Digestenexegese Di., 16.00-18.00 WS 15/16 Prof. Schermaier D. 45,1,35 pr. (Paul. 12 ad Sab.): Si stipulor, ut id fiat, quod natura fieri non concedit, non magis obligatio consistit, quam cum stipulor ut detur quod dari non potest: nisi per quem stetit, quo minus facere id possit. Wenn mir versprochen wird, dass das geschehe, was zu geschehen die Natur nicht gestattet, besteht die Verbindlichkeit um nicht mehr, als wenn mir versprochen wird, dass geleistet würde, was man nicht leisten kann: wenn es niemand zu vertreten hat, dass man es nicht leisten kann. Gai. inst. 3,97: Si id, quod dari stipulamur, tale sit, ut dari non possit, inutilis est stipulatio, velut si quis hominem liberum, quem servum esse credebat, aut mortuum, quem vivum esse credbat, aut locum sacrum vel religiosum, quem putabat humani iuris esse, dari stipuletur. 97a: <Item si quis rem, quae in rerum natura esse non potest, velut hippocentruarum, stipuletur>, aeque inutilis est stipulation. Wenn das, was uns zu leisten versprochen wurde, von der Art ist, dass man es nicht leisten kann, ist die Stipulation unwirksam, wie zum Beispiel, wenn jemand sich einen Freien, den er für einen Sklaven hält, oder einen Toten, den er für einen Lebenden hält, oder einen heiligen oder geweihten Ort versprechen lässt, den er für verkehrsfähig hält. Ebenso, wenn jemand sich eine Sache, die es in der Natur nicht geben kann, wie zum Beispiel einen Hippozentaur, versprechen lässt, ist die Stipulation gleichermaßen unwirksam. D. 21,2,31 (Ulp. 42 ad Sab.): Si ita quis stipulanti spondeat ‚sanum esse, furem non esse, vispellionem non esse‘ et cetera, inutilis stipulatio quibusdam videtur, quia si quis est in hac causa, impossibile est quod promittitur, si non est, frustra est. D. 50,17,31 (Ulp. 42 ad Sab.): Verum est neque pacta neque stipulationes factum posse tollere: quod enim impossibile est, neque pacto neque stipulatione potest comprehendi, ut utilem actionem aut factum efficere potest. D. 21,2,31 (Ulp. 42 ad Sab.) sed ego puto verius hanc stipulationem ‚furem non esse, vispellionem non esse, sanum esse‘ utilem esse: hoc enim continere, quod interest horum quid esse vel horum quid non esse. sed et si cui horum fuerit adiectum ‚praestari‘, multo magis valere stipulationem: alioquin stipulatio quae ad aedilibus proponitur inutilis erit, quod utique nemo sanus probabit. Wenn jemand folgendermaßen sich verpflichtend versprochen hat, “er ist gesund, kein Dieb und kein Leichenträger” oder ähnlich, glauben manche, dass eine solche Stipulation unwirksam ist. Denn wenn (der Sklave) von solcher Beschaffenheit ist, ist es unmöglich, was versprochen wurde, wenn er es nicht ist, ist das Versprechen vergeblich. Richtig ist es, dass weder Verträge noch Versprechen die Wirklichkeit ändern können: was nämlich unmöglich ist, kann weder durch Vertrag noch druch Stipulation erfasst werden, so, dass eine Klage hergestellt werden könnte oder die Wirklichkeit selbst. Aber ich halte für richtig, dass eine solche Stiulation: “er ist kein Dieb, kein Leichenträger, und eri st gesund” wirksam ist. Dieses Versprechen nämlich enthält (die Zusicherung), was das Interesse daran angeht, dass dieses oder jenes ist oder nicht ist. Wenn dann auch noch hinzugefügt wird: “ich stehe dafür ein, dass …”, gilt die Stipulation umso eher. Wäre es anders, wäre auch die von den Ädilen geforderte Stipulation unwirksam, was doch kein Vernünftiger behaupten wird. D. 45,1,34 (Ulp. 48 ad Sab.). Multum Es kommt viel darauf an, ob mir eine Sache 1 interest, utrum ego stipuler rem, cuius commercium habere non possum, an quis promittat: si stipuler rem, cuius commercium non habeo, inutilem esse stipulationem placet: si quis promittat, cuius non commercium habet, ipsi nocere, non mihi. versprochen wird, die ich nicht haben kann, oder ob jemand eine zu leisten verspricht (die er nicht haben kann). Wenn mir