Referat Konzepte der Persönlichkeitspsychologie (T. W. Adorno) und der Sozialpsychologie (S. Milgram) zur Erklärung der Gehorsamkeitsbereitschaft Arbeitsgruppe: • Birgit Heinzelmann • Stefanie Rose • Luise Wald 1 Zum Aufbau des Referates: 1. Kurze Einführung – um was wird es gehen? 2. Definition der Begriffe „Autorität“ und „Gehorsam“ 3. Vorstellung der Autoren 3.1 Theodor W. Adorno 3.2 Stanley Milgram 4. Vorstellung der Adorno – Studie 5. Vorstellung des Milgram – Experiments 6. Gegenüberstellung 7. Resümee – welche Lehren können wir daraus ziehen ? 1. Um was wird es gehen? Adornos „Studien zum autoritären Charakter“ die untersuchen, aufgrund welcher Faktoren faschistische Parteien zu Massenbewegungen erstarkten, sollen zusammen mit der empirischen Untersuchung Milgrams über die „Gehorsamsbereitschaft gegenüber Autorität“ erläutert, gegenübergestellt und abschließend diskutiert werden. 2 2. Definition der Begriffe „Autorität“ und „Gehorsam“ „Autorität“ Autorität ( von lat. auctoritas) bezeichnet das Objekten, Symbolen, Personen, Institutionen oder metaphysischen Wesenheiten nebst deren Repräsentanten oder Agenten als absolutes (meist psychologisch) oder relationales (meist soziologisch) Merkmal zugeschriebene Vermögen, Ziel, Inhalt und Form des Denkens oder Verhaltens von Personen zu bestimmen, wenn und insofern es in gewisser Weise institutionalisiert ist und ihm zugleich ein Minimum an Gehorchenwollen, also Interesse (äußerem oder innerem) am Gehorchten korrespondiert. 3 „Gehorsam“ Das Wort Gehorsam kann von einer rein äußerlichen Handlung bis zu einer inneren Handlung reichen. Gehorsam bezeichnet prinzipiell das Befolgen von Geboten oder Verboten durch entsprechende Handlungen oder Unterlassungen. Es impliziert die Unterordnung unter den Willen einer Autorität, das Befolgen eines Befehls oder die Erfüllung einer Forderung. Die Autorität ist dabei meistens eine Person oder eine Gemeinschaft, kann aber auch durch eine überzeugende Idee, Gott oder das eigene Gewissen repräsentiert werden. 3. Vorstellung der Autoren T. W. Adorno S. Milgram 4 Zeitliche Einordnung T. W. ADORNO * 1903 ab 1950 † 1969 1900 2000 1. Weltkrieg 2. Weltkrieg * 1933 S. MILGRAM 19601963 † 1984 3.1 Theodor Ludwig Wiesengrund – Adorno * 11. September 1903 in Frankfurt am Main † 06. August 1969 in Visp (Schweiz) Adorno war ein deutscher Philosoph, Soziologe, Musiktheoretiker und Komponist 5 Wirken • Zusammen mit Max Horkheimer und Herbert Marcuse gehört Adorno zu den wichtigsten Vertretern der Frankfurter Schule. • In den 40er Jahren schrieben Adorno und Horkheimer mit dem Buch „Die Dialektik der Aufklärung“ die vielleicht radikalste Kulturkritik seit Rousseau. • In der Schaffenszeit Adornos im Exil entstand die soziologische Studie über den autoritären Charakter. • Adornos in den 50er und 60er Jahren ausgearbeitete Zeit- und Kulturkritik wurde in der Folge vom 68er Studentenprotest aufgegriffen. 3.2 Stanley Milgram * 15. August 1933 in New York City † 20. Dezember 1984 in New York City Milgram war ein US – amerikanischer (Sozial-) Psychologe 6 Gegenüberstellung zeigt Adorno und Milgram nähern sich der übergeordneten Thematik „Gehorsamsbereitschaft“ aus zwei unterschiedlichen Richtungen: Milgram: psychologisch / experimentelle Sicht GB Adorno: philosophisch/soziologische sowie psychoanalytische Akzentuierung Weiteres Vorgehen… Erläuterung: 4. Adornos Studie 5. Milgrams Experiment 6. Gegenüberstellung 7 4. Die Studie „Der autoritäre Charakter“ von T. W. Adorno • Großangelegter Sozialforschungsversuch zur Zeit des 2. Weltkriegs der Berkeley-Gruppe; prominentestes Mitglied war Theodor W. Adorno • Ergründung des faschistischen Potentials in der USamerikanischen Gesellschaft • Analyse der Charakterstruktur potentiell faschistischer Individuen zur Aufrechterhaltung der Demokratie Vorstellung des Ansatzes - Gliederung 1. Annahmen 1.1. Die Charakterstruktur 