Mangelware Deutschlehrer

Donnerstag, 3. Dezember 2015, Nr. 279
LERNEN 27
DIE BEILAGE FÜR SCHULE, HOCHSCHULE UND WEITERBILDUNG
Schulen
&
te
Interna
Gute Startposition
für Berufseinstieg
Als Lehrer mit Flüchtlingen arbeiten, wäre das eine Option für mich? Für Seiteneinsteiger, die diese Frage bejahen, tun sich neue Möglichkeiten auf. Doch es fehlt nicht nur an Pädagogen, die in Eingliederungsklassen Migranten unterrichten, sondern auch an Personal, das Lehrer speziell für solche Klassen ausbildet oder nachqualifiziert.
FOTO: WALTRAUD GRUBITZSCH/PICTURE ALLIANCE/DPA
Mangelware
Deutschlehrer
von sabine grüneberg
ranziska Stahlmeier ist aufgeregt,
die 36-Jährige wartet auf ihr Bewerbungsgespräch im Berliner Bezirk
Charlottenburg, wo derzeit künftige Lehrer für Willkommensklassen gecastet werden. Stahlmeier ist Deutschlehrerin – allerdings für Deutsch als Fremdsprache (DaF).
Das heißt: Sie unterrichtet nicht an einer
staatlichen Schule, sondern an Volkshochschulen oder privaten Sprachschulen, die
ausländischen Sprachschülern in Kursen
von zwei bis acht Wochen die deutsche
Sprache näherbringen. Durch die Flüchtlingskrise eröffnen sich Stahlmeier neue
Möglichkeiten.
Knapp 100 000 Kinder und Jugendliche
im schulpflichtigen Alter sind nach einer
repräsentativen Studie im Jahr 2014 aus
dem Ausland nach Deutschland zugewandert. „In 2015 kommen schätzungsweise
noch einmal doppelt so viele hinzu“,
schätzt Professor Michael Becker-Mrotzek, Direktor des Mercator-Instituts für
Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache. Das in Köln ansässige Institut hat
für die Studie gemeinsam mit dem Zentrum für LehrerInnenbildung an der Universität Köln erstmals einen bundesweiten
Überblick über die schulische Situation
neu zugewanderter Kinder und Jugendlicher recherchiert. Gegenüber 2006 hat
sich die Zahl 2014 vervierfacht, und sie
wächst weiter. „Diese Schnelligkeit stellt
Schulen vor große Herausforderungen.“
Der Philologenverband geht von 25 000
Lehrkräften aus, die man bräuchte, um die
bereits in Deutschland befindlichen Flüchtlingskinder an Schulen zu betreuen und zu
unterrichten – und von circa 10 000 Lehrern zusätzlich pro Jahr. Die Gewerkschaft
Erziehung und Bildung spricht gar von
38 000 Erziehern und Lehrern, die für eine
schnelle Integration durch Spracherwerb
und Bildung vonnöten wären.
