Reformkongress am 16. Januar 2016 in Cottbus Bericht aus der Arbeitsgruppe A „Funktionalreform – die Neuverteilung der Aufgaben und die bürgernahe Verwaltung“ Impulsreferat: Prof. Dr. Jörg Bogumil Lehrstuhl für Öffentliche Verwaltung, Stadt- und Regionalpolitik an der Ruhr-Universität Bochum Moderatorin: Marina Ringel Zusammenfassung der Diskussion aus der Arbeitsgruppe Allgemeine Ausführungen/Verfahrensfragen Das Impulsreferat wurde ohne begleitende PowerPoint-Präsentation von Prof. Dr. Bogumil vorgetragen. Der inhaltlichen Diskussion ging zunächst eine kontroverse Erörterung über die Ausrichtung bzw. des Arbeitsauftrages der Arbeitsgruppe voraus. Aus dem Auditorium wurde gleich zu Beginn die Forderung erhoben, zu den einzelnen Aufgaben, die nach dem Leitbildentwurf kommunalisiert werden sollen, eine Positionierung bzw. einen Vorschlag der Landesregierung mitzuteilen, insbesondere welche Kosten damit verbunden sind. Andere Redner äußerten ihren Unmut darüber, dass kein Vertreter der Landesregierung auf dem Podium sei. Weitere Redner schlossen sich dem an und betonten, dass sie mit einer anderen Erwartungshaltung nach Cottbus gekommen seien und sich insoweit enttäuscht sähen bzw. unter diesen Voraussetzungen erst gar nicht an dem Kongress teilgenommen hätten. Demgegenüber stand der Hinweis sowohl der Moderatorin als auch des Referenten, dass diese nicht die Landesregierung verträten und insofern nicht für diese sprechen könnten. Die Fragen insbesondere zu Personal und Kosten der für eine Kommunalisierung in Frage kommenden Aufgaben könnten daher nicht beantwortet werden. Es ginge nach deren Ansicht vielmehr um eine Ergebnisauswertung der auf den Leitbildkonferenzen zu den einzelnen Aufgaben aufgeworfenen Argumente/Ausführungen. Nachdem die Moderatorin zusicherte, diesen Unmut auch bei der Zusammenfassung im Plenum deutlich anzusprechen, sprach sich die Mehrheit der Teilnehmer nach einer Abstimmung für die Fortsetzung der Diskussion mit dem Referenten aus. Hierzu schlug Prof. Dr. Bogumil vor, die wesentlichen und streitbefangenen Aufgabenblöcke aus der Anlage 2 zum Leitbildentwurf aufzurufen. Diese seien nach seiner Ansicht das LASV, Forst und der Immissionsschutz sowie die Flurneuordnung. Letztere wurde dann aber aus Zeitgründen nicht mehr erörtert. Außerdem sollte die Funktionalreform II Gegenstand der Diskussion sein. Es wurde vorgeschlagen, dass der Referent jeweils kurz in das Thema einführt und dann von ihm Fragen beantwortet werden. LASV 1. Aussagen aus dem Auditorium: Fast alle Redebeiträge setzten sich kritisch mit einer Kommunalisierung der Aufgaben des LASV auseinander. Einig waren sich die meisten Redner darin, dass die Aufgaben der Landesoberbehörde nur zusammen betrachtet werden müssten, sei es im Falle einer Kommunalisierung oder – hierzu gab es mehrere Redebeiträge – im Falle der Errichtung eines Kommunalen Sozialverbandes. Es wurde zunächst darauf hingewiesen, dass es im Bereich der Sozial- und Versorgungsverwaltung in der Vergangenheit mit der Übertragung der Eingliederungshilfe 2007 zu einer Kommunalisierung gekommen ist, diese sich aber nicht durchgehend bewährt habe. Gleiches sei bei der Übertragung des derzeit noch vorhandenen Aufgabenbestandes des LASV zu erwarten. Darüber hinaus sei eine Verteilung der Aufgaben, insbesondere des derzeit die Aufgaben wahrnehmenden Personals auf die Landkreise nicht möglich. Ferner sei ein einheitlicher Vollzug der Aufgaben nach einer Übertragung bzw. Dezentralisierung der Aufgaben auf die dann vorhandenen Landkreise nicht mehr gewährleistet. Das LASV sei derzeit organisatorisch optimal mit der dargestellten Front- und Backoffice-Lösung, z. B. bei den Schwerbehindertenfeststellungsverfahren aufgestellt. Insoweit würde bereits eine bürgernahe Verwaltung in Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vorliegen. Mit dem LASV gebe es einen einheitlichen zentralen Ansprechpartner für das Land. Bei einer Übertragung der Aufgaben auf die Landkreise würden nicht nur höhere Kosten verursacht, sondern es entstünde auch für die diversen Verbände im Land hinsichtlich ihrer Beratungstätigkeit ein Mehraufwand, der so nicht gerechtfertigt sei. Von mehreren Rednern wurde alternativ zum Erhalt des LASV auch das Modell eines Kommunalen Sozialverbandes ins Spiel gebracht, der aufgrund spezialgesetzlicher Regelung errichtet werden würde. Im Zusammenhang mit einer Kommunalisierung der Aufgaben des LASV wurden auch Fragen nach dem Standort Cottbus und mit Blick auf die Einkreisung ganz allgemein der Zusammenhang zwischen einer hohen Verschuldung von Cottbus einerseits und der Einkreisung aus diesem Grund andererseits gestellt. 