eine Sache versprochen wird, die ich nicht haben kann, ist die Stipulation unwirksam. Wenn jemand etwas verspricht, was er nicht haben kann, schadet es ihm, nicht mir. D. 45,1,83,7 (Paul. 72 ad ed.): Stichum, qui decessit, si stipuler, si quidem condici etiam mortuus potuit, ut furi, utiliter me stipulatum Sabinus ait: si vero ex aliis causis , inutiliter, quia et si deberetur, morte promissor liberetur. idem ergo diceret et si mora facta defunctum stipularer. Wenn mir der Stichus, der verstorben ist, versprochen wird, ist mir wirksam versprochen, wie Sabinus sagt, wenn ich auch den toten Stichus kondizieren kann – wie etwa von einem Dieb. Wenn aber aus anderem Grund, dann ist die Stipulation unwirksam, denn auch wenn sie wirksam wäre, würde der Schuldner durch den Tod frei. Dasselbe sagte er für den Fall, dass mir der Verstorbene nach Verzugseintritt stipuliert worden ist. D. 45,1,73 (Paul. 24 ad ed.): Interdum pura stipulatio ex re ipsa dilationem capit, veluti si id quod in utero sit aut fructus futuros aut domum aedificari stipulatus sit: tunc enim incipit actio, cum ea per rerum naturam praestari potest. sic qui Carthagini dari stipulatur, cum Romae sit, tacite tempus complecti videtur, quo perveniri Carthaginem potest. item si operas a liberto quis stipulatus sit, non ante dies earum cedit, quam indictae fuerint nec sint praestitae. Manchmal erleidet die einfache Stipulation aus dem Gegenstand selbst heraus eine Verschiebung, wie zum Beispiel, wenn das, was noch im Bauch ist oder zukünftige Früchte oder ein erst noch zu bauendes Haus versprochen ist: dann nämlich besteht erst dann eine Klage, wenn man das Versprochene nach den Regeln der Natur auch leisten kann. Ebenso scheint der, der in Karthago zu leisten versprochen hat, als er in Rom war, schweigend eine Frist bedungen zu haben, während der er nach Karthago reisen kann. Ebenso, wenn sich jemand von einem Freigelassenen operae versprechen hat lassen, werden diese nicht vor dem Tag fällig, der angegeben war, und sind nicht eher zu leisten. D. 45,1,137,2 (Mod. 1 stip.): Cum ita stipulatus sum "Ephesi dari?" inest tempus: quod autem accipi debeat, quaeritur. et magis est, ut totam eam rem ad iudicem, id est ad virum bonum remittamus, qui aestimet, quanto tempore diligens pater familias conficere possit, quod facturum se promiserit, ut qui Ephesi daturum se spoponderit, neque duplomate diebus ac noctibus et omni tempestate contempta iter continuare cogatur neque tam delicate progredi debeat, ut reprehensione dignus appareat, sed habita ratione temporis aetatis sexus valetudinis, cum id agat, ut mature perveniat, id est eodem tempore, quo plerique eiusdem condicionis homines Wenn mir so versprochen wurde: „Leistung in Ephesos?“, so ist Zeit mit vereinbart. Fraglich ist aber, wie viel. Es spricht einiges dafür, die ganze Angelegenheit einem Richter, oder eigentlich einem „guten Manne“ vorzulegen, der schätzt, wie viel Zeit er einem sorgfältigen Hausvater zugestehe, was zu leisten er versprochen hat, so dass, wer in Ephesus zu leisten versprochen hat, weder gezwungen wird, mit Begleitschreiben Tag und Nacht und bei jedem (Un-)Wetter zu reisen, noch so vorsichtig vorgehen darf, dass er tadelnswert (todeswürdig?) erscheint. Vielmehr muss er sich in Anbetracht des Wetters, seines Alters, seines Geschlechts und seiner Gesundheit bemühen, zeitgerecht anzukommen, das heißt also zu der Zeit, zu der die meisten Menschen unter diesen Umständen anzukommen pflegen. Wenn das also vereinbart war und er gleichwohl in Rom 2 solent pervenire. eoque transacto, quamvis Romae remanserit nec possit Ephesi pecuniam dare, nihilo minus ei recte condicetur, vel quia per ipsum steterit, quo minus Ephesi daret, vel quoniam per alium Ephesi possit dari vel quia ubique potest solvere: nam et quod in diem debetur, ante solvi potest, licet peti non potest. quod si duplomate