BZ Basel, 12.8.2015, S. 22 22 BASEL-STADT BASEL | BASELLANDSCHAFTLICHE MITTWOCH, 12. AUGUST 2015 Fürsprache für gemobbte Gebäude Denkmalschutz Gebäude aus den 50er-/60er-Jahren haben einen schlechten Ruf. Zu Unrecht, sagen Denkmalpfleger Sanierung: Die Denkmalpflege ist überzeugt, dass die Renovierung dem Abbruch vorzuziehen sei. Die Sanierung des Anfos-Hauses wurde 2013 abgeschlossen und erfüllt seither wieder alle Ansprüche. Als Denkmalpfleger sei er daran interessiert, dass möglichst viel der ursprünglichen Bausubstanz erhalten bleibe, sagt Reto Bieli, Bauberater der Kantonalen Denkmalpflege Basel-Stadt. «Bei Gebäuden aus den 50er- und 60er-Jahren ist dies aber schwierig.» Ab 1945 wurde beim Bau von Gebäuden nicht mehr vorwiegend auf Naturprodukte, wie Holz oder Naturstein, gesetzt. Man begann spezielle Industrieprodukte zu verbauen. Solche, die heute gar nicht mehr alle hergestellt werden, beziehungsweise zugelassen sind. Beispiel: Asbestplatten. In Gebäuden aus den 50ern und 60ern nichts Ungewöhnliches. «Wir verwenden bei der Renovierung nicht Asbestplatten, nur weil es im ursprünglichen Zustand der Fall war», sagt Bieli. VON FABIO VONARBURG Ein schlechter Ruf und erst noch keine Schönheit. Gebäude aus den 50er- und 60er-Jahren haben es nicht leicht. «Architektur aus dieser Zeit ist für die Bevölkerung schwer verständlich», sagt Daniel Schneller, Kantonaler Denkmalpfleger Basel-Stadt und ein Fürsprecher der Bauwerke aus dieser Epoche. Schneller ergänzt: «Noch schwerer verständlich ist für die Bevölkerung, dass die Denkmalpflege sich für diese einsetzt.» Aufgeben kommt für die Behörde trotzdem nicht infrage. «Es ist unsere Aufgabe, uns für Architektur mit einem schlechten Image einzusetzen.» An einer Medienorientierung stellte die Denkmalpflege den Wert und die Bedeutung dieser Gebäude vor. Architektur als Spiegel Längst nicht alle Gebäude in Basel aus der Zeit zwischen 1950 und 1969 stehen auf der Inventarliste der schützenswerten Bauten. «Nur die Crème de la Crème», sagt Schneller. Zwei davon stehen in der Aeschenvorstadt. Das Drachen-Center, gebaut 1954, und das 1963 erstellte Anfos-Haus. Die beiden Gebäude erfüllen nicht nur einen bestimmten Zweck, sondern sind auch Zeitzeugnisse. Erinnerungen an eine Zeit des Aufbruchs, der Euphorie, an die Anfänge der Konsumgesellschaft. «Die Architektur widerspiegelt die Wer- «Es ist unsere Aufgabe, uns für Architektur mit einem schlechten Image einzusetzen.» Viele Kompromisse Das Anfos-Haus wurde 1963 erbaut. Von aussen wirkt es rigide, ... Daniel Schneller Denkmalpfleger te der damaligen Gesellschaft», sagt Schneller. Sehen die Bauwerke von aussen langweilig aus, entpuppen sie sich innen oft als Verkaufstempel. So auch das Anfos-Haus. Aussen rigide, im Innern elegant und vornehm. «Als ich früher durch die Passage lief, hatte ich wie das Gefühl, hier nichts verloren zu haben», sagt Schneller. Heute wirft man den Gebäuden aus den 50ern und 60ern zu geringe Energieeffizienz vor. Sie passt aber zu den damaligen Werten: «Auf energiesparende Massnahmen hat man nicht geachtet, sondern einfach konsumiert», sagt Schneller. Die Zeiten haben sich geändert. Öl ist wertvoll geworden, Energiesparen hat an Bedeutung gewonnen. Trotz schlechter Energieeffizienz und dem damit verbundenen Aufwand bei der INSERAT ... innen elegant und vornehm. Hinter der langweiligen Fassade verbirgt sich ein Einkaufstempel. FOTOS: JURI JUNKOV Der Job der Denkmalpfleger ist geprägt von Kompromissen. Nicht nur beim Baumaterial oder zum Erfüllen von zeitgenössischen Anforderungen müssen Abstriche im Vergleich zum Originalbau in kauf genommen werden. Auch zwischen den Bedürfnissen der Eigentümer und jenen der Denkmalpflege muss ein Konsens gefunden, sowie die Interessen der Eigentümer und das Öffentliche gegeneinander abgewogen werden. Aus juristischer Sicht hat die Denkmalpflege nur geringe Möglichkeiten, selbst wenn ein Gebäude auf der Inventarliste der schützenswerten Bauten enthalten ist. Anders wäre es, wenn es unter Denkmalschutz stehen würde. In Basel ist dies aber bei keinem Gebäude, das in den 50er oder 60er Jahren erbaut wurde, der Fall. Grosse Auseinandersetzungen gibt es gemäss den Denkmalpflegern selten. Die Bauherren hätten meist selber ein Interesse, das Gebäude möglichst im Originalzustand zu renovieren. In Basel sei das Bewusstsein für schützenswerte Bauten besonders gross, sagt Schneller. «Ich war vor Basel schon in Obwalden und Winterthur Denkmalpfleger», erzählt er und ergänzt: «Basel ist aber der einzige Ort, wo man Dankesbriefe erhält, wenn man ein Gebäude ins Inventar aufnimmt.» Diese Episode zeigt wieder einmal: Basel ist eine Architekturstadt.
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