fragen an dr. yazid shammout

GESUNDHEITSPOLITIK
FRAGEN AN DR. YAZID SHAMMOUT
1/ Herr Dr. Shammout, warum kamen Sie einst selbst als Flüchtling nach Deutschland?
Als ich 16 Jahre alt war, tobte im Libanon der Bürgerkrieg.
Damit mein Bruder und ich die Schule abschließen konnten,
schickten unsere Eltern uns nach Deutschland. Ich kam also
kriegsbedingt hierher, ging zur Schule und studierte anschließend in Berlin.
2/ Welche Rahmenbedingungen fanden Sie hier vor und wie
haben Sie Ihre Integration gemeistert?
Anfangs war es schwierig, sich einzuleben. Alles war so anders
als Zuhause. Ich habe mir Mühe gegeben, schnellstmöglich
Deutsch zu lernen. Denn Sprache ist ein wesentliches Element,
um sich dieser neuen Welt anzupassen. Ich war wegen meines
Alters flexibel genug, um die deutschen Sitten, Gepflogenheiten und Gebräuche schnell zu akzeptieren und zu respektieren,
ohne meine eigenen Werte aufzugeben. Das war mein Schlüssel
zur Integration. So fand ich deutsche Freunde und war auch immer in ihren Familien sehr willkommen.
3/ Und wie kann Integration in diesen Tagen gelingen?
Erfolgreiche Integration ist ein Gesamtpaket, das aus mehreren
Päckchen besteht. Das erste Päckchen ist das Erlernen der Landessprache, damit überhaupt eine Kommunikation stattfinden
kann. Das zweite ist die gelebte Sprache, also die Teilnahme am
deutschen Alltag und v.a. am Arbeitsalltag. Die Kultur, die mit
einer Sprache einhergeht, muss erfahren und erlebt werden,
um ein Teil von ihr zu werden. Das ist quasi die Umsetzung der
Theorie in die Praxis, wenn man so möchte. Das letzte Päckchen ist die Vermittlung vom deutschen Wertesystem und die
Akzeptanz dieser Werte. Das deutsche Leben muss
also nicht nur erlernt, sondern auch erlebt werden. Und um
diese Brücke zu schlagen, ist der Gesetzgeber gefragt. Eine
zielführende Integration kann nicht durchgesetzt werden,
wenn Aufenthalts- und arbeitsrechtliche Verhältnisse ungeklärt
oder die Asylsuchenden weit weg von der Gesellschaft – somit
fernab von der deutschen Sprache und Kultur – untergebracht
sind.
4/
Welche Erfahrungen haben Sie als Geschäftsführer bisher mit
ausländischen Fachkräften gemacht?
Sehr unterschiedliche. Wir haben z.B. Fachkräfte aus West­
europa, genauer aus Spanien, nach Deutschland gebracht. Doch
wie viele andere Firmen haben wir erlebt, dass die meisten von
ihnen nach kurzer Zeit in ihr Heimatland zurückgekehrt sind.
Anders sieht es bei Bewerbern aus Osteuropa aus. Hier gibt es
sehr große Unklarheiten mit der Anerkennung von Abschlüssen;
eine Identifikation von Fachkräften fällt uns also sehr schwer.
Mit einigen Fällen von Mitarbeitern aus dem
Nahen Osten haben wir dafür sehr gute Erfahrungen gemacht.
Sobald diese integriert waren und sich im Arbeits­alltag zurechtfanden, war die Zusammenarbeit ausgezeichnet.
5/ Wie kann die Pflegebranche jetzt Asylsuchende einsetzen?
Die DANA und – da bin ich mir ganz sicher – andere Träger, die
händeringend nach Pflegekräften suchen, wären durchaus bereit, in Deutsch- und Integrationskurse zu investieren, um Asylsuchende auf spätere Tätigkeiten im Unternehmen vorzubereiten. Diese Menschen waren wegen des Krieges und Ähnlichem
gezwungen, ihr Heimatland zu verlassen, und sind jetzt moti-
HCM 7. Jg. Ausgabe 3/2016
viert, sich eine neue Existenz aufzubauen. Gerade
diese Motivation und der Wille, sich einzubringen, sollten uns
in der Pflegebranche helfen, geeignetes Personal zu gewinnen.
Jedoch müssen hierfür Rahmenbedingungen geschaffen werden, um den Firmen Rechtssicherheit zu geben; besonders im
Hinblick auf geltendes Arbeitsrecht. Gleichzeitig benötigen wir
eine Bleibesicherheit. Immerhin geht es um eine Menge Geld,
die uns eine solche Integration und die damit einhergehenden
Schulungen kosten würden. Das alles wäre für beide Seiten umsonst, wenn die Asylsuchenden nach kurzer Zeit das Land dann
doch wieder verlassen müssten.
6/ Aber Sie monieren die bürokratischen Umstände?
Selbstverständlich. Es verstreicht wertvolle Zeit, denn kaum ein
Tag vergeht, an dem keine Kommentare zum vermeintlich richtigen Umgang mit den Asylsuchenden gemacht werden. Diese
Menschen sind nun mal hier bei uns. Jetzt gilt es, eine Win-winSituation daraus zu machen. Dazu müssen auch die Asylbewerber einiges beitragen – aber auch die Verantwortlichen im
Land. Ich würde mir wünschen, dass für den Zeitraum von einer
Woche alle Politiker aufhören, sich mit Äußerungen Richtung
Bundeskanzleramt zu überhäufen und stattdessen ganz praktische, nützliche Vorschläge für ihre eigenen Kommunen machten, um die genannten Probleme anzupacken, statt nur darüber
zu sprechen. Die Interviews führte Carolina Heske.
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