Änderungen am KHSG treiben Kosten weiter

NR. 12 // 23. OKTOBER 2015
Krankenhausstrukturgesetz (KHSG)
05./06.11.2015
2./3. Lesung Deutscher
Bundestag
27.11.2015
2. Durchgang Bundesrat
01.01.2016
Inkrafttreten
(einzelne Regelungen
treten bereits zum Zeitpunkt der 2./3. Lesung in
Kraft)
Änderungen am KHSG treiben Kosten weiter
Nachdem sich die Koalitionspartner und Vertreter der Länder Anfang Oktober in einem
Eckpunktepapier auf zahlreiche Änderungen am Entwurf des Krankenhausstrukturgesetzes (KHSG) geeinigt hatten, liegen mittlerweile die formulierten Änderungsanträge zum
Gesetz vor.
Auf die Krankenkassen - und damit die Beitragszahler - kommen durch die geplanten Änderungen in den nächsten Jahren erhebliche Mehrausgaben zu. Die Bund-Länder-AG zur
Krankenhaus-Reform beziffert die zusätzlichen Belastungen auf mindestens 3,5 Mrd. Euro
bis zum Jahr 2020. Allerdings sind dabei viele Vorhaben in ihrer Finanzwirkung noch gar
nicht eingerechnet. Die bislang prognostizierten Ausgaben durch das KHSG von ca. 8 Mrd.
Euro in den kommenden fünf Jahren werden damit erheblich übertroffen. Fundierte Schätzungen gehen von Mehrkosten in Höhe von insgesamt 12 bis 15 Mrd. Euro in den nächsten fünf Jahren aus. Hier einige ausgewählte Änderungsanträge:
Versorgungszuschlag wird in Pflegezuschlag umgewandelt
Der Änderungsantrag geht auf einen Vorschlag der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Georg Nüßlein (CSU) und Karl Lauterbach (SPD) zurück (wir berichteten in Berlin kompakt Nr. 11/2015).
So ist vorgesehen, den eigentlich Ende 2016 auslaufenden Versorgungszuschlag beizubehalten und ihn den Kliniken zukünftig als „Pflegezuschlag“ zur Verfügung zu stellen. Das
finanzielle Volumen von jährlich 500 Mio. Euro soll entsprechend der Budgets für Pflegepersonal an die Krankenhäuser verteilt werden.
Es muss sichergestellt werden, dass die zusätzlichen Mittel ausschließlich für das stationäre Pflegepersonal verwendet werden. Dazu ist Transparenz bei der Bereitstellung der
Mittel pro Klinik notwendig.
Verkürzung des Fixkostendegressionsabschlags
Der zur Begrenzung medizinisch nicht notwendiger Leistungen im KHSG vorgesehene
Fixkostendegressionsabschlag wird in seiner Laufzeit von fünf auf drei Jahre verkürzt.
Daneben werden Ausnahmetatbestände, für die der Abschlag keine Anwendung finden
soll, gesetzlich präzisiert.
Die Anreize für Krankenhäuser zur Erbringung nicht notwendiger Leistungen müssen
vermindert werden. Der im KHSG vorgesehene Fixkostendegressionsabschlag ist ein
sinnvolles Instrument zur Mengenbegrenzung in den Krankenhäusern. Er sollte deshalb
– wie im Gesetzentwurf vorgesehen – für eine Dauer von fünf Jahren beschlossen werden.
Abschaffung des Investitionskostenabschlags
Einer der Änderungsanträge sieht die Abschaffung des Investitionskostenabschlags bei
ambulanten Leistungen von Krankenhäusern vor, obwohl sich die Vergütung ambulanter
Krankenhausleistungen am Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) orientiert. Dieser
enthält bereits Investitionskosten. Die jährliche GKV-Mehrbelastung beträgt dabei 75 Mio.
Euro.
Der Abschlag für ambulante Krankenhausleistungen ist notwendig, um eine Doppelfinanzierung von Investitionskosten der Krankenhäuser zu vermeiden. Die geplante Neuregelung würde eine ungerechtfertigte Besserstellung des stationären Sektors und die EinBARMER GEK
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führung einer Investitionskostenfinanzierung durch die Krankenkassen durch die Hintertür bewirken.
