TITELTHEMA Interview mit Dr. Axel Wehmeier, Sprecher der Geschäftsführung, Deutsche Telekom Healthcare & Security Solutions GmbH „Die Nachfrage nach telemedizinischen Lösungen wird deutlich steigen“ Bald gehören Papier und Stift auch in Kliniken der Vergangenheit an. Im Gemeinschaftskrankenhaus Bonn etwa hat die Telekom Healthcare Solutions im Juni ein digitales Informationssystem mit 200 Tablet-Computern installiert. Seit 2010 ist das Geschäftsfeld Gesundheit innerhalb der Telekom stark gewachsen. Heute vereint die Bonner Konzerntochter Deutsche 18 Die Wirtschaft November 2015 Telekom Healthcare & Security Solutions GmbH alle Aktivitäten und Unternehmensbeteiligungen im Gesundheitsumfeld der Telekom. 700 E-Health-Spezialisten arbeiten im Konzern – Tendenz steigend. Mit dem Sprecher der Geschäftsführung, Dr. Axel Wehmeier, unterhielt sich „Die Wirtschaft“ über den Einzug der Digitalisierung in den Klinik- und Praxisalltag. TITELTHEMA Die Deutsche Telekom hat sich auf die Fahnen geschrieben, die Digitalisierung voranzutreiben. Weshalb? Dr. Axel Wehmeier: Digitalisierung ist tief in der DNA der Telekom verankert. Wenn Unternehmen digitalisieren, müssen sie Daten sicher übertragen. Da kommen wir ins Spiel. Kein Unternehmen in Zentraleuropa baut so leistungsfähige Netze. Die Daten müssen gespeichert werden. Das bieten wir Unternehmen in unseren hochsicheren Rechenzentren an. Und last but not least müssen die Daten verarbeitet und gesammelt werden. Dazu bedarf es Plattformen. Die bauen wir für unsere Kunden. Seit etwa fünf Jahren wächst Ihr Geschäftsfeld Gesundheit rasant. Was hat ein Telekommunikationsunternehmen mit Gehirnerschütterungen und Darmerkrankungen zu tun? Nichts. Das klingt überraschend, ist aber so. Wir helfen unseren Kunden im Gesundheitsbereich – zum Beispiel Kliniken – dabei, ihre Prozesse zu digitalisieren und dadurch effizienter zum Wohle des Patienten zu arbeiten. Digitalisierung bedeutet höhere Qualität der medizinischen Versorgung. Rund 80 Prozent der Daten, die beispielweise am Krankenbett erhoben werden, werden falsch in elektronische Systeme übertragen. Unter anderem um dies zu verhindern, stellen wir ein System zur Verfügung, das eine sofortige Eingabe der Daten und einen Abruf überall im Krankenhaus gleichzeitig möglich macht. Zudem sind wir in Sachsen an einem der größten telemedizinischen Projekte Europas sowie an der Einführung der Gesundheitskarte beteiligt. Stichwort „Industrie 4.0“: Im produzierenden Gewerbe, vor allem in der Automobilindustrie, ist die Digitalisierung angekommen, immer mehr Unternehmen sind auf dem Weg zur vernetzten Fabrik. Im Ihr IHK-Ansprechpartner zum Gesundheitsmarkt und zur Digitalisierung der Wirtschaft Heiko Oberlies Telefon 0228 2284-138 E-Mail: [email protected] Gesundheitsbereich – einem riesigen Markt – steht sie dagegen, so scheint es, noch ziemlich am Anfang. Weshalb? Der Vergleich ist so nicht ganz stimmig. Das Gesundheitswesen ist keine Autofabrik, auch wenn Teamwork mindestens genauso wichtig ist. Aber die Teams arbeiten über Sektorengrenzen hinweg. Das ist die Herausforderung. Krankenkassen, niedergelassene Ärzte, Kliniken, Pharmaproduzenten haben unterschiedliche Interessen. Das Gesundheitssystem in Deutschland ist ein digitaler Flickenteppich, den wir mit unseren Mitteln versuchen „zusammenzuknüpfen“. Wenn man sich aber nicht auf gemeinsame Standards einigt, werden wir noch lange auf den Durchbruch warten. Schauen Sie beispielweise auf die Niederlande oder nach England. Da können Krankenhäuser und