Gute Mitarbeiter gibt es nicht zum Nulltarif

Gute Mitarbeiter
gibt es nicht zum
Nulltarif
Juli 2015
Point of view
Automotive
Damit die deutschen Autobauer weiter wachsen können, brauchen sie unbedingt hochqualifizierte, motivierte und kreative Mitarbeiter. Der demografische Wandel sorgt jedoch
für Gegenwind. EY-Personalberater Prof. Dr. Michael Bursee sagt, wie die Branche gegensteuern kann, was sie vom Fußball lernen sollte und warum eine offene Unternehmenskultur so wichtig ist.
Welche Mitarbeiter braucht die deutsche
Automobilindustrie in Zukunft, um
weiterhin vorneweg zu fahren?
Prof. Dr. Michael Bursee: Exzellent ausgebildete, hoch motivierte und extrem kreative. Der Erfolg der deutschen Autobauer
basiert ja gerade auf ihrem Qualitäts-,
Design- und Innovationsvorsprung sowie
ihren effizienten Unternehmensstrukturen und -prozessen. Wenn sie weiterhin
in der Pole-Position fahren wollen, brauchen sie Mitarbeiter, die nicht nur diese
hohen Standards halten, sondern darüber
hinaus auch die neuen Aufgaben wie
Digitalisierung und Vernetzung des Autos
oder Rationalisierung der Produktion
durch die Industrie-4.0-Technologien aktiv
steuern. Dieses Anforderungsprofil ist
allerdings keine reine Qualitäts-, sondern
auch eine Mengenfrage. Wegen des
demografischen Wandels wird es immer
schwieriger, die richtigen Leute zu finden.
Ist die Branche auf den demografischen
Wandel vorbereitet?
Bursee: Halb und halb. Die meisten
großen Unternehmen haben die Bedeutung des Themas schon klar erkannt.
Allerdings tun viele Mittelständler und
Hidden Champions noch zu wenig, um ihr
Stück vom immer kleiner werdenden
Nachwuchskuchen abzubekommen.
„Die Loyalität der jungen
Generation zum Unternehmen ist nicht mehr
so stark wie früher. Die
Branche muss deswegen
alle Hebel in Bewegung
setzen, um ihre Mitarbeiter
zu halten.“
Erstklassige Produkte sind keine Garantie
dafür, auch erstklassige Mitarbeiter zu
gewinnen, vor allem wenn die Unternehmen
in ländlichen Regionen angesiedelt sind.
Gute Mitarbeiter zu bekommen ist das
eine, sie zu halten das andere. Welche
Möglichkeiten haben die Unternehmen,
ihre guten Mitarbeiter an sich zu binden?
Wie schaffen es die Hersteller, gegen­
zusteuern und den richtigen Nachwuchs
zu gewinnen?
Bursee: Tatsache ist, dass die Loyalität der
jungen Generation zum Unternehmen nicht
mehr so stark ist wie früher. Sie ist eher
bereit, Neues auszuprobieren. Mit jedem
Mitarbeiterwechsel verliert das Unternehmen nicht nur ein Stück Zukunft, sondern auch viel Geld, das es in die Ausbildung seines jungen Nachwuchses investiert
hat. Die Branche muss deswegen alle Hebel
in Bewegung setzen, um ihre Mitarbeiter
zu halten, beispielsweise über Fortbildungsprogramme, Unterstützung beim Studium,
interessante Entwicklungsmöglichkeiten
oder individuelle Karrierewege.
Bursee: Sie müssen sich zuallererst auf
seine Wünsche und Bedürfnisse einstellen.
Im Gegensatz zur Generation der jetzt 50und 60-Jährigen stehen für die 30-Jährigen der „Generation Y“ Autonomie, Flexibilität, die Balance von Arbeit und Leben
und individuelle Entwicklungsmöglichkeiten
an erster Stelle; Geld, starre Hierarchien
und eine klassische Führungskarriere sind
für sie nicht mehr das Wichtigste. Eine wertorientierte Unternehmenskultur und ein
kooperativer Führungsstil, flexible Arbeitszeiten, alternative Entwicklungsmöglichkeiten oder auch ein firmeneigener Kindergarten machen ein Unternehmen attraktiv.
