17.05., Johannes 16, 5

Exaudi
17.05.2015
Predigt über Johannes 16, 5-15
17. Mai 2015, Kreuzkirche Reutlingen,
Pfarrerin Carolin Braun
„Der Heilige Geist - das ist mehr so ein Engel,
der hilft Gott.“ So heißt ein Buch, in dem
Schülerinnen und Schüler der Grundschule und
der Unterstufe zu ihren Vorstellungen vom
Heiligen Geist befragt wurden. Die Autorin hatte
festgestellt, dass der Heilige Geist im
Religionsunterricht sehr selten Thema ist. Kein
Wunder also, dass die Vorstellungen der
Schülerinnen und Schüler manchmal eher diffus
waren. Als „liebes Gespenst“ wird der Heilige
Geist bezeichnet, das keine Leute erschreckt,
sondern ihnen eher sagt, was sie tun sollen.
Auch die Frage, wie dieser Heilige Geist nun
aussieht, ist wichtig, ob er durchsichtig ist, eine
Krone trägt oder doch eher einen
Heiligenschein. Vieles bringt einen beim ersten
Lesen zum Lachen. Manches bringt einen zum
Staunen oder auch zu der Frage: „Wo kommt
nur diese Vorstellung her?“.
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Exaudi
17.05.2015
Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht, aber ich
finde, es ist tatsächlich nicht so ganz einfach,
sich den Heiligen Geist vorzustellen. Zumindest
fällt mir das beispielsweise bei Jesus viel
leichter. Von ihm haben wir zwar auch keine
genaue Personenbeschreibung, aber doch
wenigstens Geschichten, Sätze, die er gesagt
haben soll, Ereignisse, die andere mit ihm erlebt
haben. Wir wissen, dass er
Eltern und
Geschwister hatte, wir kennen die Namen seiner
Freunde. Aber beim Heiligen Geist? Der taucht
tatsächlich doch immer eher „indirekt“ auf und
ist wahrscheinlich deshalb auch viel schwerer zu
fassen. Vielleicht sollte man sich also nicht nur
im Religionsunterricht, sondern auch als
Erwachsener ab und an mit dem Heiligen Geist
beschäftigen.
Auch im Predigttext für den heutigen Sonntag
geht es um den heiligen, den göttlichen Geist. Es
handelt sich um eine der wenigen Bibelstellen,
die versuchen, diesen Heiligen Geist zu
beschreiben.
Der
Text
steht
im
Johannesevangelium, im 16. Kapitel. Kurz bevor
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Jesus gefangen genommen wird, bereitet er
seine Jünger auf das vor, was auf sie zukommt.
Er kündigt an, dass schwere Zeiten auf sie
warten, dass sie traurig sein und die Welt nicht
mehr verstehen werden. Ein schwerer Abschied
steht ihnen bevor. Aber – sie werden diese Zeit
nicht alleine durchstehen müssen. Jesus
verspricht, ihnen einen Beistand zu schicken. Ich
lese
aus
dem
16.
Kapitel
des
Johannesevangeliums, wie Jesus seinen Jüngern
diesen Beistand ankündigt:
„Jetzt aber gehe ich hin zu dem, der mich
gesandt hat; und niemand von euch fragt mich:
Wo gehst du hin?
Doch weil ich das zu euch geredet habe, ist euer
Herz voll Trauer.
Aber ich sage euch die Wahrheit: Es ist gut für
euch, dass ich weggehe. Denn wenn ich nicht
weggehe, kommt der Tröster nicht zu euch.
Wenn ich aber gehe, will ich ihn zu euch senden.
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Und wenn er kommt, wird er der Welt die Augen
auftun über die Sünde und über die
Gerechtigkeit und über das Gericht;
über die Sünde, dass sie nicht an mich glauben;
und über die Gerechtigkeit: dass ich zum Vater
gehe und ihr mich hinfort nicht seht;
und über das Gericht: dass der Fürst dieser Welt
gerichtet ist.
Ich habe euch noch viel zu sagen; aber ihr könnt
es jetzt nicht ertragen.
Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit,
kommen wird, wird er euch in alle Wahrheit
leiten. Denn er wird nicht aus sich selbst reden;
sondern was er hören wird, das wird er reden,
und was zukünftig ist, wird er euch verkündigen.
Er wird mich verherrlichen; denn von dem
Meinen wir er’s nehmen und euch verkündigen.