2. Feststellungen Prof. Dr. Bogumil: Bei den Aufgaben des LASV stelle sich die grundsätzliche Frage nach getrennter (dezentraler) oder einheitlicher (zentraler) Wahrnehmung der Aufgaben. Grundsätzlich seien beide Arten vorstellbar; dies Seite 2 von 6 sei wesentlich abhängig von der jeweiligen Aufgabe. Da das LASV einen ganzen Kanon unterschiedlicher Aufgaben wahrnehme, sei hier eine pauschalierende Aussage nur schwer bis gar nicht möglich und von Aufgabe zu Aufgabe differenziert zu beurteilen. So bleibe er bei seiner in seinem Gutachten 2012 getroffenen Aussage, dass z. B. die Aufgaben nach dem Schwerbehindertenrecht unter gewissen Voraussetzungen grundsätzlich kommunalisierbar seien. Dass dies möglicherweise mit Mehrkosten verbunden sei, sei zwar nicht von der Hand zu weisen, aber Funktionalreform sei eben „nicht kostenneutral“. Auch müsse man die Ziele der Verwaltungsstrukturreform und den o. g. Zusammenhang zwischen Funktional- und Gebietsreform im Blick behalten, es gehe ja um die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung. Falls es nicht zu einer Kommunalisierung käme, käme alternativ auch das Modell eines höheren Kommunalverbandes (vergleichbar in den Ländern Sachsen und Nordrhein-Westfalen) in Frage und würde jedenfalls dem in Brandenburg vorhandenen zweistufigen Verwaltungsaufbau nicht widersprechen. Im Ergebnis sei die Übertagung der Aufgaben und wenn ja, in Rahmen welcher Rechtsform diese dann wahrgenommen werden, aber politisch zu entscheiden. Forstliche Aufgaben 1. Aussagen aus dem Auditorium: Grundsätzlich sei eine pauschalierende Aussage zu der Möglichkeit der Übertragung der Aufgaben aus dem Bereich Forst nicht möglich. Vielmehr sei eine Differenzierung im Bereich Gemeinwohl und Hoheit notwendig. Grundsätzlich sei es aber nicht ausgeschlossen, dass sich aus diesen beiden Bereichen (Einzel)Aufgaben finden, die auf die Landkreise, kreisfreien Städte bzw. auch unmittelbar auf die Gemeinden übertragen werden könnten. Jedoch muss dabei immer bedacht werden, dass in allen Bereichen des LFB hochspezialisierte Fachleute tätig seien, die nicht einfach auf alle kommunalen Aufgabenträger verteilt werden könnten. Zum Beispiel das Landeskompetenzzentrum Forst in Eberswalde (LFE) nehme mit einigen wenigen Spezialisten Aufgaben für den Gesamtwald wahr. Würden diese Aufgaben verteilt, stünde gar nicht genug Fachpersonal zur Verfügung, diese gleichmäßig auf alle Landkreise verteilen zu können. Die erhofften Synergieeffekte können und werden sich nicht einstellen, da die Aufgaben bereits derzeit zentral für das Land und damit am wirtschaftlichsten wahrgenommen werden würden. Außerdem wurde der Vergleich mit anderen Bundesländern und der dortigen Organisation des Bereiches Forst bemängelt, das Brandenburg im Vergleich zu anderen Bundesländern über die größte Waldfläche verfügen würde. 2. Feststellungen Prof. Dr. Bogumil: Seite 3 von 6 Bei den Aufgabenblöcken sei eine Pauschalierung in der Tat nicht mehr möglich. Unter bestimmten Bedingungen sei die Kommunalisierung einiger (Teil)Aufgaben aber durchaus vorstellbar. Anknüpfungspunkte hierfür bestünden insbesondere in den Landkreisen und aus der vergleichenden Entwicklung in anderen Bundesländern. Darüber hinaus sei allerdings auch eine umfassende Aufgabenkritik erforderlich. So nehme seiner Ansicht nach im Land Brandenburg der LFB nach dem Waldgesetz Aufgaben wahr, die in keinem anderen Bundesland zumindest dem Umfang nach im Vergleich wahrgenommen werden würden (Anm.: Gemeint seien dürften vermutlich die Waldpädagogik und der kostenlose Rat sowie die Anleitung von Waldbesitzern). Seiner Ansicht nach bestünde hier erhebliches Einsparpotential. Im Ergebnis dessen sei das Personal des LFB zu anderen Bundesländern im Bereich Forst „überdimensioniert“. Die Behauptung, der Personalkörper