2. Fragestellungen 3. Die Realisierungsidee 4. Die Methodik 5. Die F(aschismus) - Skala 5.1. Die Variablen der F - Skala 5.2. Die Typen der F - Skala 5.2.1. Der „Spinner“ 5.2.2. Die vorurteilsvollen Typen 6. Ergebnisse 7. Kritik 8 1. Annahmen •Die Überzeugungen eines Individuums bilden ein Denkmuster •Dieses Denkmuster ist Ausdruck verborgener Züge der Charakterstruktur •Die Charakterstruktur ist geprägt durch die Familie (vgl. Freud) Faschismus ist nicht aufgrund der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Situation attraktiv, sondern aus psychologischen Bedürfnissen heraus. 1.1. Die Charakterstruktur Gesellschaftliche Überzeugungen Wirtschaftliche Überzeugungen Charakterstruktur Politische Überzeugungen Faschismus entsteht begünstigt durch die autoritätsgebundenen Charakterstrukturen von Individuen (vgl. patriarchalische Sozialisationspraktiken der 20er Jahre) 9 2. Fragestellungen Wie empfänglich sind Individuen für faschistische Propaganda? Was macht das „potentiell faschistische Individuum“ aus? Welche verborgenen Züge der Charakterstruktur liegen zugrunde? Zweck: faschistische Tendenzen aufdecken, um ihnen entgegenwirken zu können und die Demokratie aufrecht zu erhalten. 3. Realisierungsidee • Durch Empirie Aufschluss über Charakterstruktur des „potentiell faschistischen Individuums“ bekommen • Menschen geschickt über ihre Überzeugungen befragen und somit Aufschluss über ihre Charakterstruktur erlangen 10 4. Methodik • Untersuchungen fanden in Gruppen- und Einzelsituationen statt • Fragebögen für Gruppen • u.a. Skalen, auf denen VP ihren Ablehnungs-, bzw. Zustimmungsgrad zu Aussagen angeben • Besonders auffällige VP wurden einzeln analysiert • Zuerst wurden nur Studenten der Berkeley University befragt. Später kamen Studenten von anderen Unis hinzu. Die Befragungen wurden im Endstadium landesweit und durch verschiedene Gesellschaftsschichten hinweg durchgeführt. • Aus dem Antwort-Datenmaterial der frühen Befragungen und vor allem den bisherigen Skalen entwickelte die Berkeley-Gruppe die Faschismus-Skala (F-Skala) 11 Die Forscher wollten eine Skala konstruieren, „die Vorurteile messen würde, ohne diesen Zweck sichtbar zu machen und ohne eine Minderheitengruppe mit Namen zu nennen.“ Abwehrmechanismen der Menschen in Bezug auf „heikle Rassenfragen“ ausschalten, um zur verborgenen Charakterstruktur vorzudringen 5. F(aschismus) - Skala • vorurteilbehafteten Aussagen (Items) werden Variablen zugeordnet • Variablen sind Charakterzüge, die sie als Ursachen für Vorurteile sehen Beispiel: Variable: „Aberglaube und Stereotypie“ Aussage: „Jeder Mensch sollte einen festen Glauben an eine übernatürliche Macht haben, deren Entscheidungen er nicht in Frage stellt.“ 12 • Die Variablen werden in der F-Skala zusammengeführt und geben an, in wie weit ein Mensch vorurteilsvoll und vorurteilsempfänglich ist (=empfänglich für faschistische Propaganda) Die F-Skala erfasst spezielle Charakterzüge (=Variablen), die je nach Ausprägung eine Rolle spielen, in wie weit ein Individuum anfällig ist für faschistische Propaganda direkter Aufschluss über Charakterstruktur von „potentiell faschistischen Individuen“ 44 Items 9 Variablen Items mit hoher Korrelation werden durch Interpretation zu Variablen zusammengefasst F-Skala 13 5.1. Variablen der F-Skala Konventionalis mus Starres Festhalten an konventionellen Wertvorstellungen des Mittelstandes Autoritäre Unterwürfigkeit Unterwürfige, kritiklose Haltung gegenüber idealisierten moralischen Autoritäten der Eigengruppe Autoritäre Aggression Tendenz nach Menschen Ausschau zu halten, die konventionelle Normen verletzen, um sie zu verurteilen, zu verwerfen und zu bestrafen AntiIntrazeption Abwehr des Subjektiven, Phantasievollen und Sensiblen Aberglaube und Der Glaube an die mystische Bestimmung Stereotypie des Schicksals; Disposition in rigiden Kategorien zu denken Macht und Denken