Alles, was der Vater hat, das ist mein. Darum
habe ich gesagt: Er wird’s von dem Meinen
nehmen und euch verkündigen.
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Exaudi
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Ein ziemlich komplizierter Text. Ein Text, der es
in sich hat. Nur wenige Verse später berichtet
das Johannesevangelium, dass die Jünger sich
fragen „Was will Jesus uns sagen? Wir verstehen
es nicht!“. Vieles von dem, was Jesus gesagt hat
und auch vieles von dem, was sie mit ihm erlebt
haben, werden die Jünger erst viel später
verstehen.
Wahrscheinlich ist Ihnen beim Hören
aufgefallen, dass die Bezeichnung „Heiliger
Geist“ im Text gar nicht aufgetaucht ist.
Stattdessen ist dort von einem „Tröster“ die
Rede und von einem „Geist der Wahrheit“.
Vielleicht
helfen
uns
diese
beiden
Bezeichnungen, ein bisschen besser zu
verstehen, wie wir uns den Geist Gottes
vorstellen können.
Da ist zum einen der Heilige Geist als „Tröster“.
Was trösten ist, wissen wir alle und auch, wie
gut es tut, getröstet zu werden. Eltern werden
oft zu Tröstern für ihre Kinder, wenn die Kinder
sich wehgetan oder erschreckt haben. Trösten
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bedeutet dann oft: In den Arm nehmen,
beruhigen, liebevoll zureden. In den Armen der
Eltern tut das aufgeschlagene Knie nicht mehr
ganz so weh. In den Armen der Eltern ist die
Welt längst nicht mehr so bedrohlich. Aber auch
Erwachsene können sich gegenseitig trösten.
Wer einem anderen Trost spendet vermittelt
ihm das Gefühl: „Ich bin bei dir in einer
schlimmen Situation. Ich lasse dich nicht allein.“
Wo einer den anderen tröstet, da ist ein Stück
vom Himmel spürbar.
Auch als „Geist der Wahrheit“ wird der Heilige
Geist im Text bezeichnet. Als einer, „der der
Welt die Augen auftut“. Die Wahrheit ist nicht
immer angenehm. Manchmal lebt es sich mit
einer Lüge oder falschen Vorstellungen sogar
scheinbar leichter. Aber alles Unehrliche,
Unechte bricht irgendwann einmal zusammen.
Und dann steht man buchstäblich vor den
Trümmern des Lebens. Es ist gut, wenn einem
jemand die Augen öffnet, bevor das passiert.
Der Wahrheit ins Auge zu schauen kann weh
tun, aber letztendlich ist es befreiend. Und wenn
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einer dem anderen hilft, die Wahrheit zu
erkennen, wenn es einem dann „wie Schuppen
von den Augen“ fällt, dann ist auch da ein Stück
vom Himmel spürbar.
„Tröster“ und „Geist der Wahrheit“, das sind
zwei Versuche, den Geist Gottes und sein
Wirken zu beschreiben. Es sind sicher nicht die
einzigen Möglichkeiten. Nächste Woche am
Pfingstsonntag steht traditionell die Geschichte
im Mittelpunkt, bei der der Geist Gottes wie „ein
Brausen vom Himmel“ über die Jünger kommt
und sie mit Begeisterung erfüllt. Vielleicht ist der
Heilige Geist tatsächlich schwer vorstellbar und
beschreibbar, weil er vor allem fühlbar und
spürbar ist. Wenn wir getröstet werden oder
wenn uns die Augen aufgehen, dann spüren wir
„Gott lässt uns nicht allein“. In solchen
Situationen wird ein Stück vom Himmel spürbar.
Das heißt: Wir merken auf einmal: Gott meint es
gut mit uns, in diesem Leben und auch in dem
Leben, das nach dem Tod auf uns wartet.
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Auch die Taufe ist ein Handeln dieses heiligen,
tröstenden und Wahrheit schaffenden Geistes.
Amelie, Lina und Michael sind heute durch ihre
Taufe in die Gemeinde Gottes aufgenommen
worden. Das bedeutet zum einen, dass sie
konkret hier vor Ort zur Gemeinde gehören.
Aber sie gehören damit auch für immer zu den
Kindern Gottes und was auch passiert, sie
werden nie aus seiner Hand fallen. Durch seinen
Geist will Gott sie und uns alle im Leben
begleiten, trösten und auf dem Weg der
Wahrheit führen.
Amen
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