28. Jan. 2016 Diesen Artikel finden Sie online unter http://www.welt.de/151559016 Meinung 28.01.16 CDU-Vize Klöckner Julia Klöckner erklärt Plan A2 in acht Punkten Mit ihrem Plan A2 gegen die Flüchtlingskrise hat Julia Klöckner eine Debatte gestartet. Für die "Welt" führt die CDU-Vize aus, wie Deutschland ohne Hilfe anderer EU-Länder vorankäme. Ein Gastbeitrag. Von Julia Klöckner Mein Plan zur Reduzierung der Flüchtlingszahlen hat eine Diskussion angestoßen, und das ist gut so. Nur so kommen wir in der Sache weiter. Acht Punkte sind mir dabei wichtig. 1. Nicht nur auf Europa warten Für eine europäische Krise brauchen wir europäische Lösungen. Deshalb muss die Politik der Bundeskanzlerin, müssen die Verhandlungen innerhalb der EU (Link: http://www.welt.de/themen/europaeische-union/) , zwischen der EU und der Türkei und mit anderen internationalen Partnern zur Bekämpfung der Fluchtursachen fortgesetzt werden. Wir dürfen uns aber nicht ausbremsen oder gar blockieren lassen, wenn unter den EU-Mitgliedern keine Einigkeit in diesen Fragen herrscht. Deshalb sollte Deutschland zweigleisig denken und auch Lösungen anstreben, die ohne Zustimmung der anderen funktionieren. Unser Schicksal kann nicht nur vom Wohlwollen und dem Mitmachen der EU-Mitgliedsstaaten abhängen. 2. Atempause für Kommunen Die Hauptlast der Flüchtlingskrise (Link: http://www.welt.de/themen/fluechtlinge/) tragen in Deutschland die Städte und Gemeinden (Link: http://www.welt.de/151507655) . Hier sehen wir zuerst, dass eine faktische Belastungsgrenze erreicht oder in einigen Fällen auch überschritten wird. Wenn wir weiterhin menschenwürdig unterbringen und nachhaltig integrieren wollen, dann brauchen unsere Landkreise, Städte und Dörfer eine Atempause. Die Weiterverteilung von Flüchtlingen im Land darf deren Aufnahmekapazität nicht überschreiten, damit die dauerhafte Akzeptanz nicht kippt. Deshalb ist an dieser Stelle ein System der "Schubumkehr" so wichtig. 3. Ein starkes Signal Nur nach einer Reduzierung der Flüchtlingszahlen zu rufen, hilft niemandem. Welchen Beitrag leistet eigentlich die SPD zur Reduzierung? Vorschläge, die dazu führen, lehnt sie durchweg ab. Unsere Bürgerinnen und Bürger, die Verantwortlichen in den Kommunen und auch unsere Nachbarländer warten dringend auf ein Signal, dass diese Reduzierung auch tatsächlich geschieht. Genauso wichtig ist es, ein solches Signal in die Herkunftsländer der Flüchtlinge zu senden. Nicht jeder, der an unsere Grenze kommt, wird automatisch aufgenommen und wird bei uns bleiben können. 4. Anreizsysteme statt Stacheldraht Verhalten kann nicht nur durch Zwang beeinflusst werden, sondern auch durch die Schaffung von Anreizen. Das gilt in allen Lebensbereichen, und das müssen wir auch in der Flüchtlingspolitik beachten. Wenn Flüchtlinge in der Türkei gut versorgt werden, wenn sie sich dort registrieren lassen können, wenn ihre Chance auf Zuzug nach Deutschland dort genauso groß oder gering ist wie bei Ankunft in Passau – würden sie dann ihr Leben riskieren, in Schlauchboote steigen und sich auf die Westbalkanroute begeben? 5. Deutsches Engagement in den Transitländern Die Errichtung von Hotspots und Registrierungszentren in den Transitländern sollte durch die EU geschehen. Wenn das aber weiter stockt oder scheitert, kann Deutschland das auch bilateral vorantreiben. Das ist im Interesse der Flüchtlinge, weil sie nicht ein zweites Mal fliehen müssen und Risiken für Leib und Leben vermeiden. Das ist im Interesse der jeweiligen Länder, weil sie Hilfe bei der Bewältigung der Flüchtlingssituation erhalten. Und das ist gleich mehrfach im Interesse Deutschlands, weil wir so die Flüchtlingszahlen besser steuern können und weil die Versorgung der Menschen, zum Beispiel in der Türkei, wesentlich kostengünstiger ist als innerhalb unseres Landes. Schließlich ist es im Interesse aller, weil so die Schlepperkriminalität schnell ausgetrocknet würde. 