Erläuterungen zur Präsentation von F. Altherrm

Departement
Inneres und Kultur
Denkmalpflege
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www.ar.ch/denkmalpflege
Fredi Altherr
Kantonaler Denkmalpfleger
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Vortrag Haus-Analyse Appenzell Ausserrhoden
Bild 1
Von Schwellbrunn bis Walzenhausen wird der teilweise ungepflegte Zustand der Ausserrhoder Dörfer beklagt.
Leider zu Recht. Jammern allein ändert aber wenig. Ausgenommen dann, wenn es irgendwann zu Erkenntnissen und zum Handeln führt.
Meine Erkenntnis ist die, dass viele HauseigentümerInnen durch die anstehenden Fragen und Aufgaben im
Zusammenhang mit ihren alten Liegenschaften überfordert sind. Dass die anstehenden Fragen für viele zu viel
des Guten sind, kann ich nachvollziehen.
Schliesslich geht es darum, sich klar darüber zu werden, welche Zukunft ein Gebäude haben kann. Wie das
bewerkstelligt werden könnte.
Es gilt zu erfahren, was ich ändern muss oder kann, um mich entweder selber wieder wohl zu fühlen im eigenen Haus oder MieterInnen zu finden, denen die Wohnung gefällt. Würden die notwendigen Veränderungen
überhaupt bewilligt? Ist die Liegenschaft sanierungswürdig oder hat sie, wie die meisten Häuser irgendwann,
ihre maximale Lebensdauer erreicht? Kann ich mir die notwendigen Investitionen leisten? Sind diese amortisierbar, die fälligen Mieten erschwinglich, ortsüblich? Wo werden Autos abgestellt? Wo finde ich einen Aussenraum für meine Freizeit? Auf einem neuen Balkon? Im Garten? Und was sagen die Nachbarn dazu?
Mit welcher Frage ist zu beginnen, um weiter zu kommen? Damit stehen wir wieder am Anfang der unüberschaubaren Fragenkette. Wie kann dieser Ratlosigkeit oder Überforderung abgeholfen werden?
Als Denkmalpfleger muss ich sinnvoller Weise mit Vorschlägen und Hilfeleistungen arbeiten. Ähnlich wie in der
Krankenpflege. Auch dort kann Besserung nicht einfach verordnet werden. Mit dem Ziel, etwas zu unternehmen und eine Besserung zu erreichen, haben wir die Hausanalyse entwickelt.
Bild 2
Warum mit unseren historischen, vertrauten, geschätzten, und manchmal auch verfluchten Häusern etwas
geschehen muss, ist offensichtlich.
Nun geht es darum, herauszufinden, Wer etwas unternehmen kann. An erster Stelle stehen zweifellos die
HauseigentümerInnen. Sie müssen von der Notwendigkeit zu Handeln und vom Sinn, ihre Liegenschaft einer
Analyse zu unterziehen, überzeugt sein. Genauso wichtig und deshalb ebenfalls an erster Stelle ist ein solides
Fachwissen gefragt. Eine Gruppe von zehn Architekturbüros hat sich bereit erklärt, sich für die Ausserrhoder
Häuser zu engagieren. Die beteiligten Fachleute bringen ihre ganzen beruflichen Erfahrungen und ihr Können
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in unser Projekt ein. Zwar nicht gratis, aber zu mehr als vorteilhaften Bedingungen. Eine durchschnittliche
Hausanalyse kostet Fr. 6'000.-. Und jetzt kommen die nächsten wichtigen Partner ins Spiel. Nämlich sie. Zusammen mit dem Kanton übernehmen die Gemeinden 2/3 der fälligen Kosten. Die Bauherrschaften haben
selber nur einen Drittel beizusteuern. Das ist eine völlig neue Auffassung von Aufgabenteilung. Eine Teilung,
die jedoch einer genaueren Betrachtung standhält. Das öffentliche Interesse an einem gepflegten und lebendigen Dorf ist um vieles grösser, als jenes einer einzelnen Hauseigentümerin oder eines Hauseigentümers –
selbstverständlich nur rein rechnerisch betrachtet.