in Dimensionen stark-schwach, „Robustheit“ Herrschaft-Unterwerfung…; Identifizierung mit Machtfiguren; übertriebene Zurschaustellung von Stärke („Robustheit“) Destruktivität Generalisierende Feindseligkeit, und Verleumdung des Menschlichen Zynismus Projektivität Projektion unbewusster emotionaler Impulse nach außen; Disposition an unsinnige, gefährliche Vorgänge in der Welt zu glauben Sexualität Übertriebenes Interesse an sexuellen „Vorgängen“ 14 44 Items 9 Variablen Items mit hoher Korrelation werden durch Interpretation zu Variablen zusammengefasst F-Skala Typen und Syndrome 5.2. Typen • Die Forscher entwickelten verschiedene Typen Syndrome der Vorurteilsvollen 1. Oberflächenressentiment 2. Das „konventionelle“ Syndrom 3. Das „autoritäre“ Syndrom 4. Der Rebell und der Psychopath 5. Der Spinner 6. Der „manipulative Typus“ Syndrome der Vorurteilsfreien 1. Der „starre“ Vorurteilsfreie 2. Der „protestierende“ Vorurteilsfreie 3. Der „impulsive“ Vorurteilsfreie 4. Der „ungezwungene“ Vorurteilsfreie 5. Der genuine Liberale 15 5.2.1. Der „Spinner“ • Extrem projektive, misstrauische Menschen, die ausgeprägte Stereotypen verinnerlicht haben und oftmals von Konspirationsideen besessen sind. Sie erhöhen sich über die Realität und verurteilen viele Minderheitengruppen unverhohlen. • Der „Spinner“ wird streng diszipliniert in seiner Kindheit Dadurch unterdrückt er als Erwachsener seine Triebe zwanghaft (sein Es), kann sich nicht anpassen und wird frustriert und isoliert Aus Selbstschutz bauen sich „Spinner“ eine Scheinwelt auf, die sie der Realität entgegensetzen. • Meistens sind „Spinner“ wenig gebildet. 5.2.2. Die vorurteilsvollen Typen/ faschismusanfällige Menschen • Suchen und unterwerfen sich Autoritäten und zeigen Mächtigen gegenüber unbedingten Gehorsam • Verachten alles Schwache/Unterlegene als minderwertig • Verlangen für sich Sicherheit und Ordnung; Pflichterfüllung und Gehorsam sind ihnen sehr wichtig Bestimmte Menschen sind aufgrund ihrer Charakterstruktur gegenüber Vorurteilen anfällig (und somit auch für den Faschismus) 16 Ergebnisse / Relevanz In den USA der 1950er Jahre gibt es viele Vorurteile (nicht zentraler Punkt der Studie). Erster Deutungsversuch des faschistischen Regimes in Deutschland. Methode zur Ergründung faschistischen Potentials. Erstellung bestimmter charakterlicher Dispositionen, die sicherlich in gewisser Weise eine Erklärung für Vorurteile und Gehorsamkeitsbereitschaft darstellen. Kritik • Sehr theoriegeleitete Studie, stützt sich auf viele Annahmen - Die F-Skala ist ein Konstrukt; Variablen sind eventuell „ergebnisorientiert“ konstruiert - Lassen Überzeugungen tatsächlich Rückschlüsse auf die Charakterstruktur zu? - Ist es nicht unrealistisch, dass Menschen in ihrer Kindheit so geprägt werden, dass sie sich ihr Leben lang nicht mehr davon frei machen können? Heißt das, dass alle aktiven und passiven Mitwirkenden der NS-Zeit „böse Papis“ hatten? • Erklärtes Ziel der Studie war es aktiv zum Demokratieprozess beizutragen; doch in Bezug darauf, bietet die Studie keine Lösung an • Warum forschte das Sozialinstitut nach seiner Rückkehr nach Deutschland nicht an Tätern und Mitläufern der NS-Zeit? eine Validierung der F-Skala wäre möglich gewesen 17 5. Das Experiment: „Zur Gehorsamsbereitschaft gegenüber Autorität“ von Stanley Milgram . • Die experimentelle Forschungsarbeit wurde an der psychologischen Fakultät der Yale University in den Jahren 1960 – 1963 durchgeführt und beendet. Fragestellung Unter welchen Bedingungen wird ein Mensch dem ein Versuchleiter aufträgt mit zunehmender Härte gegen einen dritten vorzugehen, gehorchen und unter welchen Bedingungen wird er den Gehorsam verweigern? 