6. Grenzzentren sind unverzichtbar Unser Ziel muss es sein, Flüchtlinge so nah wie möglich an ihren Herkunftsländern sicher und nach akzeptablen Standards zu versorgen. Das ist der Schlüssel zur schnellen Reduzierung der Flüchtlingszahlen und Kern meines Vorschlags. Dennoch werden auch weiterhin Menschen direkt an die deutschen Grenzen gelangen. Für jene muss gelten: Jeder Weg in unser Land führt durch eine grenznahe Erstaufnahmeeinrichtung – die Grenzzentren. Nur Flüchtlinge mit einer Bleibeperspektive werden von dort aus im Land verteilt. Diese Grenzzentren sind auch eine Art Wartezone. Wer nicht bleiben darf, wird direkt an der Grenze abgewiesen oder aus diesen Grenzzentren zurückgeführt. 7. Flüchtlingsausweis statt Grenzschließung Als Exportnation können wir es uns im doppelten Wortsinn nicht leisten, die Grenzen zu schließen. Das ist auch aus praktischen Gründen nicht anzustreben. Als Europäer wollen wir auf die Reisefreiheit nicht verzichten. Deshalb sind die von mir geforderten Grenzzentren umso wichtiger. Auch derjenige, der unkontrolliert unser Land betritt, wird sich früher oder später dort wiederfinden – es dauert für ihn oder sie nur länger. Nur dort findet die Registrierung statt, und nur dort werden Flüchtlingsausweise ausgegeben, ohne die keine weiteren Leistungen erfolgen. Auch an dieser Stelle sollten wir auf klare Regeln und Verfahren in Kombination mit Anreizen setzen, um die Flüchtlingskrise zu meistern. 8. Flexible Kontingente statt starrer Obergrenze Eine Reduzierung der Flüchtlingszahlen bedeutet unweigerlich Härten für Einzelne. Gerade deswegen müssen wir unserem Grundgesetz und unserem Anspruch an die universellen Menschenrechte gerecht werden. Aus diesem Grund halte ich eine starre Obergrenze für problematisch. Das Asylbegehren jedes Flüchtlings muss geprüft werden. Wenn es offensichtlich unbegründet ist, muss schnell entschieden werden. Am besten geschieht das schon weit weg von der deutschen Grenze. Das erspart dem Flüchtling die teure und gefährliche Odyssee. Deutschland erspart es die meist komplizierte Abschiebung. In Zukunft sollten nur diejenigen mit einer eindeutigen Bleibeperspektive aus Hotspots außerhalb Deutschlands und aus Grenzzentren an den deutschen Außengrenzen weiterverteilt werden. Dazu sind Kontingente notwendig, die sich nach der Aufnahmefähigkeit in Ländern und Kommunen richten. Dieses Steuerungsinstrument fehlt bisher. Nur so wird es uns gelingen, die Zahlen geordnet und planbar zu reduzieren. Fazit Die Vorteile dieser Maßnahmen spüren vor allem unsere Kommunen. Sie bekommen mehr Vorlauf und werden nicht mehr nur zwei Stunden vorher informiert, dass 200 Flüchtlinge umgehend untergebracht werden müssen. Die Tageskontingente ermöglichen mehr Planbarkeit. Und die Signale in die Fluchtländer sind auch klar: Wer sich Schleusern anvertraut, hat nur Nachteile gegenüber dem legalen Weg. Je näher der Einstieg in diesen Weg an den Herkunftsländern liegt, desto besser und menschenwürdiger – im Interesse aller. Wenn es nicht anders geht, sollte Deutschland hier vorangehen. © WeltN24 GmbH 2016. Alle Rechte vorbehalten
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