Menschen wie Stahlmeier, die wissen,
wie man Schülern aus einem anderen
Sprachkreis das „ch“ und das „ck“ beibringt. Oder wie man den Übergang von
der arabischen Schrift in lateinische Buchstaben meistert und wie man Brücken
baut zwischen bereits erworbener Sprache
und dem Deutschlernen. Das Problem:
DaF-Lehrer sind rar. Die gut 40 DaF/DaZ-
Händeringend suchen die Kultusminister nach Lehrern für
Flüchtlingsklassen. Für Absolventen, die „Deutsch als Fremdsprache“
studiert haben, könnte das eine neue Chance bedeuten
F
Studiengänge (Deutsch als Fremdsprache/Deutsch als Zweitsprache) an deutschen Universitäten generieren nach Schätzungen des Fachverbands Deutsch als
Fremd- und Zweisprache (FaDaF) jährlich
nur etwa 750 Absolventen, die danach im
deutschen Inland unterrichten. Doch von
diesen wandert nach Aussage des Vorsitzenden Matthias Jung „etwa ein Drittel
nach zwei bis drei Jahren wieder ab und
sucht sich andere Betätigungsfelder“. Er
wird fast ein bisschen ungehalten, wenn
man ihn nach dem Grund dafür fragt: „Jah-
Geringe Anerkennung, schlechte
Bezahlung: Als DaF-Lehrer zu
arbeiten, war bislang hartes Brot
relang führte DaF/DaZ ein Schattendasein, obwohl es offensichtlich ist, wie wichtig die sprachliche Erstintegration von Migranten für unsere Gesellschaft ist.“ Die
Lehren aus den Gastarbeiterwellen der
Sechzigerjahre und der Zuwanderung
durch die Balkankriege seien in Vergessenheit geraten. „DaF-Lehrer arbeiten derzeit
unter kaum zumutbaren Arbeitsbedingungen, ihre Perspektiven sind frustrierend, eine Anerkennung im öffentlichen Schuldienst ist nicht gegeben, weil es immer
noch kein Staatsexamen für das Fach gibt.“
Jung wundert es nicht, dass viele Lehrer da
das Handtuch werfen.
Auch Franziska Stahlmeier hat sich das
schon überlegt. In manchen Monaten
kommt sie kaum über den Hartz-IV-Satz.
Sie schlägt sich seit Jahren mit Honorarverträgen durch, alles auf selbständiger Basis,
Festanstellungen gibt es kaum. Ihr Stundenlohn: 15 Euro im Durchschnitt. Also maximal 1500 Euro pro Monat bei einer Vollzeitstelle. Vor Steuern. Ohne Beitrag zur
Krankenkasse. Ohne Fortzahlung im
Krankheitsfall. Ohne Garantie auf Weiterbeschäftigung, wenn der Kurs endet. Ohne
Urlaub und ohne Rentenversicherung, die
kann sie sich nicht leisten. „Dabei hab’ ich
vier Jahre studiert“, sagt sie kopfschüttelnd. „Hätte ich gewusst, wie prekär die Situation für DaF-Lehrer hinterher ist, hätte
ich mich auf ein anderes Fach konzentriert. Wenn die Arbeit mit den Schülern
nicht so viel Spaß machen würde, wäre es
gescheiter, mich arbeitslos zu melden.“
Doch nun soll sich ja alles ändern. Allein
Berlin hat seit Beginn des Schuljahres im
September mehr als 100 Willkommensklassen für Flüchtlingskinder eingerichtet
und dafür 95 neue Lehrer eingestellt – immer noch zu wenig für die im August prognostizierten 3000 Kinder und Jugendlichen. Mittlerweile ist diese Zahl längst wieder überholt, der Senat geht jetzt von circa
doppelt so vielen Kindern und Jugendlichen aus, die in Willkommensklassen untergebracht werden müssen. Diese Klassen besuchen die Migranten, um Deutsch
zu lernen, einige Monate bis zu eineinhalb
Jahren – je nach persönlichem Fortschritt.
Anschließend wechseln sie in Regelklassen. Am häufigsten werden solche Einführungsklassen an Grundschulen eingerichtet, aber auch an einigen Gymnasien.
Für Flüchtlingsklassen können sich neben DaF-/DaZ-Lehrern nun auch Anwärter mit einem Diplom-, Magister- oder
Masterstudium bewerben, auch Fachhochschulabschlüsse sind zugelassen. Und sogar Lehrer, die keine Muttersprachler sind,
aber sehr gut Deutsch sprechen. „Die Qualität darf dabei natürlich nicht leiden“, erklärt Bildungssenatorin Sandra Scheeres
(SPD). Ihre Not ist groß, denn Scheeres will
ihrem Anspruch gerecht werden, dass jedes Kind von Anfang an sein Recht auf Bildung wahrnehmen kann.
