Alte Feinde im Kommen – Blattrollviren und Schildläuse DLR

Dr. Ulrike Ipach
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Alte Feinde im Kommen – Blattrollviren und Schildläuse
DLR Rheinpfalz, Institut für Phytomedizin, Dr. Ulrike Ipach
Die Symptome der Blattrollkrankheit, einer Viruserkrankung der Rebe, und Schildläuse als
Schadinsekten sind beide im Weinbau schon sehr lange bekannt. Die erste Beschreibung der
später als Blattrollkrankheit bezeichneten Krankheit stammt aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Schildläuse wurden hingegen schon im Alten Testament als Schädlinge der Reben
erwähnt. Stellwaag kam 1928 zu dem Schluss, dass es sich bei den dort beschriebenen „Würmern“ eigentlich nur um Schildläuse handeln könne. Mit der Intensivierung der Monokultur
„Rebe“ zu Beginn des 20. Jahrhunderts verstärkten sich – allerdings in unterschiedlichem
Maße – die Probleme sowohl mit den Erregern der Blattrollkrankheit als auch mit den Schildläusen.
So traten zyklische Massenvermehrungen verschiedener Schildlausarten nicht nur im Weinbau im Abstand von zehn bis elf Jahren auf. Im Jahr 1915 vermehrten sich zum Beispiel die
Schmierlaus Dactylopius und die wollige Rebenschildlaus Pulvinaria lagen- und weinbergsweise besonders stark an Portugieserreben im Raum Bad Dürkheim, Niederkirchen und Ruppertsberg. 1926 – 1928 wurden an der Mittelmosel massive Probleme mit erheblichen wirtschaftlichen Einbußen durch Rußtau festgestellt, hervorgerufen durch ein Massenauftreten
vermutlich der später als böhmische Schmierlaus bezeichneten Art Heliococcus bohemicus.
Nach dem Zweiten Weltkrieg verschwanden die Tiere jedoch durch exzessive Insektizideinsätze aus dem Fokus. Aus noch nicht geklärten Gründen konnte sich manche Schildlauspopulation in den letzten Jahren wieder mehr oder weniger unbemerkt vermehren, so dass die
Tiere heute gebietsweise stärker vorkommen.
Aufgeschreckt durch die Zunahme von Reben mit vorzeitiger Herbstverfärbung verbunden mit
stark schwankenden Erträgen und Kleinfrüchtigkeit befassten sich etliche Forscher im In- und
Ausland, allen voran Georg Scheu in Alzey Anfang der 1930iger Jahre verstärkt mit der als
Rollkrankheit beschriebenen Erscheinung. Scheu wies 1935 nach, dass diese Krankheit
durch Pfropfung übertragen wird und er vermutete damals schon, dass diese „Erkrankung des
Blutes“ eine Viruserkrankung sei. Diese Hypothese wurde aber erst sehr viel später bewiesen.
Mit der beginnenden Klonenselektion und der Erhaltungszucht wurden visuell auffällige Reben
von der Vermehrung ausgeschlossen, so dass die Blattrollkrankheit in den Beständen stark
dezimiert werden konnte. Die Rebenpflanzgut-Verordnung trägt der Bedeutung der Viruserkrankungen Rechnung, so dürfen heute Vermehrungsanlagen nur noch mit virusgetestetem
Pflanzgut erstellt werden. Durch diese Maßnahmen war die Blattrollkrankheit bis vor kurzem
kein großes Thema im deutschen Weinbau. Seit etwa fünf Jahren beobachtet man jedoch im
Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Virustestung, dass die Krankheit wieder auf dem
Vormarsch ist. Züchter und Rebveredler sind aufgeschreckt, da sie um ihre Vermehrungsanlagen fürchten.
Viruserkrankung der Rebe und schädigende Insekten – Wie passen beide zusammen?
Die Blattrollkrankheit ist die weltweit am weitesten verbreitete Viruserkrankung der Rebe und
neben der Reisigkrankheit die bedeutendste Virose im deutschen Weinbau mit großen wirtschaftlichen Auswirkungen. Eine verfrüht einsetzende Herbstverfärbung setzt die Assimilationsleistung infizierter Reben herab, so dass sich die Reife verzögert, es zu einem geringeren
Mostgewicht und einer geänderten Zusammensetzung der Inhaltsstoffe und somit letztlich zu
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Qualitätseinbußen kommen kann. Auch Ertragsminderungen in Abhängigkeit von Jahr, Sorte
und Befallsgrad sind möglich.
Diese Krankheit kann von mindestens zehn verschiedenen Viren verursacht werden, die als
Grapevine leaf roll associated virus bezeichnet und durchnummeriert werden. Im deutschen
Weinbau wurden bis jetzt nur die beiden Blattrollviren GLRaV-1 und -3 gefunden, wobei das
erst genannte Virus die mit Abstand weiteste Verbreitung hat.