Wir haben in den letzten Jahren nicht nur rund 50 Hausanalysen abschliessen können, sondern die Analysen
selber auch immer wieder Prüfungen unterzogen und diese verfeinert. Was wir nicht verfeinern konnten, ist die
Honorierung der Architekturbüros. Der Arbeitsaufwand für eine Hausanalyse übersteigt die bezahlten Stunden
massiv. Nur ein grosses Interesse an unseren Dörfern, der einzigartigen Architektur und die Überzeugung, als
ArchitektInnen einen Beitrag für die Zukunft unseres Kantons leisten zu können, erklärt das Engagement.
Dass der Kanton und die Gemeinden trotz knapper Budgets Steuergelder investieren, ist bekannt. Dass aber
mit der Anfangsfinanzierung über die Hausanalyse ein riesiges Auftragsvolumen für das Baugewerbe generiert
werden kann, ist nicht zu verachten. Hauptsache ist und bleibt aber, dass wir uns mit dem gewählten Vorgehen
auf einen Weg gemacht haben, der Erfolg verspricht. Den Erfolg nämlich, dass in den Dörfern wieder in attraktiven Wohnungen gelebt werden kann.
Wie eine solche Verwandlung zum Besseren aussehen kann, zeige ich Ihnen anhand der folgenden Beispiele:
Bild 3
Wohnhaus, Strickbau 17. Jh.
Oberdorfstrasse 42, Herisau
Schwerpunkte der Hausanalyse:
Feststellen des Unterhaltsbedarfs, Wärmedämmung, Energieerzeugung, Einbau Küche, Toiletten und Badezimmer, Aussenraum
Bilder 4 - 11
Bild:12
HA mit überraschendem Lösungsvorschlag
Wirtschaft und Metzgerei, Wohnhaus, 19. Jh.
Hinterdorf 9, Trogen
Schwerpunkt der Hausanalyse:
Mögliche Nutzungen und Unterteilungen des 6-geschossigen Gebäudes
Erschliessung
Aussenräume
Feststellen Unterhaltsbedarf, Wärmedämmung, Schallschutz, Feuerschutz
Bilder 13 - 19
Nach den beiden Beispielen geht es nun darum, sich einer oft geäusserten Kritik zu stellen.
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Kühle RechnerInnen beklagen immer wieder die hohen Kosten für den Umbau und die Renovation historischer
Liegenschaften. Sie bezeichnen die Häuser als Liebhaberobjekte und bezweifeln, dass genügend Leute ein
derartiges Haus bewohnen wollen.
Eine Wohnung, ein Haus ist immer ein Liebhaberobjekt. Für Leute mit einem Einkommen über dem Existenzminimum spielt die Zuneigung zum Haus, seiner Umgebung, dem Dorf, immer eine wichtige Rolle. Die Zimmerzahl kann einigermassen objektiv bestimmt werden. Baustil, Materialien, Farben, Ausstrahlung, Repräsentationswert sind jedoch immer Werte, die mit Zuneigung, Liebhaberei, Lebensstil oder Kultur zu tun haben.
Ich riskiere hier einen Vergleich mit unseren Autos, quasi unseren Zweitwohnungen. Wollten wir lediglich ohne
Probleme von A nach B kommen, würde ein mittelprächtiges Occasion-Modell mit 100PS völlig ausreichen.
Jahrgang, Fabrikat, Farbe etc. wären von untergeordneter Bedeutung.