Während in anderen Bundesländern die
Schulpflicht für Flüchtlingskinder hinausgezögert wird und erst nach drei beziehungsweise sechs Monaten einsetzt oder
gar an die Erteilung des Aufenthaltsrechts
SCHULVERBUND MÜNCHEN
gebunden ist, was derzeit dauern kann,
gilt in Berlin und dem Saarland die gesetzliche Schulpflicht für alle Flüchtlingskinder
von Anfang an. Doch auch die anderen Länder wissen: Den Kopf in den Sand stecken
hilft nicht. Bald schon werden die neu zugewanderten Kinder in die Schulen drängen.
Hessen bildet deshalb seit Anfang des
Schuljahres 120 Lehrer in DaF/DaZ weiter,
Nordrhein-Westfalen hat 300 zusätzliche
Stellen geschaffen, Bayern holt pensionierte Lehrer aus dem Ruhestand und qualifiziert nach. Angesichts der genannten Zahlen an benötigten Lehrkräften wird das
kaum reichen.
„Die Schwierigkeit liegt nicht nur darin,
genügend Lehrer zu finden, sondern auch
darin, genügend geeignete DaF-/DaZ-Fortbilder zur Verfügung zu stellen“, erklärt Michael Becker-Mrotzek vom Mercator-Institut. „Wir wissen aus vielen Forschungen,
dass die Lernleistung der Schüler eng mit
der Ausbildungsqualität der Lehrer zusammenhängt.“
Mindeststandards für den
Schulbesuch junger Flüchtlinge
sind noch Wunschdenken
Lehrer aus Regelklassen oder Seiteneinsteiger mal eben nachzuqualifizieren, hält
Becker-Mrotzek aus pädagogischer Sicht
für höchst problematisch, „vor allem bei
dieser Zielgruppe“. Es ist eben ein Unterschied, ob man deutsche Kinder unterrichtet, die in Friedenszeiten aufgewachsen
sind, oder Kinder aus Syrien, die einen Vormittag lang nicht unter dem Tisch hervorkommen, weil draußen ein Flugzeug geflogen ist, Kinder, die womöglich gar nichts
sagen oder still vor sich hinweinen. Mrotzek sieht den Handlungsdruck, hat aber
auch den Eindruck: Statt langfristiger Konzepte und gemeinsamer Verfahren seien
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damit beschäftigt, Willkommensklassen
einzurichten. „Das Thema ist kein Projekt
für eine Taskforce auf Zeit, sondern eine
langfristige Aufgabe. Migrationsbewegungen, wie wir sie gerade erleben, sind ein
wiederkehrendes Phänomen. Gerade deshalb sollten auch Mindeststandards für
den Schulbesuch neu zugewanderter Kinder und Jugendlicher gelten.“
Der Direktor des Mercator-Instituts für
Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache bemängelt, dass Sprachförderung
und Deutsch als Zweitsprache bisher nur
in Nordrhein-Westfalen verpflichtend Teil
des regulären Lehramtsstudiums ist. Nur
etwa die Hälfte der angehenden Deutschlehrer erhält einen Einblick in die Thematik. Bei allen anderen Unterrichtsfächern,
darunter Mathematik, sind es lediglich gut
40 Prozent der angehenden Pädagogen.
Dabei ist es sehr sinnvoll, Mathelehrer für
die Arbeit mit Flüchtlingen zu sensibilisieren. Denn Probleme im Fach Mathematik,
etwa mit Textaufgaben, müssen nicht bedeuten, dass die Schüler mit dem Rechnen
an sich Probleme haben.