Symptome: Auffälligstes Symptom dieser Krankheit ist das starke Blattrollen. In Deutschland
rollen sich etwa ab Ende Juli die Blätter zur Blattunterseite hin ein, beginnend an der Basis der
Triebe. Gleichzeitig setzt eine verfrühte Herbstverfärbung ein. Rote
Sorten zeigen eine Rotverfärbung
(Abb. 1), während weiße Sorten
sich fahl gelb verfärben, die Blattadern bleiben jedoch jeweils grün.
Alle Ertragssorten und Unterlagsreben können infiziert werden, wobei letztere sehr selten Symptome
ausprägen. Die Stärke der Symptomausprägung hängt neben der
Sorte und der Witterung von der Art
des infizierenden Blattrollvirus ab.
Abbildung 1: Blattrollkrankheit bei Spätburgunder
Verbindung zwischen Blattrollkrankheit und Schildläusen: Übertragung der Erreger
durch Schildläuse im Weinberg!
Übertragung: Wie alle Rebviren werden auch die Erreger der Blattrollkrankheit durch Pfropfung übertragen. Daneben aber – und das ist für eine Feldausbreitung von enormer Bedeutung
– können fast alle bisher bekannten Blattrollviren durch verschiedene Schildlausarten im Bestand übertragen werden. Bisher ist man davon ausgegangen, dass diese Art der Übertragung
für die deutschen Weinbaugebiete keine Rolle spielt. Erste Untersuchungen ergaben, dass in
einigen Anlagen, in denen eine Zunahme rollkranker Stöcke beobachtet wurde, Schildlausarten, wie z.B. die Ahornschmierlaus Phenacoccus aceris vorkommen, die nachgewiesenermaßen GLRaV-1 und -3 übertragen kann. Hingegen deuten keinerlei Beobachtungen weltweit
daraufhin, dass noch andere tierische Überträger bei der Übertragung der Blattrollkrankheit
eine Rolle spielen könnten.
Schildläuse sind Insekten und werden systematisch gesehen in die Ordnung der Pflanzenläuse gestellt. Die im Weinbau relevanten Schildlaus-Arten gehören zu den Familien der
Schmierläuse, auch Wollläuse genannt, (Pseudococcidae) und Napfschildläuse (Coccidae).
Angehörige beider Familien unterscheiden sich sowohl in der Morphologie als auch in der Biologie der Tiere. Schildläuse sind polyphag, sie ernähren sich von Pflanzensaft der verschiedensten Pflanzen und gelten deshalb als Schädlinge. Schildläuse wurden bisher im deutschen Weinbau als Gelegenheitsschädlinge und Schwächeparasiten angesehen.
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Biologie der Schildläuse: Die verschiedenen im Weinbau vorkommenden Arten haben unterschiedliche Überwinterungsstrategien entwickelt, überwintern aber alle auf Rebholz. Die
Gespinste sind nicht immer leicht zu finden und können mit denen anderer Tiere verwechselt
werden. Die ausgewachsenen Weibchen entwickeln entweder eine Art Schutzschild, unter
dem die Eiablage stattfindet (zum Beispiel bei der Kleinen Rebenschildlaus Parthenolecanium
corni), oder produzieren Wachsabdeckungen, die Eier werden dann
in Eisäcken abgelegt (zum Beispiel
bei Phenacoccus aceris, Abb. 2).
Da der komplette Entwicklungszyklus auf der Rebe stattfinden kann,
treten bei entsprechenden Populationsdichten Saugschäden auf, die
sich in Form von Kümmerwuchs
zeigen können. Die zuckerhaltigen
Ausscheidungen der Tiere („Honigtau“) bieten Rußtaupilzen eine gute
Nahrungsgrundlage.
Abbildung 2: überwinternde Stadien der AhronSchmierlaus Phenacoccus aceris unter der Rebborke
(Foto: U. Hetterling, DLR Rheinpfalz)
Risiko der Virusübertragung durch Schildläuse: Einige Schildlausarten haben zusätzlich
ein großes Schadpotential durch ihre Fähigkeit zur Übertragung verschiedener Blattrollviren.
Frisch geschlüpfte Schildlauslarven sind noch nicht infektiös, sie infizieren sich erst, wenn sie
an viruskranken Reben saugen. Um infektiös zu bleiben, müssen sich alle Entwicklungsstadien immer wieder neu an viruskranken Reben infizieren. Manche Schildlausarten gehen mit
Ameisen eine Symbiose ein, so dass Ameisen auf Reben auf einen Schildlausbefall hindeuten
können.
Bei den Napfschildläusen geschieht die Ausbreitung nach Hoffmann (2002) fast ausschließlich im ersten Larvenstadium. In diesem Stadium haben die Tiere noch nicht gesaugt, sie können deshalb noch keine Viren aufgenommen haben und diese damit auch nicht verbreiten.
