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Prora: Vom Nazi-Bau zum Luxusdomizil | Manuskript
Streitobjekt Prora: Vom Nazi-Bau zum Luxusdomizil
Bericht: Carina Huppertz, Sebastian Pittelkow, Christian Bergmann
Rico Giercke, Vertriebsleiter Irisgerd Immobilen:
Wir können uns hinten gern auch mal die Zugänge, die Strandzugänge, anschauen, die
haben wir auch schon fertig. Das heißt, die Leute können hier lang flanieren bis nach Binz
rein, haben das Meer zur linken wenn sie von dort kommen, haben das Gebäude auf der
rechten Seite, also das ist natürlich ein Traum.
Wahnsinn, oder? Wahnsinn.
Unbeschreiblich, oder? Unbeschreiblich.
Was so unbeschreiblich ist, erklärt Rico Giercke an guten Tagen 100 Interessenten. Prora –
das Ferienheim der Nazis wird zu Geld gemacht und der Immobilienmakler ist im Rausch.
Diese Urlauber aus Merseburg - potentielle Kundschaft.
Rentner: Faszinierend.
Rico Gierke: Dem jungen Mann hat es die Sprache verschlagen.
Man kann es ja kaum erklären, wie schön das alles wird. Und das ist toll.
Von Pomade und Promenade trennen die Merseburger 80.000 bis 800.000 Euro. So viel
kostet hier der Dauer-Ferienplatz heute. Aber den Rentnern ging‘s eigentlich gar nicht ums
Investieren.
Renter:
Das waren ja Gegenden, die ja eigentlich, durch Armee oder so etwas, in der DDR hätten
nie besuchen können. Und deswegen haben wir uns so ein bisschen vorinformiert und
wollten dann auch sehen, was hier aus diesem gigantischen Objekt entsteht jetzt.
Einfach mal gucken - heute ist Besuch mehr als willkommen. Probeliegen in der
Musterwohnung.
Rentner: Haaaaach. Herrlich.
Rico Gierke: Ein Traum, ein Traum, oder?
Rentner: Aber ich denke mir, so ist es noch schöner.
Rico Gierke: Ja, wir müssten die Lehne weiter vormachen, dass sie so Schlafen können, im
Sitzen.
Echtholzboden, Mosaikfliesen, Privatsauna – hier ist alles hochpreisig.
Rentner: Wie man so sagt – unbezahlbar eigentlich, ne.
Rico Gierke: Ich hab selber hier gekauft. Weil… wird man nie mehr kriegen.
Rentner: Ja.
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verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig.
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Prora: Vom Nazi-Bau zum Luxusdomizil | Manuskript
Rico Gierckes Geschäft läuft - nächstes Jahr soll der Block seiner Firma bezugsfertig sein. Bis
dahin wird hier alles entkernt, auch die Geschichte. Aber die wollten die Merseburger
eigentlich bestaunen.
Rico Gierke: Sie sehen, auch in der DDR hatten wir schöne Fliesen, oder?
Rentnerin: Genau, die gab‘s überall und die hatten wir im OP. Blaue Fliesen.
Operation am offenen Betonklotz – in Prora passiert das seit 1936. Ein NS-Ferienkoloss für
20.000 Urlauber sollte entstehen. Der Kriegsbeginn war das Ende der Bauarbeiten. Zu DDRZeiten zog hier die NVA ein: Truppenausbildung, Sperrgebiet. Nach der Wende verfiel das
Objekt. Und heute?
Rico Gierke: Was soll man in die Vergangenheit gucken, wir haben da alle nichts mit zu
tun. Wir haben jetzt die Aufgabe, das schön zu machen.
Vorwärts immer, rückwärts nimmer: die nächsten Kunden.
Einen Block weiter: Familie Baumgärtel aus Kleinkarlbach in der Pfalz war einer der erste
Käufer im neuen Prora.
Cathrin Baumgärtel: Das wird dann unser Alterssitz.
Reporter: Und dann wollen Sie ganz hier her kommen?
Ehepaar Baumgärtel: Ne. – Vielleicht schon, doch, eigentlich schon wenn du dann …. – Mal
sehen. Das werden wir dann sehen.
Reporter: Ist die Familienzeit hier denn eine andere als Zuhause?
