Erfahrungsbericht Erasmus 1. Einleitung Mein Auslandssemester in Wroclaw, dem ehemaligen Breslau in Polen, hat mir viele interessante Erfahrungen und neues Wissen eingebracht. Neben Kontakten die ich mit Studenten aus ganz Europa knüpfen konnte, war es mir zusätzlich möglich einen Blick auf eine andere Form der Wissenschaftskultur zu werfen. Ich werbe mit Nachdruck dafür sich auf das Abenteuer Auslandssemester im Rahmen des Erasmus-Programmes einzulassen. Die Infrastruktur für einen solchen Austausch war in Wroclaw hervorragend und gut zugänglich. 2. Auswahl – und Bewerbungsprozess Da ich in der Oberstufe bereits eine Facharbeit zur Thematik der Geschichte Schlesiens zwischen den Kriegen angefertigt hatte, lag es in meinem ursprünglichen Interesse mein Auslandssemester in Polen, genauer gesagt in Wroclaw mein Erasmus anzutreten. Die Universität Wroclaw, genau wie das Institut für Politikwissenschaft, hat eine offizielle Homepage auf Englisch zur Verfügung. Dort war es mir möglich eine Übersicht über Vorjahreskurse des Wintersemesters zu werfen. Es wurden ausreichend englische Kurse, speziell für Erasmus-Studenten, angeboten. Nach Einhändigung der wichtigsten Unterlagen, Motivationsschreiben, B2-Nachweis, Lebenslauf etc. erhielt ich sehr schnell von Herrn Probst eine positive Antwort. Die Universität Wroclaw selber verlangte keine Einhändigung von Bewerbungsunterlagen, wohl aber Informationen über Zeit der Ankunft. Jene musste ebenfalls innerhalb einer gegebenen Frist eingehändigt werden, die uns per Mail mitgeteilt wurde. Die Aufnahme in den Mailverteiler der Universität Wroclaw erfolgte automatisch nachdem das Institut in Bremen meine Nominierung mitgeteilt hatte. 3. Die Stadt Wroclaw, das Land Polen, polnische Sprache 3.1. Anreise und Unterkunft Nach Wroclaw fährt zweimal täglich der Euroexpress via Hamburg, Berlin, Lübbenau. Wenn ihr hier das Europaspezial der Bahn anwählt kostet ein solches Ticket lediglich 39 Euro. Dafür sollte man allerdings früh genug buchen. Ansonsten liegt Wroclaw circa 6-7 Autostunden von Bremen entfernt sollte man einen Wagen zur Verfügung haben. Für jeden Studenten wird automatisch ein Zimmer in einem Wohnheim reserviert. Das Wohnheim, entweder Olowek oder Kredka, liegt recht zentral, 10 – 15 Minuten mit der Bahn in die Innenstadt, Supermärkte und Einkaufszentrum in der direkten Nachbarschaft. Ihr solltet allerdings beachten, dass ihr höchstwahrscheinlich in einem Doppelzimmer unterkommen werdet, da die Anzahl an Einbettzimmern in dem Wohnheim begrenzt ist. Die Mieten liegen bei 430 Zloty für Doppel- und 780 Zloty für Einzelzimmer, also ca 110 und 190 Euro. Ihr teilt euch eine Küche und ein Bad mit insgesamt 4 Personen. Das Wohnheim in dem ich wohnte war recht restriktiv in vielerlei Hinsicht. Gäste von auswärts müssen ihren Pass oder Personalausweis an der Rezeption hinterlegen. Insofern jemand von außerhalb über die Nacht bleibt muss man eine Gebühr von 30 Zloty bezahlen. Die Damen hinter der Rezeption sprechen lediglich Polnisch, was für diejenigen die diese Sprache überhaupt nicht sprechen recht entnervend sein kann. Dafür beherrschen die Mitarbeiter in der Verwaltung, sie ist direkt im Gebäude untergebracht, perfekt Englisch. Solltet ihr euch dazu entschließen lieber auf eigene Faust eine Wohnung zu suchen kann ich euch das Portal „gumtree.pl“ empfehlen. Auf dieser Homepage gibt es generell Anzeigen zu allem Möglichen, insbesondere aber zu Wohungen. Allerdings stellt sich auch hier das Problem, dass die Anzeigen nur auf Polnisch