Erleichterung des Zugangs zum Strukturfonds
Im Gesetzentwurf ist die Bildung eines Strukturfonds zur Umwandlung von Kliniken und
zum Abbau von Überkapazitäten vorgesehen. Krankenkassen und Länder können dafür
jeweils hälftig maximal 1 Mrd. Euro bereitstellen. Voraussetzung für die Nutzung der Mittel
aus dem Strukturfonds ist, dass die Länder ihre Investitionsfinanzierung in der Höhe fortführen, die sie im Mittel der Jahre 2012 bis 2014 gezahlt haben. Der Änderungsvorschlag
zielt darauf ab, den Zugang zu den Mitteln des Strukturfonds zu erleichtern: Neben dem
Zeitraum 2012 bis 2014 soll auch das Investitionsniveau des Jahres 2015 als Maßstab
herangezogen werden können. Auch sollen die in den Jahren 2002 bis 2014 für die Strukturförderung geflossenen Investitionskostenzuschüsse der Kassen für die neuen Länder
nicht berücksichtigt werden.
Um ein weiteres Absinken der Investitionskosten zu vermeiden, sollte der Durchschnitt
der Jahre 2012 bis 2014 als alleinige Bezugsgröße beibehalten werden. Das Bezugsjahr
2015 ist deshalb problematisch, da die Länder das ohnehin niedrige Niveau des Jahres
2015 noch beeinflussen können. Die Sonderregelung zu den neuen Ländern ist sachgerecht.
Refinanzierung von Tarifsteigerungen
Steigende Kosten der Krankenhäuser infolge von Tarifabschlüssen, die die Obergrenze für
Preiszuwächse überschreiten, sollen künftig zur Hälfte von den Krankenkassen refinanziert werden. Dies bedeutet zusätzliche GKV-Ausgaben von 125 Mio. Euro jährlich.
Die Neuregelung wird abgelehnt, da eine Tarifkostenrefinanzierung bereits durch die
Festlegung des Orientierungswerts sowie im Rahmen der Landesbasisfallwert-Verhandlung berücksichtigt wird.
Notfallversorgung
Im Bereich der Notfallversorgung wird die bereits im GKV-Versorgungsstärkungsgesetz
vorgesehene stärkere Kooperation von Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) und Krankenhäusern weiter konkretisiert. Die KVen sollen dazu entweder „Portalpraxen“ an Krankenhäusern als Erstanlaufstellen einrichten oder die Ambulanzen von Krankenhäusern in
den vertragsärztlichen Notfalldienst einbinden.
Die Initiative der Koalition zur Verbesserung der Notfallversorgung ist sinnvoll.
Die Einrichtung von Portalpraxen kann dazu beitragen, bestehende Doppelstrukturen
abzubauen.
Pflegerische Übergangsversorgung
Ein weiterer Änderungsantrag sieht vor, Leistungsansprüche der häuslichen Krankenpflege
und der Haushaltshilfe zu erweitern und einen neuen Anspruch auf Kurzzeitpflege in der
GKV zu schaffen. Damit soll die Lücke in der Versorgung von Versicherten geschlossen
werden, die nach einem Krankenhausaufenthalt vorübergehend Pflegeleistungen benötigen, aber weder behandlungs- noch pflegebedürftig sind.
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Vor der Schaffung eines neuen Leistungsbereichs wäre zunächst eine Evaluation sinnvoll, welche Leistungsbedarfe bereits gedeckt sind bzw. welche Versorgungsengpässe
bestehen.
MDK-Prüfungen
Entgegen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wird klargestellt, dass alle Abrechnungsprüfungen stationärer Behandlungsfälle durch den MDK (auch solche zur sachlich-rechnerischen Richtigkeit) gleich behandelt werden und damit eine Aufwandspauschale von 300 Euro für die Krankenkassen nach sich ziehen.
Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Krankenkassen für einzelne, einfach zu beantwortende Fragen etwa zur Kodierung eine Pauschale von 300 Euro zahlen müssen. Durch
die Regelung wird die Versichertengemeinschaft mit immensen zusätzlichen Kosten
belastet. Ein Eingriff des Gesetzgebers ist an dieser Stelle nicht notwendig, zumal die
Thematik Bestandteil von laufenden Verhandlungen auf der Selbstverwaltungsebene ist.