18 Hintergrund Die Motivation für diese Experimentalreihe lieferten die Ereignisse des 2. Weltkriegs. Wieso waren unter dem NS-Regime so viele Menschen bereit, sich in den Dienst der Tötungsmaschinerie der Nazis zu stellen? Auswahl der Versuchspersonen • Anwerben der Vpn in der Lokalzeitung der Gemeinde New Haven: Untersuchung zum Lernen und Gedächtnis • insgesamt 300 000 Vpn unterschiedlicher sozialer Schichten 19 Zeitungsannonce Wahl des Schockgenerators als Instrument 1. Schocks können graduell an Intensität gesteigert werden 2. Anwendung von Schocks passt zur Atmosphäre des Labors 3. Leichte Simulation von verabreichten Schocks 20 Örtlichkeit und Personal • Durchführung des Experiments größtenteils in einem Labor an der Yale Universität • Rolle des Versuchsleiters: John Williams, 31Jahre • „Schüler“: James McDonough, 47Jahre Das Verfahren • Manipulierte Auslosung der Rollen • Vorführung des Schockgenerators • Lernaufgabe: Assoziationspaare lernen 21 Der Schockgenerator Instruktionen zur Verabreichung der Schocks • Vpn wurde aufgetragen, dem Schüler bei jeder falschen Antwort einen Schock in ansteigender Stärke zu verabreichen • Vorherige Ankündigung der Volt-Stärke 22 Versuchsanordnung Rückkopplung zum Versuchsleiter • Bei Zögern der Vpn reagierte Versuchsleiter mit einer Reihe anspornender Bemerkungen • Ansporn 1: „Bitte fahren Sie fort!“ • Ansporn 2: „Das Experiment erfordert, dass Sie weitermachen!“ • Ansporn 3: „Sie müssen unbedingt weitermachen!“ • Ansporn 4: „Sie haben keine Wahl, Sie müssen weitermachen!“ • Besondere Anspornmaßnahmen 23 Rückkopplung zum Opfer • Ab 75 Volt erste Laute seitens des Opfers • Schreie, Proteste, Verweigerung ab 300V Variationen des Experiments • Wechsel des Personals => wenig/kaum Einfluss auf Gehorsamsniveau • Nähe der Autorität bzw. des Versuchsleiters => drastische Abnahme der Gehorsamsbereitschaft, wenn Versuchsleiter nicht im selben Raum anwesend war 24 Interview und Nachbesprechung • Mit allen Vpn fand nach dem Experiment eine Aussprache statt • Vpn erhielten nach Beendigung der Versuchsreihe einen schriftlichen Bericht, indem das experimentelle Verfahren und die Ergebnisse aufgeführt waren Ergebnisse und Schlussfolgerungen Es findet sich bei jedem die mehr oder weniger ausgeprägte Bereitschaft, auf den Befehl einer Autoritätsperson, beinahe alles zu tun. 25 Kritik • Fehlende Kontrollgruppen • Ethisch kontrovers zu diskutieren (z.B.: wurden angemessene Vorkehrungen zum Schutz der Versuchspersonen getroffen?) 6. Gegenüberstellung der vorgestellten Ergebnisse 26 Fragen an das Plenum 1. Wie gehen Adorno bzw. Milgram methodisch vor ? 2. Was sind die Ursachen für konformes Verhalten gegenüber einer Autorität? Wie argumentiert Adorno – wie Milgram? Zusammenfassung der Ergebnisse T. W. Adorno S. Milgram Theoriegeleitete Empirie Vom Experiment ausgehend Menschen mit bestimmten Charakterzügen zeigen sich gehorsam gegenüber Autoritäten Individuum Wenn Menschen in bestimmten Situationen sind, unterwerfen sie sich unhinterfragt Autoritäten Situation, Umgebung, Umwelt Persönlichkeitspsychologischer Ansatz Sozialpsychologischer Ansatz 27 7. Resümee – welche Lehren können wir daraus ziehen ? Können wir Lehren (und wenn ja welche ?) aus Adornos Studie bzw. Milgrams Experiment ziehen? Welcher Ansatz ist für die Sozialpsychologie relevanter ? Abschließende Diskussion im Plenum Verwendete Literatur Primärliteratur: • Adorno, Theodor W.: Studien zum autoritären Charakter. 3. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1999. • Milgram, Stanley: Das Milgram – Experiment. Zur Gehorsamsbereitschaft gegenüber Autorität.14. Aufl. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 2004. Sekundärliteratur: • Ruffing, Rainer: Einführung in die Geschichte der Philosophie. Paderborn: Wilhelm Fink Verlag 2004. • Endruweit, Günter / Trommsdorf, Gisela: Wörterbuch der Soziologie. 2. Aufl. Stuttgart: Lucius und Lucius 2002. • Kunzmann, Peter / Burkard, Franz-Peter / Wiedmann, Franz: dtv Atlas Philosophie. 10. Aufl.: Deutscher Taschenbuch Verlag 2002. 28
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