des LFB sei überdimensioniert, wurde vom Auditorium – insbesondere Vertretern des LFB, IGBAU und BDF sowie dem Abgeordneten Roick – entschieden zurückgewiesen. Immissionsschutz 1. Aussagen aus dem Auditorium: Auch im Bereich des Immissionsschutzes sei jede (Teil)Aufgabe einzeln zu betrachten und hinsichtlich ihrer Übertragbarkeit einzeln zu bewerten. Übertragen werden könnten grundsätzlich z. B. die nicht genehmigungspflichtigen Anlagen. Wichtig bei der Frage der Übertragung sei darüber hinaus auch, dass nicht nur die Zuständigkeit für Genehmigungen bei genehmigungspflichtigen Anlagen, sondern damit auch die Zuständigkeit für die Überwachung übertragen werden müsse. Im Umweltamt, bei dem derzeit der Großteil der in Rede stehenden Aufgaben wahrgenommen wird, seien entsprechende Spezialisten mit der Aufgabenwahrnehmung betraut. Es dürfte dabei schwierig werden, wenn diese zusammen bzw. anteilig auf die Landkreise übertragen werden müssten. Sofern eine Übertragung der Aufgaben erfolge, müssten die Landkreise personell ausreichend ausgestattet werden. Das Umweltamt sei in weiten Bereichen der Aufgabenwahrnehmung bereits jetzt nicht ausreichend personell aufgestellt. 2. Feststellungen Prof. Dr. Bogumil: Eine Übertragung der Aufgaben im Bereich Immissionsschutz komme im Grunde genommen nur bei einem Modell mit wenigen Landkreisen in Betracht. Grundsätzlich sei die Aufgabenübertragung als problematisch anzusehen. Genehmigung und Überwachung müssten bei den Landkreisen angesiedelt werden. Es darf nicht zu einem Auseinanderfallen der Zuständigkeiten kommen. Die Übertragung des Seite 4 von 6 Bereiches der Windkraftanlagen sei gesondert zu betrachten und im Ergebnis vorstellbar. Ob dies jedoch zweckmäßig sei, sei fraglich. Naturparke Dieser Punkt wurde nur kurz angesprochen. Es wurde geäußert, dass es sich dabei um eine freiwillige Aufgabe handele und damit eine Übertragung vom Land auf die Landkreise nicht möglich sei. Funktionalreform II 1. Aussagen aus dem Auditorium: Grundsätzlich sei auch hier eine differenzierte Aufgabenbetrachtung erforderlich. Die Aussage im Leitbildentwurf, dass eine Übertragung der Aufgaben auf die Gemeinden erst ab einer Einwohnergröße von 10.000 Einwohnern erfolgen solle, wurde insbesondere seitens des Städte- und Gemeindebundes vehement abgelehnt. Es sei vielmehr von einer Allzuständigkeit der Gemeinden auszugehen und im Übrigen müsse der Grundsatz der Subsidiarität gelten. Damit sei ein Großteil der Aufgaben bei den Gemeinden zu verorten und nicht bei den Landkreisen. Es sei schon ein merkwürdiges Ergebnis, dass die Landkreise offensichtlich alles könnten und die Gemeinden keine kreislichen Aufgaben in größerem Umfang übertragen bekämen. Die Ausfinanzierung der derzeit durch die Kommunen wahrgenommenen Aufgaben sei darüber hinaus vielfach auch nicht gegeben. Hierauf müsse aber genau im weiteren Prozess geachtet werden. Die Verwaltungsgröße an sich sei zwar ein wichtiger aber nicht der ausschlaggebende Punkt. Letztlich sei die Liste Funktionalreform II in der Anlage 2 zum Leitbildentwurf nicht ausreichend. Der Städte- und Gemeindebund habe entsprechende Vorschläge zur Erweiterung der Liste unterbreitet. Diese Aufgaben finden sich im Ergebnis kaum in der Liste wieder. Letztlich wurden auch die Aufgaben des Standarderprobungsgesetzes angesprochen, die auf die Gemeinden dauerhaft übertragen werden könnten. 2. Feststellungen Prof. Dr. Bogumil: Prof. Dr. Bogumil sprach sich grundsätzlich für einen Nachsteuerungsbedarf bei der Ausgestaltung der Liste der Aufgaben zur Funktionalreform II aus. Eine pauschale Festlegung der Größe der Verwaltungseinheit, ab der die Aufgaben übertragen werden sollen, sehe er kritisch. Vielmehr sollten unterschiedliche Größenklassen gebildet werden, auf die dann jeweils abgestuft Aufgaben übertragen werden sollten. Allerdings müsse auch berücksichtigt werden, dass mit einer bestimmten Einwohnergröße auch Seite 5 von 6 eine Reduzierung der Anzahl der hauptamtlichen Verwaltung - anders als 2003 - verbunden wäre, was durchaus positiv sei. Gesamtergebnis Grundsätzlich wird eine Auswertung des Dialoges auch bezogen auf die Aufgaben hinsichtlich der einzelnen Stellungnahmen empfohlen. Seite 6 von 6
© Copyright 2024 ExpyDoc