Die Schmierläuse hingegen sind bis zur Eiablage sehr aktiv, sie wandern umher und suchen
sich ständig neue Plätze zur Nahrungsaufnahme. Sie sind damit prädestiniert in einer blattrollkranken Anlage die Krankheit auf bisher noch gesunde Reben zu übertragen. Wie schnell die
Ausbreitung vonstattengehen kann, zeigten französische Untersuchungen in Burgund (Le Maguet et al., 2009): innerhalb von 4 Jahren stieg die Zahl blattrollkranker Reben in einer Spätburgunder-Anlage beim gleichzeitigen Vorkommen der Ahornschmierlaus Phenacoccus aceris
von anfänglich 5 % um das zehnfache auf 50 %!
Das Risiko einer Virusübertragung ist nicht per se vorhanden, sondern natürlich nur beim
gleichzeitigen Vorkommen von blattrollkranken Reben und Schildläusen.
Ausbreitung der Schildläuse: Weibliche Schildläuse sind größer als die männlichen und flügellos. Dadurch bleibt ihnen als einzige Möglichkeit nur ihre Lauffähigkeit, um sich in einem
Areal aktiv auszubreiten. Schildlausmännchen können zwar geflügelt sein, aber für die Ausbreitung der Arten hat ihre Flugfähigkeit praktisch keine Bedeutung.
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Der passiven Ausbreitung hingegen kommt bei den meisten Arten eine weitaus größere Rolle
zu. Die kleinen und leichten Erstlarven können durch Luftbewegungen wie dem Wind über
weite Entfernungen, wahrscheinlich einige Kilometer oder mehr, transportiert werden (Schmutterer, 2008). Auch Laubarbeiten und Arbeitsgeräte können mit zu einer Verschleppung der
Schildläuse beitragen (Hoffmann, 2002).
Bekämpfung von Krankheit und Überträger: Eine Bekämpfung von Viruskrankheiten in
kranken Rebbeständen ist nicht möglich, daher müssen infizierte Reben durch die Virustestung im Rahmen der Gesundheitsselektion von der Vermehrung ausgeschlossen und aus dem
Bestand entfernt werden. Bei der visuellen Selektion ist zu beachten, dass die Symptome der
Blattrollkrankheit in Abhängigkeit von der Rebsorte nicht vor Anfang bis Mitte August im Bestand auftreten, gegen Ende der Vegetationsperiode werden die Symptome immer deutlicher.
Hier ist neben Züchtern und Rebveredler auch die Rebenanerkennung gefordert, die Begehung der Vermehrungsanlagen darf nicht zu früh durchgeführt werden!
Zur direkten Bekämpfung von Schildläusen ist derzeit im deutschen Weinbau nur das Insektizid Confidor WG70 mit dem Wirkstoff Imidacloprid zugelassen. Dieses Mittel ist zwar raubmilbenschonend, aber bienengefährlich und darf deshalb erst nach der Blüte eingesetzt werden.
Schildläuse haben eine Reihe von natürlichen Feinden, die ihrer Vermehrung und damit auch
ihre Ausbreitung Einhalt gebieten können. Neben Räubern wie Wanzen, Raubmilben und Marienkäfern sind hier auch Parasitoide wie die kleinen, zwischen 1 und 2 mm großen Erzwespen
zu nennen. Es sollte deshalb durch einen umweltschonenden Pflanzenschutz darauf geachtet
werden, diese Gegenspieler zu schonen.
Fazit:
Sowohl der Blattrollkrankheit als auch den Schildläusen wird in Zukunft mehr Aufmerksamkeit
gewidmet werden müssen. Speziell in Vermehrungsanlagen und den daran angrenzenden
Weinbergen sollte verstärkt auf das Vorkommen von Schildläusen geachtet werden. Bei der
Planung von neuen Vermehrungsanlagen könnte in Zukunft auch die Gesundheit der angrenzenden Weinberge eine größere Rolle spielen wie bisher. Der Weinbau steht damit vor einer
weiteren Herausforderung.
Literatur:
Hoffmann, C., 2002: Schildläuse im Weinbau und ihre Antagonisten, Dissertation Universität
Karlsruhe, 164 Seiten
Le Maguet, J. et al, 2009: Monitoring of Grapevine leafroll-associated Virus 1 (GLRaV-1) dispersion by the mealybug Phenacoccus aceris, 16th Meet. ICVG, Dijon, extended abstract, 283284
Scheu, G. 1935: Die Rollkrankheit des Rebstockes. Der Deutsche Weinbau, 14, 222-223
Schmutterer, H., 2008: Die Schildläuse und ihre natürlichen Antagonisten, Pflanzensaugende
Insekten - Band 4, Neue Brehm Bücherei Bd. 666
Stellwaag, F., 1928: Die Weinbauinsekten der Kulturländer, Verlagsbuchhandlung Paul Parey
Weitere Fragen? Dr. Ulrike Ipach, Tel. 0 63 21/6 71-3 34, [email protected]
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