Der Wohlfühlfaktor ist entscheidend; das
gilt auch im Hinblick auf die Loyalität und
Leistungsentfaltung!
Darüber hinaus sollten sich die Unternehmen auf Messen, in Hochschulen oder
auch in Internetforen präsentieren und
auf sich aufmerksam machen. Die sozialen
Netzwerke haben gerade für die junge
Generation eine ganz große Bedeutung.
Das sogenannte Employer Branding, also
die Positionierung des Unternehmens
als attraktiver Arbeitgeber, wird immer
wichtiger.
Wichtig ist auch, die jeweiligen Talente und
Stärken der jungen Leute zu erkennen
und zu fördern und nicht nur zu versuchen,
ihre Schwächen zu beseitigen. Im Fußball
versucht der Trainer auch nicht, den Torwart zum Stürmer zu machen! Klar ist:
Gute Mitarbeiter gibt es nicht zum Nulltarif.
Wer wachsen und vorausfahren will, muss
in seine Mannschaft investieren. Hierbei
spielt das Retention-Management eine
große Rolle, also die Art und Weise, wie das
Unternehmen seine Mitarbeiter langfristig
begeistert und hält. Und da ist Kreativität
gefragt!
Trotzdem wird gerade bei den Mitarbeitern
schnell gespart. Wenn die Bilanzzahlen nicht
stimmen, wird die Mannschaft verkleinert.
Bursee: Das stimmt ‒ leider. Die Konjunkturzyklen zeigen, dass dies oft ein fataler
Fehler ist. Wenn es nach einer Talfahrt
wieder bergauf geht, werden die gerade
freigestellten und oft sogar noch mit einer
hohen Abfindung entlohnten Mitarbeiter
wieder eingestellt. Das ist ökonomisch
kontraproduktiv. Ebenso unsinnig ist es,
über teure Freistellungen den Personalschlüssel zu reduzieren, um die fehlenden
Fachleute dann durch hoch bezahlte freie
Mitarbeiter zu ersetzen. Damit verliert
das Unternehmen viel Geld, Reputation
und vor allem Know-how und wichtige Kontakte – insbesondere dann, wenn es sich
um ältere Kollegen handelt.
Die Unternehmen müssen langfristig
begreifen, dass die älteren Mitarbeiter in
der Tat teurer, aber oft auch weitaus
erfahrener sind. Übrigens hat die Branche
in der Krise 2009 vorbildlich gehandelt:
Anstatt freizusetzen, hat sie auf Kurzarbeit
gesetzt. Nach der Krise konnte sie dann
sofort wieder voll durchstarten. Mit Freistellungen wäre das nicht möglich gewesen.
Und was sagen die Personalabteilungen
dazu? Welche Rolle spielen sie beim
Aufbau des Dream­Teams, mit dem die
Unternehmen wachsen können?
Bursee: Die Bedeutung der Personalabteilungen und auch der Personalchefs wird
häufig noch unterschätzt – dabei sind sie
für das Wichtigste verantwortlich, was
das Unternehmen hat: seine Mitarbeiter!
Kein Unternehmen käme auf die Idee, seine
Finanzen einem Nichtfachmann anzuvertrauen; beim Personal ist dies aber häufig
der Fall. Die Personalabteilung muss
genauso professionell aufgestellt und
geführt werden wie das Finanzwesen, das
Controlling oder Forschung und Entwicklung. Und wenn das Unternehmen nachhaltig wachsen will, dann muss das Personalwesen auch organisatorisch richtig
verankert sowie ökonomisch und strategisch ausgerichtet sein. Ein strategisches
Personalmanagement ist kein „Nice to
have“!
Die Zukunft der Branche entscheidet sich
auf den internationalen Märkten. Wie
schaffen es die Unternehmen, auch im
Ausland die richtigen Mitarbeiter zu
bekommen und zu behalten?
Bursee: Gerade im Ausland spielt das
Employer Branding eine ganz wichtige Rolle.
Das Unternehmen muss sich als attraktiver
Arbeitgeber darstellen, sei es auf Karrieretagen, Personalforen oder Fachmessen.
