Lieber Detlev,
der Terroranschlag in Paris ist ein Schock. Die Mörder sind mit äußerster Brutalität und Berechnung
vorgegangen. Sie wollten so viele schutzlose Menschen wie möglich töten und sie richteten ihre
automatischen Waffen wahllos gegen jeden. Letztlich ist dies ein Angriff, der uns alle treffen soll. Wir haben
solchen mörderischen Terror in New York, in London, in Madrid erlebt. Es hätte auch Berlin sein können.
Wir fühlen mit den Opfern.
Wir denken an die Familien, die es getroffen hat. Sie brauchen das Zeichen, dass sie nicht allein stehen.
Auch von uns Deutschen, von Europa insgesamt brauchen sie die Gewissheit der Solidarität.
Wir sind solidarisch mit Frankreich.
Wir stehen an der Seite des französischen Präsidenten. Er ist ein Freund, der schwer geprüft wird. Aber er
hat beeindruckende Worte gefunden, ruhig und entschlossen reagiert. Frankreich wird sich niemals dem
Terror beugen und das Menschenrecht der Freiheit niemals aufgeben. Wir werden alles tun, um zu helfen.
Paris wird nach dem Anschlag auf Charlie Hebdo zum zweiten Mal in kurzer Zeit getroffen. Aber Paris steht
nicht allein.
Wir geben das Recht auf Freiheit und Gleichheit niemals preis.
Der Terrorismus fordert das heraus, woran wir im Kern glauben. Er attackiert unsere Idee der
Menschlichkeit, des unveräußerlichen Rechts auf Freiheit und Gleichheit. Vor allem wollen die Terroristen
die Angst in unsere Gesellschaft tragen und damit die Solidarität zerstören.
Wir sind verwundbar. Das ist wahr. Verwundbar, weil wir zu diesen Rechten stehen und weil wir die offene
Gesellschaft nicht preisgeben. Wir teilen die Menschheit nicht auf, wir garantieren allen das gleiche Recht
auf Emanzipation und Sicherheit.
Wir verteidigen Sicherheit als ein soziales Gut. Die Mörder haben Zuschauer eines Fußballspiels, Musikfans
und Restaurantbesucher und Flaneure am Abend töten wollen. Sie wollen normale Menschen terrorisieren,
die besonders wehrlos sind. Unsere offene Gesellschaft aber schützt nicht nur die Privilegierten und
errichtet keine Mauern im Herzen unserer Städte. Wir schützen den öffentlichen Raum, in dem sich alle
Bürgerinnen und Bürger frei und sicher bewegen können.
Deshalb sind wir sind stark. Stärker als die Mörder glauben. Denn das Menschenrecht, das unser
Rechtsstaat verkörpert, wird der fanatisch-selbstmörderischen Vernichtungswut immer überlegen sein.
Gewaltherrscher, Fanatiker und Terroristen haben in welchem ideologischen Gewand auch immer diese
historische Auseinandersetzung stets verloren. Und sie werden auch jetzt verlieren. Sie verbreiten
Schrecken, aber sie haben keine Zukunft.
Deshalb suchen so viele Menschen aus dem Nahen Osten Schutz und Sicherheit bei uns in Europa. Sie
fliehen vor derselben Gewalt und demselben Terror, die uns jetzt im Herzen von Paris heimgesucht haben.
Sie fliehen vor dem Mangel an Menschlichkeit. Sie fliehen, weil in ihrer Heimat keine Lebensperspektive in
Würde und Sicherheit mehr möglich ist. Das vergessen wir auch jetzt nicht. Die Solidarität mit den
Flüchtlingen stellen wir nicht in Frage. Besonnenheit und Beharrlichkeit leiten uns in unserem Handeln.
Wir nehmen den Kampf gegen den IS auf.
Die Mörder haben sich dem so genannten „Islamischen Staat“ verschrieben. Diese Organisation ist weder
islamisch noch staatlich. Sie ist eine Terrorbande mit einer simplen Ideologie der Vernichtung. Sie hat der
Welt den Krieg erklärt und trägt ihren wahnwitzigen Terror auch nach Europa.
Das zeigt, dass niemand ausweichen kann – nicht in Syrien, nicht im Nahen und Mittleren Osten, nicht in
Russland und nicht in Europa.
Wer auch immer dazu beigetragen haben mag, dass inmitten von Chaos und Anarchie im Irak und in Syrien
der „Islamische Staat“ überhaupt entstehen und sich ausbreiten konnte: Jetzt geht es darum, die Gefahren
und die Bedrohung, die vom IS ausgehen, in aller Entschlossenheit zu bekämpfen.
Wir müssen mit aller Kraft unsere Idee von Recht und Sicherheit für alle Menschen stark machen. Wir
müssen die sozialen Medien nutzen, um die Terrorpropaganda mit ihren abstoßenden Gewaltvideos im
Netz einzudämmen und zurückzudrängen. Aber die Erfahrungen zeigen auch, gegen den IS selbst hilft kein
Wort und kein Argument und schon gar nicht der Rückzug ins Schneckenhaus, sondern nur eine
gemeinsame, entschlossene Reaktion der Staatengemeinschaft.
Deutschland beteiligt sich daran in einer großen, weltweiten Koalition gegen den IS und islamistischen
Terrorismus. Der fast fünfjährige Krieg in Syrien – mit mehr als 250.000 Toten und mehr als 12 Millionen
Flüchtlingen – ist eine grauenvolle Maschine des Hasses geworden. Was dort von Menschen anderen
Menschen angetan wird, ist buchstäblich unbeschreiblich. Die Spirale des Hasses und der Gewalt dreht sich
weiter, kennt weder Menschlichkeit noch Mitgefühl und reicht längst über die Grenzen der Region hinaus.
Der Kampf gegen den IS ist nicht allein militärisch zu gewinnen.
Wir müssen und wir werden uns deshalb entschieden dafür einsetzen, die grausame Gewalt in Syrien zu
beenden und neue Perspektiven für eine politische Lösung und damit für die Befriedung Syriens
aufzuzeigen. Militärische Mittel reichen dafür nicht aus. Entscheidend ist, dass wir die Allianz gegen den IS
vergrößern und die regionalen Staaten, von der Türkei über Saudi-Arabien bis zum Iran, einbeziehen. Die
Kräfte der Verantwortung müssen sich sammeln gegen eine Organisation der Vernichtung. Nur so entziehen
wir dem islamistischen Terror den politischen, ökonomischen, militärischen und ideologischen Nährboden.
Dies ist ein Kampf, den wir nicht über Nacht gewinnen können. Wir brauchen Standhaftigkeit und
Beharrlichkeit. Wir müssen zusammenstehen. Wir werden alles tun, um die Sicherheit der Menschen in
Deutschland und in Europa zu gewährleisten.
Wir müssen in Deutschland, in Europa und in der Welt diese Herausforderung annehmen. Wir sind stark,
weil wir für die ungeteilte Menschlichkeit einstehen und damit die Zukunft auf unserer Seite haben.
Euer
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