Wenn der Durchfall nicht zu stoppen ist…

GESUNDHEIT
R I N D
Wenn der Durchfall nicht
zu stoppen ist…
Kryptosporidien lassen neugeborene Kälber oft an starkem Durchfall
sterben. Prof. Dr. Kurt Pfister* erläutert, wie Sie vorbeugen können.
Wenn neu geborene
Kälber an starkem
Durchfall erkranken,
sind oft Kryptosporidien mit im Spiel.
Fotos: agrar-press,
Pfister
I
mmer mehr Betriebsleiter beklagen, dass
die neugeborenen Kälber
bereits in der ersten Lebenswoche an starkem, unstillbarem Durchfall erkranken. Der gelb-grünliche und wässrige Kot riecht
faulig, die Kälber verlieren
rasch an Gewicht. Sie sind
matt, apathisch und trocknen rasch hochgradig aus.
Die Sterberate bei
schwerwiegend erkrankten
Kälbern ist hoch und erreicht in stark verseuchten
Beständen 50 Prozent und
mehr. Das Problem ist, dass die üblicherweise bei Kälberdurchfällen verabreichten Medikamente meistens ohne erkennbare Wirkung bleiben.
Neuer Erreger?
In diesen Fällen sind vielfach Kryptosporidien mit im Spiel. Das sind winzig
kleine, einzellige Darmparasiten, die sich
in verschiedenen Abschnitten des Dünn*) Institut für vergleichende Tropenmedizin und Parasitologie, Ludwig Maximilian-Universität München.
R 18 top agrar 6/2002
und Dickdarmes zahlreicher Tiere aufhalten und entwickeln.
Aus Untersuchungen geht hervor, dass
bei bis zu 30 Prozent der NeugeborenenDurchfällen Kryptosporidien beteiligt sind.
In Beständen mit seuchenhaftem Vorkommen sind nicht selten bis zu 100 Prozent der
Kälber eines Bestands befallen.
Bei Säugetieren kommen zwei verschiedene Kryptosporidien-Arten vor,
von denen die Art Kryptosporidium parvum als krankmachender Erreger gilt.
Diese ist auch vom Tier auf den Menschen übertragbar. Beim Menschen kann
sie insbesondere bei geschädigter körpereigener Immunabwehr zu schwer-
wiegenden Magen-Darm-Erkrankungen
führen.
Hohe Ansteckungsgefahr
Die Kryptosporodiose ist äußerst ansteckend. Die Kälber nehmen die Erreger bereits häufig in den ersten Lebensstunden auf, durch Lecken, Saugen oder
Beschnuppern der Umgebung in einem
bereits verseuchten Stall. Vielfach stammen die Erreger von älteren Kälbern
oder Kühen, die diese ausscheiden. Oft
ist der Stall aber auch noch von einer früheren Infektion her verseucht.
Die Parasiten haften sich zunächst
GESUNDHEIT
R I N D
Übersicht 1: Lebenszyklus von Kryptosporidien
Behandlung
und Vorbeuge
Aufnahme
(= Infektion)
durch Lecken,
etc. (kotverschmierte
Umgebung)
Ausscheidung
mit dem Kot
Infektiöse Stadien
(= Kryptosporidien
im Kot)
Das neu geborene Kalb nimmt den Parasiten z. B. durch Lecken auf, der sich anschließend im Darm des Tieres anheftet und vermehrt. Nach 3 Tagen scheidet das
Kalb die Erreger mit dem Kot aus, es kommt zu einer Verseuchung der Umgebung.
im hinteren Teil des Dünndarmes an
der Darmschleimhaut an. Nachfolgend
kommt es rasch zu einer Vermehrung im
Darm, in kürzester Zeit sogar zu einem
massiven Befall des gesamten Dünndarmes. Die Vermehrung der Parasiten in
den Darmschleimhautzellen führt zu einer massiven Schädigung und Zerstörung
der betroffenen Darmabschnitte. Kurz
darauf scheiden die Tiere dann neu gebildete infektiöse Erreger über den Kot aus.
Die gesamte Entwicklungs- und Vermehrungsphase im Kalb dauert etwa drei
Tage, so dass ab dem dritten Tage nach
der ersten Infektion bereits infektiöse
Erreger, sogenannte Oozysten, im Kot
der Kälber nachgewiesen werden können. Tiere, die sich unmittelbar nach der
Geburt angestecken, erkranken deshalb
oft bereits schon am dritten Lebenstag an
Durchfall. Deutlich erkennbare Infektionen treten jedoch vorwiegend ab dem
fünften Tag auf, bis etwa zum Ende der
dritten Lebenswoche.
