SI-Studie: Skepsis oder Zuversicht?

Skepsis oder Zuversicht?
Erwartungen der Bevölkerung zur Aufnahme von
Flüchtlingen in Deutschland
Petra-Angela Ahrens
Hannover, 17. Dezember 2015
Untersuchungshintergrund
• Bisherige Befragungsergebnisse konzentrieren sich auf die Stimmungen in
der Bevölkerung zur Flüchtlingspolitik und deren Veränderungen. Schon
seit einiger Zeit wird auch über das „Kippen“ der anfangs weit
überwiegenden positiven Grundhaltung („Willkommenskultur“)
debattiert. Aber welche Faktoren spielen dabei ein Rolle?
• Die vorliegende Repräsentativumfrage geht den positiven Erwartungen
und den konkreten Sorgen nach, die mit der Aufnahme von Flüchtlingen
verbunden werden.
• Sie zielt darauf herauszufinden, welche Bedeutung ihnen zukommt, wenn
es um die subjektive Einschätzung geht, inwieweit Deutschland die mit der
Aufnahme von Flüchtlingen verbundenen Herausforderungen bewältigen
wird.
Petra-Angela Ahrens, 17. Dezember 2015
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Methodisches
• Einschaltung in telefonische Mehrthemenumfrage
• Stichprobe: 2.021 deutschsprachige Befragte ab 14 Jahren
• Durchführung: 28. Oktober bis 11. November 2015
Petra-Angela Ahrens, 17. Dezember 2015
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1. ‚Schafft‘ Deutschland das?
• Die Meinungen zur Bewältigung der Herausforderungen durch
die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland sind – wie in
anderen Befragungen auch – geteilt.
• Es gibt aber einen beachtlichen Anteil von Befragten, die in
dieser Frage noch keiner Position zuneigen.
Petra-Angela Ahrens, 17. Dezember 2015
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Wird Deutschland Ihrer Ansicht nach die Herausforderungen durch die
Aufnahme der Flüchtlinge bewältigen? (n=1.998)
30%
27,8%
38,3%
34,0%
25%
22,4%
19,5%
20%
15,9%
14,5%
15%
10%
5%
0%
nein, ganz sicher nicht
eher nicht
teils/teils
Petra-Angela Ahrens, 17. Dezember 2015
eher ja
ja, ganz sicher
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2. Positive Entwicklungen
• Die allermeisten Befragten unterstreichen, dass Deutschland
mit der Aufnahme von Flüchtlingen Menschen in
existenzieller Not zur Seite steht: Die ethische Option steht
mit Abstand an erster Stelle.
Petra-Angela Ahrens, 17. Dezember 2015
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Welche der folgenden positiven Entwicklungen verbinden Sie mit der
Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland?*
Darin liegt auch die Chance, Neues und Bereicherndes
für den eigenen Alltag zu entdecken
56,7%
Diese Menschen bereichern Deutschland auch kulturell
61,4%
Deutschland gewinnt damit an Ansehen in der Welt
69,1%
Darin zeigt sich das Christliche unserer Gesellschaft
56,0%
Deutschland steht damit Menschen in existenzieller Not
zur Seite
88,3%
Das wirkt den Folgen der Alterung der deutschen
Bevölkerung entgegen
59,5%
Damit kann der Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften
besser gedeckt werden
42,2%
Das trägt zum Erhalt der sozialen Sicherungssysteme bei
*Zustimmungen;
sortiert nach den Ergebnissen einer Faktorenanalyse
39,2%
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%
Petra-Angela Ahrens, 17. Dezember 2015
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3. Der direkte Kontakt
• Mehr als drei Viertel der Befragten geben an, dass in ihrer
Wohngegend Flüchtlinge leben. Weniger als die Hälfte hat
selbst schon Erfahrungen im Kontakt zu ihnen gemacht.
• Bei den Befragten mit Kontakt überwiegen deutlich die
positiven Erfahrungen – im westlichen Bundesgebiet noch
deutlicher als im östlichen.