Becker-Mrotzek empfiehlt den Bundesländern eine konkrete Verankerung in der
Lehramtsausbildung. Außerdem Regelungen zur Größe der Klassen, zur Erfassung
der Kenntnisse der Schüler und zu deren
Übergang in Regelklassen. In vielen Bundesländern werde noch nicht einmal systematisch erhoben, wie viele neu zugewanderte Kinder und Jugendliche ohne
Deutschkenntnisse tatsächlich an den
Schulen sind. Das macht Planbarkeit
schwierig. Auch FaDaF-Chef Matthias
Jung ist von Euphorie weit entfernt:
„Crashkurse von zweifelhafter Qualität,
fehlende Standards und Zeitverträge sind
keine Perspektive. Wir müssen in Modellen denken, die Hand und Fuß haben.“
Franziska Stahlmeier wünscht sich eine
Festanstellung und vielleicht sogar eine
Verbeamtung – das wäre ein Traum nach
fast zehnjähriger Berufserfahrung. Leider
war sie an diesem Tag nicht eine der drei
Glücklichen, die die Schulleiter in BerlinCharlottenburg auswählten. Aber sie
kommt wie alle Bewerber auf eine Prioritätenliste, so Schulrätin Karin Babbe, und
wird angeschrieben, sobald neue Lerngruppen eröffnet werden. Und das wird
schon sehr bald sein.
Deutschland muss nach Ansicht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) sein Bildungssystem
auf den Zustrom Hunderttausender
Flüchtlinge einstellen. Zwar seien mit
dem deutschen System der Berufsausbildung gute Voraussetzungen gegeben,
die Migranten in den Arbeitsmarkt zu integrieren, sagte der stellvertretende
OECD-Generalsekretär Stefan Kapferer
vor Kurzem bei der Vorstellung des
OECD-Bildungsberichtes 2015. Allerdings komme es jetzt darauf an, diese Basis noch weiter zu stärken und spezielle
Angebote für Flüchtlinge zu schaffen.
Besonders gute Noten stellen die
OECD-Bildungsexperten Deutschland
bei den Bildungsangeboten für Kleinkinder aus. Demnach nahmen im Jahr 2013
92 Prozent der Dreijährigen an Programmen der frühkindlichen Bildung teil,
2005 waren es noch 80 Prozent. Auch bei
den Zweijährigen lag Deutschland 2013
mit einer Betreuungsquote von 59 Prozent deutlich über dem OECD-Durchschnitt von 39 Prozent.
Um ins Berufsleben einzusteigen, finden junge Leute hierzulande vergleichsweise gute Bedingungen vor. Der Anteil
junger Menschen, die im Jahr 2014 keine
Arbeit hatten und an keiner Fortbildung
teilnahmen, war so niedrig wie in kaum
einem anderen OECD-Land (10,1 Prozent der 20- bis 24-Jährigen in Deutschland gegenüber 17,9 Prozent im OECDDurchschnitt).
Allerdings bleibe die Bundesrepublik
bei den Bildungsausgaben weiter unter
dem OECD-Durchschnitt von 5,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). In
Deutschland lagen demnach die privaten und öffentlichen Ausgaben für Bildungseinrichtungen 2012 bei 4,4 Prozent des BIP.
reuters
Lieber Pommes
als vegane Kost
Schüler haben an vegetarischen oder veganen Gerichten wenig Interesse. Zwar
gebe es an Schulen und Trägereinrichtungen ein Bewusstsein dafür, sagt die
Ernährungswissenschaftlerin Catherina
Jansen von der Hochschule Fulda in Hessen. „Vegetarisch ist beispielsweise immer ein Thema, das wird auch öffentlich
fokussiert. Andererseits wird das von
den Schülern kaum angenommen“,
stellt sie fest. „Sie wollen Pizza, Pommes
und Pasta.“ An gesunder Ernährung seien vor allem die Eltern interessiert. „Bei
den Kindern ist es nur ein minimaler Prozentsatz, der so was nachfragt.“ Auf dem
Portal Bmel.de des Bundesministeriums
für Ernährung und Landwirtschaft finden sich unter der Rubrik „Gesunde Ernährung, sichere Lebensmittel“ in der
Kategorie „Kita und Schule“ Informationen zu Projekten, die Schüler für gesunde Ernährung sensibilisieren. dpa/ssc
Fülle von Aufgaben:
Lehrer überlastet
Zum Abschluss seiner Jahrestagung hat
der niedersächsische Philologenverband eine Verringerung bürokratischer
Aufgaben für Lehrer gefordert. Es werde
sonst immer schwerer, genug Zeit zur
Unterrichtsvorbereitung und Betreuung
der Schüler zu finden, heißt es in seiner
kürzlich verabschiedeten Erklärung.