verfasst sind. Außerdem sprechen die Vermieter auch teilweise kein Englisch. Hinzu kommt, dass Wroclaw als ausgesprochen Studentenstadt, ca. 150 000 Einwohner von 670 000 sind Studenten, im Beginn des Wintersemesters natürlich mit Suchenden überschwemmt. Dementsprechend wäre es vielleicht ratsam, sich einen Makler zu suchen, obwohl man hier natürlich etwas draufzahlen muss. Die Mietpreise liegen in der Stadt etwa um die 700 – 800 Zloty für ein Einzelzimmer. Bitte beachtet, dass hier nicht immer Kosten für Heizung, Wasser und Strom inbegriffen sind. Häufig müsst ihr nochmals 50 – 100 Zlotys raufrechnen für den warmen Preis. 3.2. Öffentliche Transportmittel und Fernverkehr Ihr bekommt, anders als an der Universität Bremen, kein Semesterticket direkt von der Universität. Stattdessen müsst ihr euch jenes selber kaufen. Der Preis für ein 5-monatiges Semesterticket beträgt ca. 150 Zloty. Dafür müsst ihr aber vorher euren polnischen Studentenausweis abholen, das Semesterticket wird dann auf diesen Ausweis geladen. Transport ist auch außerhalb der Stadt recht günstig. Es gibt ein staatliches Bus-, sowie ein staatliches Bahnunternehmen. Beide Formen des Transportes sind sehr preisgünstig, nutzt sie also um viel von dem Land zu sehen. 3.3. Meldeformalitäten Insofern ihr länger als drei Monate am Stück in Wroclaw bleiben wollt, dann müsst ihr euch bei der Stadtverwaltung in Wroclaw melden. Dazu braucht ihr neben eurem Pass die Confirmation of Erasmus Study period, sowie einen Beleg über euren Wohnort. Der würd euch, solltet ihr im Wohnheim wohnen, von der Verwaltung ausgestellt. Nachdem ihr diese Dokumente bei dem Landesamt eingereicht habt, könnt ihr nach ca. 5 Wochen eure Meldebestätigung abholen. 3.4. Polnische Sprache Wroclaw ist eine sehr junge und weltoffene Stadt, dadurch solltet ihr keine Probleme haben euch ohne Vorkenntnisse des Polnischen zurechtzufinden. In der Wohnraumverwaltung als auch im International Office wird Englisch gesprochen. Die Kurse an der Universität waren ebenso auf Englisch. Zwecks kulturellen Austausches mit den Einheimischen empfehle ich euch allerdings zumindest den 2- wöchigen Vorbereitungskurs anzuwählen, der kostenlos angeboten wird. Ebenfalls könnt ihr den Semesterkurs anwählen, für ihn erhaltet ihr 6 ECTS. Das Lehrpersonal ist sehr kompetent und kann euch selbst eine solch ungeheuer komplizierte Sprache wie Polnisch schnell näher bringen. 4. Universität Wroclaw In Wroclaw gibt es insgesamt 8 Universitäten, an der größten von ihnen, der Universität Wroclaw, hatte ich meine Kurse. Genauer genommen in der Sozialwissenschaftlichen Fakultät, da ich Politikwissenschaft studiere. 4.1. Auswahl und Angebot der Kurse Es gab eine reiche Auswahl an englischsprachigen Kursen sowohl an meiner Fakultät als auch an der gesamten Uni. Ihr könnt fast aus dem gesamten Seminar- und Vorlesungspool auswählen, auch außerhalb eurer Fakultäten. Bitte beachtet, dass die Professoren in Polen generell länger brauchen um ihren Lehrplan aufzustellen. Ich musste bis zu der 3. Woche des Semesters warten bis mir die vollständige Liste der Seminare und Vorlesungen zur Verfügung gestellt wurde. Und selbst danach gab es zeitliche Änderungen der Veranstaltungen, wodurch ich immer noch einige Kurse wechseln musste. Also stellt euch bitte darauf ein, dass ihr euer endgültiges Learning Agreement erst einige Wochen später werdet einreichen können. 