Petra-Angela Ahrens, 17. Dezember 2015
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Haben Sie bisher eher positive oder eher negative Erfahrungen
im Kontakt mit Flüchtlingen gemacht?
Relation positive / negative Erfahrungen:
3,1/1
3,3/1
2,3/1
90%
noch keine
Erfahrungen
gemacht
80%
sehr negative
Erfahrungen
100%
70%
52,1%
51,6%
54,2%
eher negative
Erfahrungen
60%
50%
40%
30%
3,1%
5,4%
3,3%
4,7%
13,2%
14,0%
20,3%
20,7%
18,4%
5,9%
5,7%
6,7%
Insgesamt (n=2.011)
Westliches Bundesgebiet
(n=1.653)
Östliches Bundesgebiet
(n=358)
2,2%
8,7%
9,8%
teils/teils
eher positive
Erfahrungen
20%
10%
0%
Petra-Angela Ahrens, 17. Dezember 2015
sehr positive
Erfahrungen
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4. Die Sorgen
• Am meisten verbreitet sind Sorgen, die sich auf wachsenden
Extremismus, mangelnde Integrationsmöglichkeiten und
finanzielle Schlechterstellung der Einheimischen beziehen.
• Die Befragten, die Sorgen äußern, sind – bis auf wenige
Ausnahmen – älter und formal weniger gebildet als der
Durchschnitt.
Petra-Angela Ahrens, 17. Dezember 2015
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Ich habe Sorge, dass ...
84,6%
der Rechtsextremismus wachsen wird
es immer schwieriger wird, eine bezahlbare Wohnung zu finden
77,6%
viele dieser Menschen keinen Arbeitsplatz finden
77,2%
70,7%
es nicht gelingt, angemessene Unterkünfte und Versorgung bereit…
es bei uns in anderen Bereichen zu Einsparungen kommt
69,6%
die Zahl der extremistischen Muslime steigt
69,1%
63,90%
Behörden und Polizei die Situation nicht bewältigen
60,9%
die Kriminalität in Deutschland steigen wird
56,2%
innerhalb Europas wieder Grenzen gezogen werden
53,3%
man sich in bestimmten Gegenden nicht mehr so frei bewegen…
unsere sozialen Standards (z.B. Mindestlohn) unterlaufen werden
53,0%
geringer qualifizierte Einheimische aus dem Arbeitsmarkt fallen
52,9%
46,5%
der gesellschaftliche Zusammenhalt auseinanderbricht
45,0%
die meisten Flüchtlinge unberechtigt zu uns kommen
41,3%
die muslimische Kultur unseren Alltag dominieren wird
38,4%
die Schulbildung für die einheimischen Kinder dadurch schlechter…
30,6%
Deutschland irgendwann auch Zäune baut
28,5%
die Gleichstellung von Frauen und Männern zurückgeworfen wird
Petra-Angela Ahrens, 17. Dezember 2015
0%
11
10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90%
5. Das Engagement für Flüchtlinge:
Petra-Angela Ahrens, 17. Dezember 2015
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Haben Sie sich in den letzten Jahren schon einmal auf folgende Weisen für
Flüchtlinge eingesetzt oder können Sie sich vorstellen, das zu tun?
Aktuelles Engagement insgesamt: 10,9%
Sachspenden leisten
20%
Sortieren oder Ausgabe von Kleidung oder
Lebensmitteln
44%
36%
Ein Flüchtlingsheim in der Nähe unterstützen
48%
39%
52%
Geld spenden
53%
Begleitung bei Behördengängen
15%
39%
64%
34%
86%
0%
10%
20%
kann ich mir vorstellen
30%
40%
2%
4% 1%
2% 1%
13% 1%
50%
60%
habe ich schon gemacht
Petra-Angela Ahrens, 17. Dezember 2015
3%
4% 3%
30%
Selbst Flüchtlinge bei sich aufnehmen
3%
8%
41%
56%
Kinderbetreuung
5%
13%
51%
Vermittlung von Sprachkenntnissen
kann ich mir nicht vorstellen
32%
70%
80%
90% 100%
mache ich gerade
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Ergebnis:
• Das aktuelle Engagement für Flüchtlinge (10,9 %) liegt sogar
noch etwas höher als das im ansonsten größten
Engagementbereich in Deutschland, nämlich Sport und
Bewegung (10,1 %; FWS 2009).