In vielen Ländern wie beispielsweise in
Indien kooperieren die Unternehmen eng
mit den Hochschulen oder bauen eigene
Ausbildungszentren auf, um so die zukünftigen Mitarbeiter auf den für sie notwendigen Wissensstand zu bringen und an sich
zu binden. Außerdem kommt es darauf
an, die Mentalität der Menschen zu verstehen. So lassen sich in Indien die Mitarbeiter nicht so sehr über das Geld, sondern
über das Gefühl halten, dass sich das Unternehmen um sie, ihre Familien und ihre
Kinder kümmert, beispielsweise indem es
für das Frühstück der Schulkinder sorgt.
Jedes Land hat seine eigenen Spielregeln,
und es kommt darauf, diese Regeln zu
verstehen.
Innovative Mitarbeiter sind der Schlüssel
für den Erfolg von morgen. Sind die
Unternehmen mit ihren Strukturen darauf
vorbereitet?
Bursee: Ich glaube, es gibt hier noch einige
Reserven. Die Prozesse im Unternehmen
müssen so angelegt sein, dass sie neue
Ideen zulassen und dass diese neuen Ideen
auch gehört und dann weiterverfolgt
werden. Nicht umsonst erlebt das betriebliche Vorschlagswesen momentan eine
Renaissance. Starre Hierarchien und Strukturen sind Innovationskiller; durchlässige
Prozesse und kooperative Teams, die
sich gegenseitig austauschen, fördern sie
dagegen. Innovation ist selten eine Einzel-,
sondern meistens eine Gruppenleistung –
und zwar von engagierten und motivierten
Mitarbeitern, die sich gegenseitig befruchten.
Wenn die deutschen Autobauer eine Unternehmenskultur schaffen, die Raum für
innovative Gedanken gibt, dann werden sie
auch weiterhin vorneweg fahren. Aber
dafür dürfen sie sich nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen!
EY | Assurance | Tax | Transactions | Advisory
Die globale EY-Organisation im Überblick
Die globale EY-Organisation ist einer der Marktführer in der Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung,
Transaktionsberatung und Managementberatung.
Mit unserer Erfahrung, unserem Wissen und
unseren Leistungen stärken wir weltweit das Vertrauen in die Wirtschaft und die Finanzmärkte.
Dafür sind wir bestens gerüstet: mit hervorragend
ausgebildeten Mitarbeitern, starken Teams, exzellenten Leistungen und einem sprichwörtlichen
Kundenservice. Unser Ziel ist es, Dinge voranzubringen und entscheidend besser zu machen –
für unsere Mitarbeiter, unsere Mandanten und
die Gesellschaft, in der wir leben. Dafür steht
unser weltweiter Anspruch „Building a better
working world“.
Die globale EY-Organisation besteht aus den
Mitgliedsunternehmen von Ernst & Young Global
Limited (EYG). Jedes EYG-Mitgliedsunternehmen
ist rechtlich selbstständig und unabhängig und
haftet nicht für das Handeln und Unterlassen
der jeweils anderen Mitgliedsunternehmen.
Ernst & Young Global Limited ist eine Gesellschaft
mit beschränkter Haftung nach englischem
Recht und erbringt keine Leistungen für
Mandanten. Weitere Informationen finden Sie
unter www.ey.com.
In Deutschland ist EY an 22 Standorten präsent.
„EY“ und „wir“ beziehen sich in dieser Publikation auf alle deutschen Mitgliedsunternehmen
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[email protected]
Prof. Dr. Michael Bursee ist Talent & Reward-Partner bei EY
Hamburg. Er berät Konzerne und mittelständische Unternehmen
in allen strategischen Personal- und Führungsthemen, wobei ein
Schwerpunkt seiner Beratung auf der individuellen Gestaltung von
Vergütungs- und Steuerungssystemen für das Management liegt.
Der gelernte Diplom-Kaufmann ist regelmäßiger Referent auf
Fachkonferenzen und hat eine Vielzahl einschlägiger Fachbeiträge
veröffentlicht. Darüber hinaus hat er einen Lehrauftrag an
der Hochschule für Ökonomie und Management in Hamburg.
Diese Publikation ist lediglich als allgemeine, unverbindliche
Information gedacht und kann daher nicht als Ersatz für eine
detaillierte Recherche oder eine fachkundige Beratung oder
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