usus aut felici navigatione maturius quam quisque pervenerit Ephesum, confestim obligatus est, quia in eo, quod tempore atque facto finitum est, nullus est coniecturae locus. bleibt und so das Geld nicht in Ephesos auszahlen konnte, wird gleichwohl von ihm kondiziert, entweder weil es an ihm lag, nicht in Ephesos geleistet zu haben, oder so weil er in Ephesos durch einen anderen hätte leisten können, oder weil er überall hätte leisten können (~ mit Einverständnis des Gläubigers). Denn was zu einem bestimmten Tag geschuldet wird, kann man vorher leisten, auch wenn man es nicht fordern kann. Sollte er also wegen kaiserlicher Begleitschreiben oder durch glückliche Fahrt früher als ein anderer in Ephesus ankommen, ist er sofort verpflichtet (zur Leistung) weil in den Angelegenheiten, die durch Zeit(ablauf) oder einen Umstand beendigt sind, keine Verzögerung statt hat. D. 45,1,103 (Mod. 5 pandect.): Liber homo in stipulatum deduci non potest, quia nec dari oportere intendi nec aestimatio eius praestari potest, non magis quam si quis dari stipulatus fuerit mortuum hominem aut fundum hostium. Einen freien Mann kann man nicht zum Gegenstand einer Stipulationsschuld machen, weil man nicht beabsichtigen kann, ihn zu leisten, und auch eine Schätzsumme nicht geleistet werden kann, nicht mehr, als wenn sich jemand einen toten Sklaven oder ein Grundstück auf Feindesland versprechen hat lassen. D. 45,1,105 (Iav. 2 epist.): Stipulatus sum Damam aut Erotem servum dari: cum Damam dares, ego quo minus acciperem, in mora fui: mortuus est Dama: an putes me ex stipulatu actionem habere? respondit: secundum Massurii Sabini opinionem puto te ex stipulatu agere non posse: nam is recte existimabat, si per debitorem mora non esset, quo minus id quod debebat solveret, continuo eum debito liberari. Mir wurden die Sklaven Dama oder Eros versprochen. Als du Dama gibst (= angeboten hast), kam ich, als ich ihn nicht entgegennahm, in Verzug. Daraufhin starb Dama. Glaubst du, dass ich aus der Stipulation noch klagen kann? Er antwortete: Nach Ansicht des Massurius Sabinus glaube ich, dass du aus Stipulation keine Klage mehr hast. Denn er sagt richtig, dass, wenn der Schuldner nicht seinerseits in Verzug wäre, weshalb er nicht mehr leisten kann, bleibt er von der Schuld befreit. Wer Stichus oder Pamphilus zu leisten versprochen hat, wird – wenn er Stichus verletzte – durch die Leistung dieses Stichus nicht mehr befreit, als wenn er nur Stichus versprochen und dann verletzt hätte. Wer also einen Sklaven verspricht zu geben, und ihn verletzt (und zwar durch den Schuldner selbst) anbietet, wird nicht frei. Wenn er aber nach Streiteinsetzung den Sklaven, um den es geht, durch sich verletzt anbietet, ist er zu verurteilen. Wenn er aber einen leistet, der von einem anderen verletzt wurde, ist er zu verurteilen, weil er den anderen hätte leisten können. Wenn der, der den Stichus aus einer Stipulation schuldete, ihn vor Verzug (= vor dem Leistungstermin) freiließ und jener, ehe der D. 46,3,33,1 (Iul. 52 dig.): Qui Stichum aut Pamphilum dari promisit, si Stichum vulneraverat, non magis eum dando liberatur, quam si solum Stichum promisisset et a se vulneratum daret. item qui hominem dari promisit et vulneratum a se offert, non liberatur. iudicio quoque accepto si hominem is cum quo agetur vulneratum a se offert, condemnari debebit. sed et ab alio vulneratum si det, condemnandus erit, cum possit alium dare. D. 44,7,45 (Paul. 5 ad Plaut.): Is, qui ex stipulatu Stichum debeat, si eum ante moram manumiserit et is, priusquam 3 super eo promissor conveniretur, decesserit, non tenetur: non enim per eum stetisse videtur, quo minus eum praestaret. Schuldner deswegen in Anspruch genommen wurde, starb, haftet er nicht. Es scheint nämlich nicht an ihm gelegen zu haben, dass er ihn nicht leistete. 4
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