In den Dörfern finden wir, abgesehen vielleicht von weinigen Schulhäusern und Garagen, tatsächlich fast ausschliesslich Liebhaberobjekte. Das gilt sowohl für das Wohnhaus im Zentrum wie auch für das Einfamilienhaus
am Dorfrand. Daraus können oder müssen wir folgern, dass wir es mit verschiedenen Lebensauffassungen
oder etwas bescheidener ausgedrückt, mit unterschiedlichen Wohnbedürfnissen zu tun haben. Dass für ein
zeitgemässes Wohnen im Dorf minimale Raumhöhen ebenso dazu gehören wie eine Ausstattung mit funktionalen Küchen, Toiletten und Bädern, einer effizienten Heizung und entsprechender Wärmedämmung, erwähne
ich hier der Vollständigkeit halber. Dass auch genügend Licht und allfällige zusätzliche Fenster nicht durch die
Denkmalpflege bekämpft werden, hat sich hoffentlich herumgesprochen.
Trotzdem bleiben im Dorf die Angebote für Park- und Aussenplätze, für Loggien und Balkone anders als am
Siedlungsrand. Wer sich ein Einfamilienhaus leisten kann, schreitet in der Regel zur Tat. Ein frei stehendes
Einfamilienhaus zu besitzen gilt gewissermassen als Leistungsausweis für den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Erfolg
Nach diesen grundsätzlichen Ausführungen zum emotionalen Wert eines Hauses wenden wir uns wieder den
Hausanalysen zu. Bei den meisten Untersuchungen wird festgestellt, dass die Liegenschaft einen grossen
Unterhaltsbedarf aufweist. Das heisst nichts anderes, als dass nicht mehr investiert wurde. Entweder fehlte das
Geld oder es fehlte das Wissen darum, dass Häuser unterhaltsbedürftig sind, einen Service benötigen, so wie
unsere Autos.
Unterlassene Unterhaltsleistungen haben zur Folge, dass von der Substanz der Liegenschaft gezehrt wird.
Wenn Renovations- und Umbaukosten heute hoch erscheinen - und es auch sind - ist zu berücksichtigen, dass
in den vergangenen Jahrzehnten ziemlich genau der Betrag gespart oder nicht investiert wurde, um den heute
die Rechnung als zu hoch erscheint.
Die Berechnung der Investitionskosten für fällige Unterhalts- und Renovationsarbeiten gehören ebenso zu
einer Hausanalyse wie die Kostenschätzung für mögliche Um- und Ausbauarbeiten. Im Weiteren werden die
Zahlen für die Ermittlung der mutmasslichen Amortisationskosten und zur Berechnung der zu erwarten
Mieteinnahmen verwendet.
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Die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit ist lediglich ein Bestandteil einer Hausanalyse. Sie ist das messbare
Resultat vielfältiger vorangegangener Abklärungen und Überlegungen. Welcher Art die sein können, zeigt das
nächste Beispiel.
Bild 20
Fabrikantenhaus, Sockel massiv, Obergeschosse Strickbau, 19. Jh.
Nöggel 168, Bühler
Schwerpunkte Hausanalyse:
Grundrissorganisation bei Aufteilung in drei Wohnungen
Parkierungsmöglichkeiten
Feststellen Unterhaltsbedarf, Wärmedämmung
Bilder 21 - 23
Für den Abschluss meiner Ausführungen habe ich für die wohl extremste Festlegung eines Untersuchungsschwerpunktes aufgespart. Eine Hausanalyse kann auch dann das richtige Instrument sein, wenn es darum
geht, eine Interessensabwägung vorzunehmen. Es geht um das Interesse, ein für das Ortsbild wichtiges Gebäude zu erhalten oder es gegebenenfalls zu Gunsten einer für die Gemeinde vorteilhaftere Lösung zu opfern.
Bild 24
Bahnhof Trogen, Riegelbau, 1903
Letzter Bahnhof im Schweizer Holzbaustil
Studium von Lösungsvarianten mit und ohne Bahnhof
Regionales Umsteigezentrum, Gewerbenutzung
Fredi Altherr
Kantonaler Denkmalpfleger
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