Konjunktive Transaktionsräume als heuristisches Konzept zur

Konjunktive Transaktionsräume als heuristisches Konzept zur kultursoziologischen
Erforschung der Materialität von Medientechnologien
Anne-Kathrin Hoklas (TU Berlin), [email protected]
Beitragseinreichung für die Tagung »Zum Verhältnis von Empirie und kultursoziologischer Theoriebildung.
Stand und Perspektiven«, 30.09. – 02.10.2015, Universität Leipzig
Eine aktuelle Herausforderung der kultursoziologischen Theoriebildung bildet die Frage, wie das
Verhältnis von Menschen und Dingen zu denken ist und wie dabei Materielles und Kulturelles
miteinander verwoben sind (Reckwitz 2014; Reichertz 2014). Obwohl Materialitäten bereits vor
einigen Jahren insbesondere über praxistheoretische Ansätze in das Blickfeld der Kultursoziologie
gerückt sind, sind Arbeiten, die aus einer kultursoziologischen Perspektive die Nutzung von
Medientechnologien erforschen, immer noch rar. Bisher hat die Kultursoziologie diesen
Gegenstandsbereich weitgehend angrenzenden Disziplinen wie der Kommunikations- und
Medienwissenschaft überlassen, die sich zwar durch einen hohen Anwendungsbezug auszeichnet,
jedoch weniger auf die Weiterentwicklung von Kultur- und Sozialtheorie zielt. Je deutlicher aber
alltagskulturelle Praktiken mit medientechnischen Dingen verquickt sind, umso deutlicher wird hier
der Bedarf nach empirisch begründeter Theoriebildung (Ziemann 2011). Gleichzeitig stellt die
empirische Erforschung der Nutzung von Medientechnologien eine methodische Herausforderung
dar, da die Bedeutung von Technik im alltäglichen Gebrauch eine reflexiv nur schwer zugängliche
Erfahrungsdimension ist.
Ausgehend von diesen Überlegungen möchte der vorgeschlagene Beitrag zeigen, wie die an Karl
Mannheim und Pierre Bourdieu anschließende praxeologische Wissenssoziologie (Bohnsack 2007)
für die Erforschung des komplexen Wechselverhältnisses von Menschen und Medientechnologien
fruchtbar gemacht werden kann. Mit dem Konzept des »konjunktiven Transaktionsraums« (Nohl
2011) wird eine aktuelle, auf
den systematischen Einbezug von Materialität zielende
Weiterentwicklung dieser Methodologie vorgestellt, welche soziodingliche Kollektive beschreibt, in
denen Menschen und Dinge aufeinander ›gestimmt‹ werden. Anhand der Analyse von
Interviewmaterial wird gezeigt, wie dieses Konzept als »Sehinstrument« (Lindemann 2008) den Blick
für die konstitutive Verwicklung von Menschen und Dingen schärfen kann und welche
Herausforderungen sich dabei ergeben. Die empirische Basis bilden dabei im Rahmen des DFGProjekts »Survey Musik und Medien« durchgeführte biographisch-episodische Interviews zum
alltäglichen medialen Musikhören, die durch ethnographische Medienrundgänge komplementiert
wurden.
Literatur:
Bohnsack, Ralf (2007): Dokumentarische Methode und praxeologische Wissenssoziologie. In: Rainer Schützeichel
(Hrsg.): Handbuch Wissenssoziologie und Wissensforschung. Konstanz: UVK, 180-190.
Lindemann, Gesa (2008): Theoriekonstruktion und empirische Forschung. In: Herbert Kalthoff/Stefan Hirschauer/Dies.
(Hrsg.): Theoretische Empirie. Zur Relevanz qualitativer Forschung. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 107-128.
Nohl, Arnd-Michael (2011): Die Pädagogik der Dinge. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
Reichertz, Jo (2014): Von Menschen und Dingen. Wer handelt hier eigentlich? In: Angelika Poferl/Norbert Schroer
(Hrsg.): Wer oder was handelt? Zum Subjektverständnis der hermeneutischen Wissenssoziologie. Wiesbaden: VS,
95-120.
Reckwitz, Andreas (2014): Die Materialisierung der Kultur. In: Friederike Elias/Albrecht Franz/Henning
Murmann/Ulrich Wilhelm Weiser (Hrsg.): Praxeologie: Beiträge zur interdisziplinären Reichweite
praxistheoretischer Ansätze in den Geistes- und Sozialwissenschaften. Berlin/Boston: de Gruyter, 13-25.
Ziemann, Andreas (2011): Medienkultur und Gesellschaftsstruktur: Soziologische Analysen. Wiesbaden: VS.
Biographische Angaben
Anne-Kathrin Hoklas, M.A., *1985, studierte Soziologie und Germanistik an der Universität Rostock
und war Wissenschaftliche Mitarbeiterin im DFG-Projekt »Survey Musik und Medien« am
Fachgebiet Audiokommunikation der TU Berlin. Sie promoviert an der Philosophischen Fakultät der
TU Dresden zum Thema »Audiotechnologien im Alltag. Eine qualitativ-rekonstruktive Studie
generationsspezifischer Praktiken medialer Musiknutzung«. Forschungsschwerpunkte: Kultur- und
Mediensoziologie, Soziologie der Dinge, Soziologie des Auditiven, Methodologien und Methoden
qualitativ-rekonstruktiver Sozialforschung.