Der Philologenverband hat in Niedersachsen 7800 Mitglieder. Ursache der
„überbordenden Bürokratie“ sei vor allem die 2007 eingeführte „Eigenverantwortliche Schule“, steht in der Erklärung. Seither müsse jede Schule für jedes Fach eigene Lehrpläne aufstellen,
diese ständig überprüfen und fortschreiben. Zudem müssten sie zahlreiche Konzepte erarbeiten. Alle Aufgaben zu streichen, die nicht der Verbesserung der Unterrichtsqualität dienten, sei auch ein
Schritt in Richtung einer 40-Stunden-Arbeitswoche für Lehrer. Letztere arbeiten
nach Angaben des Verbandes auch unter
Einbeziehung der Ferien wöchentlich im
Durchschnitt bis zu 50 Stunden.
dpa
28 LERNEN
DIE BEILAGE FÜR SCHULE, HOCHSCHULE UND WEITERBILDUNG
Schulen
&
Internat
e
Donnerstag, 3. Dezember 2015, Nr. 279
„Man kann stets
etwas machen“
Internate besitzen ihre eigenen
Fördertöpfe für junge Talente
Sophie Weidlich, 61, ist studierte Germanistin und die Tochter eines Internatsleiters. Sie hat mehr als die Hälfte ihres Lebens in einem Landschulheim verbracht
– heute ist sie Haustutorin, also als Ansprechpartnerin für die Schüler und
Schülerinnen der Oberstufe. Im Nebenberuf unterstützt Sophie Weidlich ratlose Eltern bei der Suche nach dem passenden Internat für ihr Kind.
Sie sind mit zehn Jahren in ein deutsches Internat geschickt worden. Haben Sie gelacht oder geweint?
Sophie Weidlich: Ich sprach damals nur
Schwedisch und Englisch und fand das
ganz grauslich. Rückblickend gesehen
war es aber meine schönste Schulzeit.
von christine demmer
W
illiam aus Hamburg, Rugby-Spieler und erklärter Fan Großbritanniens wollte ins Internat. „Natürlich nach England. Viele in unserer Familie
waren auf einem englischen Internat“, erklärt seine Mutter Marina Mahlberg (Name von der Redaktion geändert). Das Problem waren Williams eher mittelmäßige
Leistungen in der Schule zu Hause, sagt
sie. „Für eine britische Schule ist es gefährlich, einen schlechten Schüler zu nehmen,
weil das den Schnitt der Boarding School
senken kann. Dann kann sie nicht mehr unter den besten Kandidaten wählen.“ Eine
Münchner Agentur fand trotzdem drei Internate, die den damals 15-Jährigen mit
Handkuss genommen hätten. „Wir haben
jedes einen halben Tag lang besucht und
mit einigen ehemaligen Schülern telefoniert. Das reicht total“, erzählt die Mutter,
eine alleinerziehende Strategieberaterin.
Der Filius entschied sich für eine Wohnschule auf der Isle of Man, mitten in der irischen See. Dort konnte er Rugby und Theater spielen, entdeckte seine Leidenschaft
für Dramaturgie und machte in diesem
Sommer ein gutes internationales Abitur.
