KV-Blatt 12/2016 - Nachrichten I: medibus

Nachrichten
KV-Blatt 12.2016
medibus-Projekt
Angestrebte Impfquote
„knapp 100 %“
Seit Anfang November gibt es in Berlin ein neues Impfangebot für Asylsuchende, das passgenau letzte Lücken
im Schutz schließen soll – auch, um
Epidemien wie die letztjährigen Masern
zu verhindern. Zunächst zwei Monate
ist dazu ein ehemaliger Linienbus in der
Stadt unterwegs.
Das von der Charité und dem Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten
(LAF) entwickelte Konzept einer mobilen Impfversorgung setzt auf den niedrigschwelligen Zugang des Angebots,
zum einen durch das direkte Aufsuchen
der Asylsuchenden und das Impfen vor
Ort, zum anderen durch das Senken
der Sprachbarrieren. Beides konnte im
sogenannten medibus mit den Kooperationspartnern Deutsche Bahn, Cisco
und SAVD Videodolmetschen GmbH
erfolgreich umgesetzt werden.
50 Sprachen stehen zur Verfügung
Der zu einer vollständig ausgestatteten
Arztpraxis modifizierte Bus (www.charite.
de/klinikum/themen_klinikum/charite_
hilft/medibus/) verfügt neben Empfang,
Laborbereich und einem abgeschlossenen Behandlungszimmer über die
Möglichkeit einer Video-Verbindung zu
einem von 750 medizinisch geschulten Dolmetschern, sowohl am Empfang
als auch im Behandlungszimmer. Um
dort die Privatsphäre der Patienten zu
gewährleisten, kann die Kamera des
Übersetzers auch geschlossen werden.
Besetzt ist der Bus mit einem festen
Team aus dem Pool der Charité-Flüchtlingshilfe, die nach Kündigung der KVbetriebenen Zentralen Impfstelle für
Asylsuchende durch die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales die
Erstversorgung der Flüchtlinge übernommen hatte. Bislang impfte die Charité in größeren Einrichtungen in den
dortigen MediPoints oder im Aufnahmezentrum in der Bundesallee, dorthin
mussten die Impflinge teilweise noch
nachträglich mit Bussen gebracht werden. Weniger umständlich ist laut Ärztlichem Direktor der Charité Ulrich Frei
die jetzige Lösung, den impfenden Arzt
zu den Unterkünften zu fahren. Bis
Ende des Jahres werden täglich ein bis
zwei Unterkünfte angefahren resp. wird
der Bus bis zu drei Tage vor einer größeren Einrichtung stationiert. Kalkuliert wird mit 50 bis 80 Impfungen pro
Tag, in der Pilotphase sollen bei 2.000
bis 3.000 Asylsuchenden noch fehlende
Impfungen gemäß STIKO-Empfehlun­
gen nachgeholt werden.
Maßnahme, die Impfquote betrage
bereits geschätzte 80 % bei erwachsenen Asylsuchenden. Ziel sei natürlich die 100 %-Marke, wie man sie bei
den minderjährigen Geflüchteten laut
amtierender Jugendsenatorin Sandra
Scheeres schon fast erreicht habe.
Ulrich Frei geht auf jeden Fall davon aus,
dass nach der zweimonatigen Pilotphase die Zielgruppe besser geimpft ist
als die Berliner Einheimischen.
„Ergänzende Maßnahme“
Ob der Bus danach im Einsatz bleibt,
wird dann evaluiert. In etwa beziffert
sich ein Einsatztag des nach Charitéangaben „deutschlandweit ersten Impfmobils für die Flüchtlingsversorgung“
auf 350 Euro. Da er im Rahmenvertrag
mit dem LAF enthalten ist, fallen derzeit keine Mehrkosten an. Der für rund
150.000 Euro umgebaute Bus wurde
von der Deutschen Bahn ursprünglich
als Versorgungskonzept für den ländlichen Raum konzipiert und sammelt
in Berlin jetzt erste praktische Erfahrungen. Bewährt sich der Prototyp, kann
sich Dr. Christian Gravert, leitender Arzt
der Deutschen Bahn, einen Ausbau
des Projektes gut vorstellen; alte Busse
habe man genug.
Ronja Witt
Besonderes Augenmerk wird dabei auf
Lücken bei ansteckenden Infektionskrankheiten gelegt, im letzten Jahr gab
es in den Notunterkünften Probleme
unter anderem mit Windpocken. Aber
auch der Indexfall der Masernepidemie 2014/15 in Berlin war ein Asylsuchender, obwohl im weiteren Verlauf
des Ausbruchs dann eher die hohe Zahl
ungeimpfter Berliner problematisch
war. Impfverweigerer, wie es sie damals
in einigen besser situierten Kiezen gab
(und weiterhin gibt), fänden sich unter
den Geflüchteten nicht, die Impfbereitschaft sei generell hoch, so der scheidende Gesundheitssenator Mario Czaja
bei der Vorstellung des Busses. Daher
sei dieser auch nur eine ergänzende
Foto: Ronja Witt
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