hier eine
Fülle von Anschauungsmaterial, wie man es selten sieht.
Eine Reihe ausgefallener Abnormitäten und kapitaler Trophäen fallen besonders ins
Auge. Hermann-Joseph Löhr