Zufrieden sagt die Mutter über ihren
18-jährigen Sohn: „Der hatte die Zeit seines Lebens.“
Wenn das Kind und das Internat so gut
wie im Fall des jungen Hamburgers zusammenpassen, kann eigentlich nicht mehr
viel schiefgehen. „Ab etwa zwölf oder 13
Jahren werden die meisten Kinder den Aufenthalt in einem Internat genießen“, versichert Internatsberaterin Sophie Weidlich,
von Geburt halb Schwedin, halb Engländerin. Vorausgesetzt, man nehme sich Zeit
bei der Auswahl. Die meisten Eltern, die zu
ihr kämen, hätten sich vorher im Internet
und bei Freunden erkundigt und wollten sicherheitshalber eine professionelle Meinung einholen. „Ich frage zuerst nach der
Wunschregion“, sagt Weidlich. „In ganz
Deutschland gibt es gute Internate. Aber
nicht jeder, der in Hamburg lebt, will sein
Kind nach Süddeutschland schicken und
umgekehrt. Auch wenn es aufgrund der
vielen Ferien doch meistens nur sechs Wochen am Stück von zu Hause fort ist.“
Wenxin Zhang, in Deutschland aufgewachsene Chinesin und Geschäftsführerin
von German Education Partners in Düsseldorf, geht anders vor. Sie fragt ihre Kunden, bei denen es sich vor allem um Eltern
aus China und anderen asiatischen Län-
Lernen
Verantwortlich: Peter Fahrenholz
Redaktion: Stephanie Schmidt
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Familiäres Ambiente oder
Kontakte zu Promis?
Allein in Deutschland gibt es circa 400 Internate, da ist es schwer,
das richtige für sein Kind zu finden. Professionelle Berater helfen den Eltern.
Zunächst werden die wichtigsten Kriterien für die Auswahl festgelegt
Reiten, Segelkurse, Skifahren, Klettertraining – vielleicht sogar all dies.
Manche Eltern legen Wert darauf, ihren Nachwuchs in einem Internat mit sehr guten
Sportmöglichkeiten unterzubringen. Es gibt sogar Internate, in die man sein eigenes Pferd
mitnehmen kann. FOTOS: FELIX KÄSTLE/DPA; JOHANNES SIMON; IMAGO/RUSSIAN LOOK; IMAGO/KICKNER
dern handelt, als erstes nach dem Budget
für die Erziehung des Sprösslings. „Die
Preisspanne reicht von etwa 15 000 bis
40 000 Euro im Jahr, aber die teuersten Internate sind nicht immer die besten“, sagt
Zhang. Manche Schule wirbt mit einem
Fünf-Sterne-Angebot, Tennisplätze, Hallenbad, Reitställe, eigener Hafen und Riesencampus inklusive. In der Lehrqualität
seien sie aber gleich, meint Zhang. Den Unterschied machen die Ausstattung, das
Flair und die Schülerschaft. „Schloss Salem und Louisenlund in Schleswig-Holstein reisen auf der Eliteschiene, da kriegt
das Kind kostenlos die Kontakte zur Prominenz mit“, sagt Zhang.
Manche Eltern halten das für unverzichtbar. Andere wollen, dass ihr Kind
sportlich aufgepeppt oder firm in fremden
Sprachen wird. Wieder andere geben ihr
Kind nur ungern außer Haus, zum Beispiel, weil sie beruflich auf einen anderen
Kontinent ziehen müssen und es dort kei-
ne passende Schule gibt. „Die suchen dann
ein kleines Internat mit einem familiären
Ambiente“, berichtet Zhang. Auch das lässt
sich unter den ungefähr 400 Internaten in
Deutschland finden.
Nach dem Eindruck von Weidlich geht
die Nachfrage deutscher Eltern allerdings
zurück. Dafür fragen mehr Väter und Mütter aus Russland und China an. „Deutschland hat einen guten Ruf“, vermutet die Beraterin, „es ist wirtschaftlich stark, und es
lohnt sich, hier zur Schule zu gehen, zu studieren und später hier zu arbeiten.“ Wenxin Zhang bestätigt das. Die junge Betriebswirtin kooperiert mit Partneragenturen in
China und bald auch in anderen Ländern
Asiens und weiß, dass sich wohlhabende
Eltern in Fernost die internationale Ausbildung ihres Kindes viel Geld kosten lassen.