4.2. Qualität der akademischen Veranstaltungen, Prüfungen Die Qualität der Veranstaltungen weicht teilweise stark voneinander ab. Manche werden von kompetentem Personal mit guten Englischkenntnissen geleitet, andere sind eher chaotisch und weniger verständlich, da die Lehrkraft eher schlecht in Englisch kommunizieren kann. Daher rate ich euch anfangs vielleicht eher in ein- oder zwei Veranstaltungen zu viel hereinzuschauen, um festzustellen welcher Professor euch eher liegt. In Sachen Prüfungsformen könntet ihr euch auf ein recht buntes Feld von Leistungen vorbereiten. Große Examen zum Semesterende sind eher die Ausnahme. Zumeist wird bereits während des Semesters in Form von Essays, gerne auch mehrere, oder Präsentationen abgefragt. Mündliche Prüfungen sind auch recht beliebt. 5. Allgemeine Tips zu Polen und Wroclaw Bürokratie: Arbeitet, abgesehen vom International Office und, mit Ausnahmen, die Wohnraumverwaltung, generell langsamer als in Deutschland. Bitte stellt euch darauf ein, für wichtige Unterlagen oder für Anmeldungen für Einrichtungen wie die Bibliothek, generell längere Wartezeiten zu haben, oder einen Haufen Unterlagen mitbringen zu müssen. Am besten erkundigt ihr euch hier im International Office oder bei polnischen Kommilitonen, wie ihr solche Anliegen händeln solltet. Das wird euch jede Menge Zeit ersparen. Alkohol: Das Klischee, dass Polen viel und gerne trinken entspricht tatsächlich der Wahrheit. Solltet ihr also, vor allen Dingen bei älteren Polen eingeladen sein, so lehnt die euch angebotenen Getränke bitte nicht ab, da so etwas als recht unhöflich empfunden wird. Falls ihr weniger trinken möchtet, so sagt es eurem Gastgeber einfach vorher. Wroclaw ist nicht mehr oder weniger gefährlich als jede andere Europäische Stadt auch. Da aber recht massiv getrunken wird, solltet ihr darauf achten, euch auf den Partymeilen und Kneipen nicht unbedingt in Diskussionen mit Einheimischen verwickeln zu lassen. Unter Alkoholeinfluss sind viele nicht mehr sehr umgänglich. Leider besteht immer noch eine gewisse Hooliganproblematik, sollte ein Fußballspiel stattfinden, dann haltet euch von den Fans lieber fern, da unter ihnen viele sehr streitlustige sein könnten. Kontakt mit einheimischen Studenten: Ihr werdet feststellen, dass ihr in den englischsprachigen Kursen zu einem großen Teil nur mit Austauschstudenten zusammensitzt. Leider ist der Austausch mit den einheimischen Studenten recht schwierig, empfehlenswert sind hier insbesondere sich an die Veranstaltungen des Erasmus Institutes, z.B. an die Tandemparties zu orientieren. Dann kommt man schneller mit den Einheimischen in Kontakt. Bałagan: Dieses Wort bedeutet übersetzt etwa so viel wie Chaos oder Durcheinander. Das Leben in Polen ist etwas weniger gut organisiert als in Deutschland. Stellt euch also darauf ein, dass Kurse oder auch Parties vom Erasmus-Institut, häufiger ausfallen werden, Veranstaltungen vielleicht ein wenig chaotisch wirken, und ihr nicht immer sofort eine Antwort bekommt, selbst wenn ihr die dritte Email geschrieben habt. Das kann teilweise ein paar Nerven kosten, ist andererseits aber auch recht angenehm und ungezwungen. Außerdem sind die Polen hervorragend im Improvisieren, eine Eigenschaft die einem immer von Nutzen sein kann. 6. Schluss Wie bereits eingangs erwähnt hat mir mein Auslandssemester sehr gefallen. Ich habe viel neue interessante Dinge und Menschen kennengelernt. Die Nachteile unterlagen klar den Vorteilen. Deshalb möchte ich hier jeden ermutigen der plant Erasmus im Allgemeinen, und Erasmus in Polen im Engeren zu machen. Ihr werdet eine großartige Zeit haben!
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