• Darüber hinaus zeigen sich beträchtliche Potenziale für die
verschiedenen Einsatzbereiche.
Petra-Angela Ahrens, 17. Dezember 2015
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6. Wie sich die evangelische Kirche verhalten
sollte:
Petra-Angela Ahrens, 17. Dezember 2015
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Wie soll sich Ihrer Ansicht nach die evangelische Kirche im Blick auf
die Aufnahme von Flüchtlingen verhalten?*
sich für die Aufnahme der Flüchtlinge
6,4% 12,5%
einsetzen
mehr Ansprechpartner u. Berater für
Flüchtlinge finanzieren
7,2%
38,2%
14,0%
38,4%
mehr Gebäude und Grundstücke zur
6,8% 11,3%
Unterbringung zur Verfügung stellen
42,8%
die Verständigung mit den nicht-christl.
6,4% 11,7%
Religionen vorantreiben
36,1%
sich vor allem um die einheimischen
5,4% 15,4%
Christen kümmern
sich deutlicher gegen den Islam
abgrenzen
*Aussagen sortiert nach den Ergebnissen einer
Faktorenanalyse
das sollte sie auf keinen Fall tun
das sollte sie unbedingt tun
35,3%
24,6%
0%
10%
36,8%
30,8%
20%
30%
40%
32,2%
8,1%
31,4%
7,8%
38,6%
7,2%
35,2%
8,7%
16,3%
50%
das sollte sie eher nicht tun
weiß nicht, keine Angabe
Petra-Angela Ahrens, 17. Dezember 2015
60%
6,1%
70%
20,6%
80%
7,7%
90%
100%
das sollte sie eher tun
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Ergebnis:
• Die große Mehrheit der Befragten spricht sich dafür aus, dass
die evangelische Kirche sich für die Aufnahme der Flüchtlinge
einsetzen soll und auch eigene Ressourcen für deren
Unterstützung bereit stellt.
• Sie soll gleichzeitig aber auch für die einheimischen Christen
da sein.
• Nur eine – allerdings beachtliche – Minderheit plädiert
entschieden für eine deutlichere Abgrenzung gegen den
Islam: Bei dieser Position wird ein Engagement der Kirche für
die Flüchtlinge sowie eine Verständigung mit den nichtchristlichen Religionen eher abgelehnt.
Petra-Angela Ahrens, 17. Dezember 2015
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Fazit:
•
Die größte Zustimmung überhaupt (88%) erreicht die ethische Option für die
Aufnahme von Flüchtlingen: „Deutschland steht damit Menschen in existenzieller
Not zur Seite“.
----------------------------Worauf es zur Stärkung der Zuversicht ankommt:
• Räume für persönliche Alltagsbegegnungen ermöglichen.
• Vertrauen in die in die staatliche Handlungsfähigkeit stärken.
• Befürchtungen der weniger gut Situierten beachten bzw. für die berechtigten
Anliegen der weniger gut Situierten eintreten.
• Die große Bereitschaft zum Engagement für Flüchtlinge würdigen und deren
Umsetzung fördern .
---------------------------Die ‚Rolle‘ der Kirche
• Das Engagement der Kirche für die Flüchtlinge findet breite Anerkennung.
• Es gilt aber auch, die Verständigung mit dem Islam, deren Chancen und Grenzen
stärker in die Öffentlichkeit zu tragen.
Petra-Angela Ahrens, 17. Dezember 2015
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