In diesem Zeitraum ist das körpereigene Abwehrsystem der Neugeborenen
noch nicht funktionsfähig genug, die jungen Tiere sind deshalb hochempfänglich
für diese Parasiten. Die Erreger können
sich weitgehend ungestört und intensiv
vermehren, so dass es zu einer heftigen Erreger-Ausscheidung kommt. Das
wiederum führt zu einer massiven Verseuchung der Umgebung (Kälberboxen,
Stall), so dass später geborene Kälber
sich ebenfalls anstecken können.
Hinzu kommt, dass auch ältere infizierte Rinder und Kühe Kryptosporidien
fortwährend ausscheiden, ohne selbst an
R 20 top agrar 6/2002
eine unumgängliche Voraussetzung für
eine angepasste Behandlung, als auch für
die Einleitung gezielter Vorbeugemaßnahmen.
Durchfall zu erkranken. Es kann davon
ausgegangen werden, dass durchschnittlich etwa acht bis zehn Prozent der Kühe
und Rinder von den Parasiten befallen
sind, ohne dass sie krankheitsbedingt
auffallen.
Tritt eine Kryptosporidien-Infektion
gleichzeitig mit einer anderen Infektionserregern wie E. coli, Salmonellen,
Corona- oder Rotaviren auf, verschlimmert sich in der Regel das Krankheitsgeschehen erheblich.
Wie Infektion erkennen?
Das Krankheitsbild ist meist nicht
eindeutig genug, um einen Rückschluss
auf eine Kryptosporidien-Infektion machen zu können: Einerseits sind die
Krankheitserscheinungen nicht spezifisch für die Kryptosporidien, andererseits treten Kryptosporidien oft gleichzeitig mit anderen Krankheitserregern
auf. Solche Mischinfektionen können anhand ihres Erscheinungsbilds nie genau
unterschieden werden.
Der Nachweis auf Kryptosporidien
kann nur im Labor erfolgen, das auf parasitologische Untersuchungen ausgerichteten ist. Die Erreger werden dort in
den möglichst frisch eingesandten Kotproben nachgewiesen. Am sinnvollsten
ist es, von mehreren Kälbern je eine Kotprobe zu entnehmen. Das Volumen eines
Kaffeelöffels ist bereits ausreichend.
Bei einer seuchenhaft verlaufenden
Durchfallerkrankung sollte deshalb bei
Kälbern ein Erreger-Nachweis im Labor
durchgeführt werden! Dies ist zum einen
Ein vorbeugender Schutz gegen Kryptosporidien durch Mutterschutzimpfungen ist, im Gegensatz zu Rota-/Coronaviren oder Coli-Keimen, nicht möglich.
Zur medikamentellen Bekämpfung ist
derzeit in der EU nur der Wirkstoff Halofuginon (Halocur von Intervet) zugelassen.
Verschiedene Untersuchungen haben
jedoch gezeigt, dass eine Behandlung
nicht zu einer vollständigen Tilgung der
Infektion führt, sondern dass sich nur die
Ausscheidung der Parasiten und das
Durchfallgeschehen verringert. Zu beachten ist außerdem, dass diese Substanz
sehr genau dosiert werden muss, da es bei
Überdosierung zu schweren toxischen
Schädigungen (Vergiftungen) kommen
kann.
Beim Auftreten einer Kryptosporidien-Infektion sollte deshalb grundsätzlich immer eine zweistufige Bekämpfung
durchgeführt werden. Neben der medikamentellen Behandlung müssen vorbeugend die folgenden stallhygienischen
Maßnahmen durchgeführt werden:
■ Abkalbeboxen regelmäßig reinigen
und desinfizieren.
■ Bei nachweislicher Herkunft der Infektion von Kühen, das Kalb unmittelbar
nach der Geburt von der Kuh trennen.
■ Fütterung von Kolostrum, das Immunglobuline gegen Kryptosporidien
enthält.
■ Prophylaxe-Behandlung gegen Durchfall-Erreger (Immunglobulinpräparate,
Mutterschutzimpfung der Kühe).
■ Aufzucht der Kälber während der ersten drei Lebenswochen möglichst in Kälberboxen (Tierkontakt unterbinden!)
■ Aufstallung der Kälber in Gruppen
nach dem Rein-Raus-Verfahren.
■ Sorgfältige Reinigung und Desinfektion der Kälberanlagen vor jeder Neubelegung mit einem Dampfstrahler (mind.
130 kg/cm3). Anschließend die Iglus bzw.
den Stall ausreichend lange trocknen lassen, da die Erreger bei Feuchtigkeit sehr
lange überleben (bei 20° C bis zu 4 Monaten).
■ Erkrankte Kälber sofort separieren
und in einem anderen Gebäude unterbringen.
■ Immer zuerst gesunde Kälber betreuen! Stiefel- und Kleider müssen nach
Kontakt mit kranken Kälbern gewechselt werden!
■ Tägliche Reinigung und Sterilisation
der für Fütterung und Betreuung benötigten Geräte.