Dr. Axel Schmidt, selbst Reiter, sagt seine Meinung zum

Reiten aus medizinischer Sicht
Interview mit Dr. med. Axel Schmidt (Arzt für Orthopädie, Chirotherapie, Sportmedizin, Akupunktur), Norderstedt
Dr. Axel Schmidt, selbst Reiter, sagt seine Meinung zum Therapeuten „Pferd“.
Frage: Herr Dr. Schmidt, was halten Sie vom Reiten in der Natur und dem Reitwegenetz, das die Stadt Norderstedt erschlossen hat?
„Unsere heutigen Reitpferde sind die Nachfahren wild und frei lebender SteppenTiere. Was liegt also näher, als diesen Sportkameraden als Ausgleich und Dank für
Ihre eigentlich ja widernatürliche „Arbeit“ in der Reithalle regelmäßig Trainingseinheiten in freier Natur zu gönnen, zumal uns Menschen der Sport unter freiem Himmel
ebenfalls einen nicht zu ersetzenden Ausgleich für unser Leben und Arbeiten in geschlossenen Räumen bietet – auch unsere Wurzeln finden sich ja schließlich in der
afrikanischen Steppe. Daß Norderstedt als pferdefreundliche Stadt ein so außergewöhnlich großes und attraktives Reitwegenetz sein Eigen nennt und die Verwaltung
der Stadt dieses mit viel Engagement nicht nur in gutem Zustand hält, sondern ständig noch verbessert, ist für uns Reiter natürlich ein Luxus, für den man dankbar sein
muß. Dies ist woanders keine Selbstverständlichkeit.“
Frage: Sie sind mit der Akupunktur sehr erfolgreich und einige Krankenkassen fördern
diese Behandlungsmethode. Ist es bei den Patienten ein Placebo-Effekt oder steckt
mehr dahinter?
„Vorab darf ich Sie glücklicherweise korrigieren: Nicht nur einige, sondern fast alle
gesetzlichen Krankenkassen fördern die Akupunktur. Es handelt sich um eine mehrere
Tausend Jahre alte fernöstliche Methode, die man den Naturheilverfahren zuordnen
kann. Natürlich neigen wir Schulmediziner dazu, Methoden in Frage zu stellen, deren
Wirkung sich nicht durch wissenschaftliche Untersuchungen belegen läßt. Daher haben wir in Zusammenarbeit mit den Krankenkassen eine große bundesweiter Studie
ins Leben gerufen, die mittlerweile seit ca. 3 Jahren läuft und an der inzwischen einige hunderttausend Patienten teilgenommen haben. Die bisherigen Daten widerlegen eindeutig die Theorie einer reinen Placebo-Wirkung. Aber ein viel einfacheres
Argument gegen den Placebo-Effekt: Akupunktur wird zunehmend in der Tiermedizin
eingesetzt und wirkt beispielsweise bei Hunden und Pferden – und die bilden sich nun
wirklich nichts ein!“
Frage: „Was halten Sie von der Hippotherapie bzw. Reiten für Behinderte? Die meisten Angehörigen der Betroffenen attestieren gute Erfolge. Auch wenn die Behinderung als solche wohl nicht gänzlich behoben werden kann, so ist sie doch sicherlich
besser als ein Leben lang starke Medikamente einzunehmen?
„Stop – keinesfalls kann Reittherapie eine notwendige Arzneimitteltherapie verhindern, aber das soll sie auch gar nicht. Ihre Stärke liegt auf anderen Gebieten. Unser
Organismus ist im Gegensatz zu einer Maschine anpassungs- und lernfähig. Diese
Fähigkeit nutzen wir insbesondere im Sport, wo wir durch gezielte Anpassungsvorgänge eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit erzielen. Und hier greift die Partnerschaft zwischen Mensch und Pferd, da das Reiten nicht nur motorische Reize, sondern der Umgang mit dem Tier auch nicht zu unterschätzende emotionale Reize
setzt, die Körper und Seele zur Anpassung herausfordern. Dort liegt wohl der überaus
positive Effekt von Tiertherapien auf Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen. Die Reittherapie setzt sie zudem Herausforderungen aus, die sie unter Anleitung bewältigen können und verschafft ihnen Erfolgserlebnisse, die ihnen in ihrem
Alltag meist versagt bleiben.“
Frage: Warum wird Ihrer Meinung nach dann diese Methode von den Krankenkassen
als nicht wirksam abgelehnt?