Deutsche hingegen fragen häufig nach Zuschüssen. Daran sei überhaupt nichts Ehrenrühriges, findet Weidlich. Schwieriger
sei es nur, wenn man ein ganz normales,
Lernen fürs Leben heißt Schule für
die kognitive, soziale und emotionale
Entwicklung des jungen Menschen.
durchschnittliches Kind ohne Auffälligkeiten in dieser oder jener Richtung habe.
„Für das muss man selber bezahlen“, sagt
die Internate-Kennerin. Aber für alle anderen stehe immer irgendwo ein Fördertopf
offen. Mit ein bisschen Nachbohren bei
den Eltern und beim Kind lässt sich oft ein
spezielles Talent oder wenigstens ein verschärftes Interesse entdecken. „Häufig sagen Eltern: Wir haben ein nettes Kind,
aber wir können nur soundsoviel bezahlen“, erzählt Weidlich. Sie tröste sie damit,
dass sie etliche Möglichkeiten kenne, um
Zuschüsse zu erhalten.
Auch in finanziellen Fragen helfen
mehr als ein Dutzend Internatsberater in
Deutschland. „Die Eltern bekommen viele
Informationen von den Internaten, aber
sie können sie alleine kaum bewerten“,
sagt Detlef Kulessa vom Institut Töchter
und Söhne in Wiesbaden. Für die persönliche Beratung seien die Eltern dankbar.
„Die Schulen beteiligen uns an ihren Erfol-
Folgende Webseiten informieren über Internate:
Unabhängiges Portal über Internate in Deutschland, Großbritannien, Österreich und der Schweiz,
www.internat-vergleich.de
Informationsportal über Internate im In- und Ausland nach Schultypen plus einer Liste von Internatsberatungen, www.internate-portal.de
Internatsschulen des Bundesverbandes Deutscher
Privatschulen, www.privatschulen.de
Vereinigung von 15 Internatsschulen in Deutschland, www.die-internate.de
Übersicht über Kosten und Leistungen von deutschen Internatsschulen, www.bildungsdoc.de/
infos/schule/internate
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Was kostet ein Internatsaufenthalt?
Und wo gibt es Unterstützung?
Die Lehr- und Unterbringungskosten in
deutschen Internaten reichen etwa von
500 bis 3000 Euro im Monat. Viele Eltern erkundigen sich nach Stipendien,
und die gibt es auch, zum Beispiel für besondere musikalische, sportliche, künstlerische oder intellektuelle Fähigkeiten.
Jedes Internat hat dafür einen Topf, der
aus Beiträgen von ehemaligen Schülern
oder anderen Förderern gespeist wird.
Man sollte sich nicht scheuen, danach zu
fragen. Man kann stets etwas machen.
Sollte das Kind bei der Entscheidung
mitsprechen?
Sicher. Das wichtigste Auswahlkriterium lautet: Das Internat muss zum Kind
passen. Ein zurückhaltendes Kind wird
sich in der Nestwärme eines kleineren Internats wohler fühlen, ein extrovertiertes Kind braucht ein quirliges mit mehr
Schülern. Deshalb lasse ich die Eltern in
der Beratung viel über ihr Kind erzählen.
Alle Internate bieten die Möglichkeit,
dort eine Weile auf Probe zu wohnen.
Raten Sie nur zu Internaten mit einer
eigenen Schule?
Die Einheit von Bildung und Erziehung
ist ideal. Es gibt aber Internate, die trotz
eigener Schule eng mit einer anderen zusammenarbeiten – Gymnasium und
Realschule, etwa diese Kombination.
Dann müssen sich die Eltern aber nicht
nur das Internat, sondern auch die externe Schule anschauen.
Woran merken Eltern, dass ein Internat in erster Linie den zahlenden Kunden im Auge hat?