Ärzte Patientendaten zu deren Wohle austauschen. Was wünschen Sie sich vom Gesetzgeber? Bundesweit einheitliche Vorgaben. Das E-Health-Gesetz und der Innovationsfonds sind ein guter Beginn, gehen aber nicht weit genug. Idealerweise müsste der Gesetzgeber verbindliche Rahmenbedingungen festlegen, die es ermöglichen, dass alle Beteiligten rele- Gewerbebau mit System: wirtschaftlich, schnell und nachhaltig konzipieren bauen betreuen. www.goldbeck.de GOLDBECK West GmbH, Niederlassung Köln 50226 Frechen, Europaallee 29 Tel. 0 22 34 / 9 27 73-0 TITELTHEMA Markus Heitkamp, Vertrieb Telekom Healthcare Solutions (THS) und Jan Ehlting (v.l.). Ehlting ist der Vater des iMedOne Mobile. Er will Ärzten und Patienten mit dieser digitalen Lösung das Leben leichter machen. vante Daten problemlos untereinander austauschen. Ein kleines Beispiel: Es ist doch nahezu anachronistisch, dass Impfpässe oder Medikationspläne noch in Papierform ausgestellt werden. 20 ist ein boomender Markt und davon wollen und werden wir profitieren. Bitte nennen Sie ein oder zwei Beispiele für digitale Anwendungen in der Gesundheitsbranche aus Ihrem Haus. Wie profitieren Ärzte und Kliniken – und was haben die Patienten davon? Unser mobiles Krankenhausinformationssystem „iMedOne Mobile“ habe ich bereits erwähnt. Ein weiteres Leuchtturmprojekt ist das von der EU geförderte Telemedizin-Projekt mit dem Carus Consilium in Sachsen. Unsere Plattform ermöglicht SchlaganfallBetroffenen und Herzpatienten nach der klinischen Akutversorgung nahtlos eine Betreuung zu Hause. Wie überzeugen Sie Ärzte, Klinikbetreiber, Funktionäre und vor allem auch Patienten von den „Segnungen“ der Digitalisierung? Punkt eins: An der Digitalisierung kommt keiner vorbei. Die Kanzlerin hat bei der CeBIT-Eröffnung in diesem Jahr treffend bemerkt, dass alles, was digitalisiert werden kann, digitalisiert wird. Das gilt auch für den Gesundheitsbereich, der enormen Nachholbedarf hat. Punkt zwei: Digitalisierung hilft Kosten zu sparen und erhöht die Qualität. Unter anderem hat eine Studie der Charité belegt, dass Ärzte bei der Eingabe von Visitendaten in mobile Systeme Zeit sparen. Das kommt den Patienten zugute. Wie wird sich der E-Health-Markt Ihrer Einschätzung nach entwickeln, wo liegen Wachstumssegmente? Der demografische Wandel und der Ärztemangel insbesondere auf dem Land wird die Nachfrage nach telemedizinischen Lösungen deutlich steigen lassen. Die vielen älteren Menschen werden nicht in der Lage sein, drei bis viel Mal im Monat oder auch mehr zum Arzt oder zu einer Klinik zu fahren. Zudem wollen viele Menschen länger in ihrer gewohnten Umgebung, sprich in den eigenen vier Wänden, bleiben. Auch dafür haben wir Lösungen, wie zum Beispiel den „Intelligenten Hausnotruf“. Der E-Health-Markt Werden Internet und Tablet einmal die „Götter in Weiß“ ablösen, zumindest an ihrem Nimbus rütteln? Nein, auf keinen Fall. Technik respektive Digitalisierung wird die Arbeit der Ärzte kurz- und mittelfristig unterstützen und Diagnosen auf eine breitere Basis stellen. Langfristig kann ich mir zwar Szenarien vorstellen, in denen Ärzte nicht überflüssig sind, aber vielleicht nur noch überwachende Funktionen haben. Aber ganz klar: Der menschliche Faktor wird in der Versorgung der wichtigste bleiben. Ich hoffe, dass wir mit unseren Produkten die Arbeit der Ärzte erleichtern und so einen Beitrag zur besseren Patientenversorgung leisten. Lothar Schmitz, freier Journalist, Bonn Die Wirtschaft November 2015
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