FAZIT: Die vorliegenden Änderungsanträge zum Krankenhausstrukturgesetz wirken vor
allem ausgabensteigernd, ohne dass sich die Versorgung der Versicherten dadurch weiter verbessert. Kurz vor Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens haben sich damit vor
allem die Bundesländer durchgesetzt.
Die Regelungen des KHSG treiben die Ausgaben der Krankenkassen für die stationäre
Versorgung nach oben, zementieren die verdeckte Investitionskostenfinanzierung durch
die Kassen und begrenzen die Fehlanreize im System nicht wirksam.
Schätzerkreis erwartet Anstieg der Versichertenbeiträge
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PM Schätzerkreis
Der Schätzerkreis beim Bundesversicherungsamt (BVA) hat seine jährliche Prognose zur
Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben im Gesundheitswesen abgegeben. Die Differenz zwischen den Einnahmen des Gesundheitsfonds und den Ausgaben der Krankenkassen werden nach Schätzungen der Fachleute des Bundesgesundheitsministeriums (BMG),
des BVA und des GKV-Spitzenverbandes im Jahr 2016 bei 14,4 Mrd. Euro liegen. Dies entspricht einem durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz von rund 1,1 Prozent, er läge damit
0,2 Prozentpunkte höher als in 2015. Das BMG wird die Ergebnisse des Schätzerkreises
bewerten und bis zum 01.11.2015 die Höhe des durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes
bekannt geben.
Seit dem 01.01.2015 ist die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung neu geregelt. Der gesetzlich fixierte allgemeine Beitragssatz wurde von 15,5 auf 14,6 Prozent abgesenkt und wird seither in Höhe von jeweils 7,3 Prozent von Arbeitnehmern und Arbeitgebern getragen. Bestandteil des allgemeinen Beitragssatzes war bis Ende 2014 der zusätzlich von den Arbeitnehmern zu zahlende Sonderbeitrag in Höhe von 0,9 Prozentpunkten. Der Sonderbeitrag ist entfallen, jedoch müssen die Krankenkassen einen Zusatzbeitragssatz von ihren Mitgliedern erheben, um ihren Finanzbedarf für die medizinische Versorgung der Versicherten zu decken. Der Beitragssatz für Arbeitgeber ist bei 7,3 Prozent
festgeschrieben.
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Mit der seit Anfang 2015 bestehenden GKV-Finanzierungssystematik werden die Ausgabensteigerungen im Gesundheitswesen im Wesentlichen durch zusätzliche Beiträge von
den Versicherten getragen. Vor diesem Hintergrund sind die hohen Mehrausgaben, die
dem Gesundheitswesen in den nächsten Jahren durch die aktuelle Gesetzgebung entstehen, umso kritischer zu sehen, besonders wenn diese nicht der Verbesserung der Versorgungsqualität oder dem medizinischen Fortschritt dienen.
Nachrichten aus Europa
Kabinett macht Weg frei für europäischen Berufsausweis
Mit dem europäischen Berufsausweis für Apotheker, Gesundheits- und Krankenpfleger
sowie Physiotherapeuten soll die Anerkennung der Berufsqualifikationen dieser drei Berufsgruppen innerhalb Europas verbessert werden. Das Bundeskabinett hat am
14.10.2015 den Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der geänderten Berufsanerkennungsrichtlinie der EU in deutsches Recht beschlossen und damit den Weg frei gemacht
für die Einführung des europäischen Berufsausweises in Deutschland.
Apotheker, Pfleger und Physiotherapeuten könnten damit in Zukunft leichter dort tätig
sein, wo sie gebraucht würden, so Gesundheitsminister Hermann Gröhe. Gleichzeitig würden Betrügereien künftig erschwert. Denn mit dem geplanten Vorwarnmechanismus werden die EU-Mitgliedsstaaten verpflichtet darüber zu informieren, wenn etwa Angehörigen
der Gesundheitsberufe die Ausübung ihrer Tätigkeit untersagt wurde oder wenn gefälschte Berufsqualifikationsnachweise verwendet wurden.
Der europäische Berufsausweis kann von der EU-Kommission noch für weitere Berufe
eingeführt werden.
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Termine Gesetzgebung
Termine laufender Gesetzgebungsverfahren
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