„Die Krankenkassen können nichts dafür. In früheren Jahren habe ich die Hippotherapie für Kinder mit Behinderungen häufig beantragt und die Krankenkassen haben
regelmäßig die Kosten übernommen. Dann hat der sogenannte „Bundesausschuß
der Ärzte und Krankenkassen“ festgelegt, daß die Hippotherapie nicht mehr zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherungen verordnet werden darf, da kein ausreichender Wirkungsnachweis vorliegt. Das ist das Dilemma. Den Krankenkassen ist jeder Ermessensspielraum genommen. Im Gegensatz zur eben erwähnten Akupunktur
ist es aber schwer, den Nutzen der Reittherapie im Rahmen einer Studie zu belegen,
da die Effekte zu subtil und individuell zu verschieden sind. Einige Studien laufen ja.“
Frage: Es gibt das Hippotherapie Zentrum von Heide Wallert in Hamburg, für Schleswig-Holstein gibt es eine Beauftragte, ......................., in zwei Vereinen arbeiten Therapeutinnen mit Behinderten seit Jahren bzw. Jahrzehnten sehr erfolgreich: Lieselot
Schwabel-Nürnberg im Hamburger Reitverein und Elke Steiner im Sportverein Friedrichsgabe auf dem Reithof Nordpol. Die Stunden sind recht teuer. Das kann nicht
jede Familie aufbringen. Was raten Sie betroffenen Eltern?
„Zunächst einmal sollte man in Form von ein paar Probe-Stunden in Erfahrung bringen, ob sich das Kind im Umgang mit dem Pferd wohl fühlt. Ist dies eindeutig der Fall,
sollten die Angehörigen - man kann es nicht anders sagen – in den sauren Apfel beißen, soweit sie es finanziell möglich machen können. In besonders sozialschwachen
Familien könnte auch der Versuch über das Sozialamt erfolgversprechend sein. Private Krankenversicherungen und Beihilfestellen sind im Übrigen nicht an die Entscheidungen des „Bundesausschuß“ gebunden. Ansonsten helfen nur unkonventionelle
Wege. Warum nicht einmal ein Reitturnier zugunsten der Hippotherapie? Sponsoring
und Spendenläufe stehen ganz im Zeichen der Zeit.“
Frage: Ist man von dem jeweiligen Hausarzt abhängig, ob er die Hippotherapie befürwortet? Oder gilt der Spruch: „Wenn du arm bist, mußt du früher sterben oder besser gesagt, weiter leiden?“
„Zum ersten Teil der Frage: Natürlich kann man nicht erwarten, daß eine Methode
von allen Medizinern ungeteilt befürwortet wird, aber darauf kommt es ja auch gar
nicht an, da keine Verordnungsmöglichkeit besteht. Vielmehr liegt die Verantwortung bei den Angehörigen, die sich informieren und engagieren müssen. Hier ist natürlich auch die Presse gefragt – auch sie tragen ja mit diesem Beitrag zum Bekanntheitsgrad der Behandlungsform bei. Zum zweiten Teil der Frage: Ist das nicht
inzwischen die allgemein vorherrschende Tendenz im gesamten Gesundheitswesen?“
Herr Dr. Schmidt, vielen Dank für das Interview, und hoffentlich können Sie noch sehr
vielen Patienten mit Ihrer Methode und Ihrem Wissen helfen.
„Es war mir ein Vergnügen“