Cathrin Baumgärtel: Jaa…. Ich hab weniger Arbeit hier. Zuhause haben wir Garten noch zu
machen, das fällt ja hier weg, ne? Das ist schon was anderes.
Pascal Baumgärtel: Wunderschöner Blick.
Familie Baumgärtel hat 330.000 Euro für ihre Zweitwohnung bezahlt – 80 Quadratmeter
umstrittener Beton. Der wurde einst für Urlauber im Dritten Reich gegossen. Mit der
Geschichte geht die Familie auf ihre Weise um.
Michael Baumgärtel:
Ich habe da noch ein altes Erbstück, ein Bild von Käthe Kollwitz, was sicherlich auch noch
mal das Elend der Zeit darstellt und das hat natürlich dann gleich hier im Eingang dann den
entsprechenden Platz gefunden.
Die neuen Bewohner kommen, die alten müssen weichen. Seit zwei Jahren dokumentiert
exakt den Wandel in Prora. Damals hatte Töpfer Rudi Kern seinen Kampf gegen die
Investoren schon verloren.
Rudi Kern: Jetzt muss ich raus, und das find ich nun traurig.
Heute ist von ihm nur eine Randnotiz übrig. Das Künstlerleben in Prora neigt sich dem Ende
zu. Klaus Böllhoff ist der letzte hier, jetzt muss auch er raus.
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Prora: Vom Nazi-Bau zum Luxusdomizil | Manuskript
Klaus Böllhoff:
Das authentische Leben, das sich hier vor 15 Jahren, als ich herkam, nach und nach
gebildet hat, ist inzwischen weitgehend – und jetzt komplett –weggewischt.
Auch sie versucht, das authentische Prora zu verteidigen – Susanna Misgajski, die Leiterin
des Museums „Prorazentrum“. Sie diskutiert mit neugierigen Touristen darüber, wieviel
Sanierung dem Gebäude gut tut.
Touristen: Schön für die, die es sich leisten können. – Ne, aber ich denke, es ist ja sowieso
da, das Gebäude, ja.
Reporter: Was sagen Sie dazu?
Susanna Misgajski:
Das ist eben so, dass das Gebäude sanierungsbedürftig war, aber man hätte es natürlich
auch ein bisschen mehr, enger an der ursprünglichen Form halten können.
Tourist: Aber ich find‘s trotzdem gut dass was dran gemacht wird, dass es nicht verfällt.
Auch Susanna Misgajski will Prora erhalten – aber als Gesamtkomplex. Jetzt hat jeder
sanierte Block zum Beispiel andere Balkone.
Susanna Misgajski:
Also mich macht das eher ein bisschen fassungslos. Weil wenn ich mir das eben so
betrachte und ich weiß, dass das Gebäude unter Denkmalschutz steht, dann ist das
natürlich schon sonderbar dass Großinvestoren solche Veränderungen am Gebäude
gestattet werden.
Axel Berings Balkone hängen schon lange. Er war der erste Groß-Investor am Platz. Und?
Gab‘s Probleme mit dem Denkmalschutz?
Axel Bering:
Das war kein Problem. Es hat ne Weile gedauert, ehe man das alles genehmigt bekommen
hat. Aber es ist glaube ich heutzutage eine moderne Wohnform, wenn man Urlaub macht,
dass man auch einen Balkon mit dabei hat.
Wir sehen uns mit Axel Bering einen Aufgang an, den er uns schon vor zwei Jahren gezeigt
hat. Hier war früher ein NVA-Sanitär-Trakt.
Axel Bering:
Hier waren die Toiletten. Und, der Raum war natürlich etwas größer. Aber um es normal
zu Händeln, zu machen, haben wir eben hier ein Schlafzimmer reingebaut.
2013. Das gleiche stille Örtchen.
Axel Bering:
Also das sind die Sanitärbereiche, zum größten Teil schon zerstört.
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Prora: Vom Nazi-Bau zum Luxusdomizil | Manuskript
Aus Scheiße Gold machen. Finanziell war Prora für Axel Bering lange ein Risiko. Jetzt greift er
schon beschwingt nach dem nächsten Block.
Axel Bering:
Genau! Also ich glaube, die Nachfrage ist, sag ich mal, sehr hoch. Also wir haben jetzt
schon für das Projekt für 32 Wohnungen 120 Reservierungen drauf. Mal gucken wie viele
da bleiben, ansonsten machen wir gleich das nächste Haus mit. HAHA!
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