Wenn sie das Gefühl haben, dass sie zu
viele Kröten schlucken, also zu viele Zugeständnisse machen müssen. Wenn die
Eltern etwa Bedenken haben, weil ihr
Kind das einzige Mädchen in der Klasse
ist. Aber die Schule spielt das runter.
Oder wenn der Junge unbedingt American Football spielen will, es aber nur einen Fußballverein gibt.
interview: christine demmer
Das Internat muss zum
Kind passen. Das ist für
Sophie Weidlich das
wichtigste Auswahlkriterium. Sie rät Eltern
wie Kindern, nicht zu
viele Kompromisse zu
machen. FOTO: OH
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• Staatlich anerkanntes Gymnasium
mit Grundschule und Internat für
Jungen und Mädchen.
• Abitur und Gesellenbrief (3 Berufe).
Schule erleben. Zukunft bilden.
gen“, sagt Kulessa mit Offenheit, „aber wir
fühlen uns trotzdem auf neutralem Boden,
weil wir eine sehr restriktive Auswahl vornehmen. Das sagen wir auch den Eltern.“
Als Informationsquellen dienen den Beratern Besuche in Internaten; außerdem pflegen sie Kontakte zu Eltern und Kindern,
die sich mit Internaten auskennen.
Dabei ist die Grundstruktur aller deutschen Internate ziemlich gleich. Die Kinder und Jugendlichen leben in einer Gruppe und werden von einer Haupt- und von
einer Nebenperson betreut. In der Regel
sind die Betreuer Akademiker, meist Pädagogen, Psychologen oder Sozialarbeiter.
In der Unter- und Mittelstufe wohnen die
Kinder in Zweier-, in der Oberstufe meist
in Einzelzimmern. Vormittags ist Unterricht, nachmittags gehen die Zöglinge ihren eigenen Vorlieben nach, stets sind die
Betreuer in der Nähe. Manche Internate
entlassen die Kinder an jedem zweiten Wochenende nach Hause. Andere raten den Eltern, die Heimreise auf die Schulferien zu
beschränken. In einige Internate kann
man eigene Pferde, Autos und sogar Boote
mitbringen. In anderen lernt man zu reiten
und wird auf den Führerschein vorbereitet. Es gibt Klassen mit hohem und Klassen mit geringem Ausländeranteil, Internate, die sich um die Inklusion behinderter
Kinder bemühen und solche, die Kinder
mit Handicaps nur in Ausnahmefällen aufnehmen. Im Interesse der Eltern wird fast
jedes Interesse der Kinder bedient.
„Nur gegen das anfängliche Heimweh
ist noch kein Kraut gewachsen“, sagt Sophie Weidlich. Fast immer sei es zwar nach
ein paar Wochen verschwunden. Eltern
sollten dem Kind vorschlagen: „Wir probieren es jetzt noch einmal, und dann reden
wir miteinander.“ Wenn der Nachwuchs
partout nicht im Internat bleiben wolle,
dürfe man nicht darüber hinweggehen,
man solle mit dem Kind zusammen eine
andere Lösung suchen. Was bei William
aus Hamburg nicht nötig war. Ihm hat sein
Internatsaufenthalt so gut gefallen und so
viel Lust auf die Welt gemacht, dass er jetzt
mit dem Gedanken spielt, im Ausland Dramaturgie zu studieren.
Warum fiel die Wahl nicht auf eine
Boarding School? Englische Internate
haben ja fast einen legendären Ruf.
Ja, sehr viele deutsche Kinder gehen
nach England. Wegen der Sprache, wegen der Mentalität und wegen der festen
Erziehung – man könnte das auch Drill
nennen. In England und Frankreich wird
sehr viel mehr Wert auf Konformität und
Umgangsformen gelegt. In Deutschland
geht man stärker auf die individuelle Persönlichkeit des Kindes ein. Man ist bestrebt, die Kinder zu kritischen Bürgern
zu formen. Meine Eltern fanden das gut.
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