Auslandssemester in Palermo - Romanistik - Heinrich

Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Romanistik
WS 2014/2015
Auslandssemester in Palermo
Die Zutaten für unvergessliche 6 Monate?
Ganz einfach, man nehme:
Eine Prise Abenteuerlust
ein wenig Mut
viel Gelassenheit
aber das Allerwichtigste: eine komplett verrückte Stadt wie Palermo!
Vorbereitung:
„Warum gerade Palermo?“– Diese Frage habe ich fast so oft zu hören bekommen wie
„Ist das nicht die Stadt der Mafiosi?“
Nun, ich habe ehrlich gesagt keine Begründung, warum ich Palermo gewählt habe- es
war eine sehr spontane Entscheidung, die meine Eltern die Hände über dem Kopf
zusammenschlagen ließ… von allen Städten Italiens, die zur Auswahl standen, musste
es da Palermo sein?
Die Antwort ist ein lautes JA!
Ich wusste wirklich nichts über diese Stadt- außer, dass sie keinen sehr guten Ruf
hatte, aber für mich klang es eher nach Abenteuer und so bewarb ich mich schlichtweg
genau für diese Stadt, die sich im wahrsten Sinne in mein Herz geschlichen hat.
Das Bewerbungsverfahren lief eigentlich problemlos- die Zusage ließ auch nicht lange
auf sich warten, natürlich erledigt sich nicht alles an einem Tag, zwischendurch muss
man schon von A nach B laufen und vielleicht auch dreimal hin und zurück, bis sich
Dinge geklärt haben, dennoch gab es nur ein einziges Problem, welches bis zur Abreise
wie eine dunkle Wolke über mir schwebte: Keine Antwort aus Palermo…
Ich hatte mich schon darauf eingestellt, dass es um einiges chaotischer werden würde,
aber egal wie viele Emails ich geschrieben habe, keine der Kontaktpersonen, die
angegeben waren haben sich jemals zurückgemeldet. Das bedeutete für mich
schlichtweg Panik und Zweifel- es kam mir mehr als unorganisiert vor und zwar sowohl
von der italienischen Seite als auch von deutscher, dennoch wollte ich dieses
Abenteuer durchziehen.
Ankunft
Ohne jegliche Bestätigung flog ich Mitte September also nach Palermo (Tipp: Von
Düsseldorf Weeze bietet Ryanair günstige Direktflüge nach Palermo an) und kam dort
bei 40 Grad im reinsten Chaos an. Vom Flughafen empfiehlt es sich den Shuttlebus zur
Stazione Centrale zu nehmen, dies kostet lediglich 6 € (bloß kein Taxi nehmen!).
Auf den Facebook-Seiten der hiesigen Erasmus-Organisationen ETU und ESN findet
man ein Formular, damit einem ein Buddy (also eine Art Tutor) zugeteilt wird- setzt
man sich mit der Person in Verbindung, wird er oder sie sicherlich anbieten einen von
der Stazione Centrale zum Hostel oder zur Wohnung zu bringen und einem auch sonst
mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.
Studieren
Chaos. Einfach nur Chaos.
Der erste Weg sollte ins International Office führen, wenn denn jemand dort ist. Was
man mitgebracht haben sollte oder zumindest sehr schnell lernen sollte, ist Geduld zu
haben und davon eine Menge. Mit viel Glück muss man zweimal in besagtes Office, am
Anfang und am Ende- in meinem Fall habe ich aufgehört darüber nachzudenken, wie
viele Stunden ich dort verbracht habe. Worauf man sich einstellen kann sind sehr lange
Wartezeiten, bis zu zwei Stunden sind möglich, wenn man dann bei Richard Orthofer
im Büro sitzt folgt oft noch ein sehr langes Gespräch über Gott und die Welt.
Man sollte die Fassung keinesfalls verlieren, wenn folgende Sätze gesagt werden:
1. „Hier ist nie eine E-Mail von dir angekommen.“
2. „Du bist hier nicht registriert.“
3. „Eine dritte Studentin aus Düsseldorf?! Davon weiß ich nichts.“
Nun, so sehr ich die ersten drei Wochen auch unter Stress stand, letztendlich hat es
zwar bis zu meiner Immatrikulation ziemlich lange gedauert, aber es hat geklappt und
ich war endlich Studentin der Università degli Studi di Palermo. Obwohl ich ziemlich
damit beschäftigt war, meinem Ärger nicht Raum zu lassen, muss ich rückblickend
festhalten, meine erste Lektion für diese Stadt war: Mach dir nicht zu viele Sorgen und
sieh es gelassen, es wird schon irgendwie und irgendwann eine Lösung geben.
Um auf die nötige Punktzahl zu kommen, habe ich mich zusammen mit den anderen
beiden Düsseldorferinnen für die Vorlesung „Storia comparata delle culture“ und das
Seminar „Storia del cinema“ entschieden- da mir im Rahmen meines Studiums nichts
mehr angerechnet werden konnte, empfand ich es als gute Idee, eher meinen
kulturellen Horizont zu erweitern und mich auf die Sprache zu konzentrieren. Die
Vorfreude auf das Studieren selbst schwand recht schnell, die Vorstellung drei Stunden
pro Kurs am Stück abzusitzen, mit lediglich einer fünf-minütigen Pause lässt mich jetzt
noch seufzen und scheint mir aus didaktischer Sicht mehr denn je als zweifelhaft.
Folien oder sonstiges Material, welches einem ermöglicht, dem Inhalt zu folgen
existierte nicht, entweder man ist in der Lage drei Stunden lang zuzuhören und
gleichzeitig Notizen in einer fremden Sprache zu machen oder man kauft sich die
benötigte Literatur und versucht sich irgendwie durch zu kämpfen. Nicht unbeachtet
möchte ich auch den Punkt lassen, dass es mehrere Male vorkam, dass wir die 40
Minuten zur Uni völlig umsonst gelaufen waren und nur uns die Rundmail wohl nicht
erreicht hatte…
Wer sich einen schönen Campus in der Innenstadt vorstellt, sollte sich von dieser
Vorstellung auch verabschieden, die Uni liegt (bis auf das International Office und die
juristische Fakultät) so überhaupt nicht im Zentrum und auf dem Weg zur Uni läuft
man entweder Gefahr überfahren zu werden oder an einer Abgasvergiftung zu
sterben. Schön ist definitiv was anderes, aber man muss in diesem „Traum in grau“
auch nicht mehr Zeit verbringen als nötig.
Es gibt lediglich zwei Punkte, die ich hier positiv im Zusammenhang mit dem Uni-Alltag
erwähnen kann, zum einen das Mensa-Essen für 3€ (Großes Getränk, Obst, Primo,
Secondo, Beilage und Nachtisch! Wahlweise auch eine sehr gute Steinofenpizza) und
zum anderen den Italienischkurs beim ITASTRA (liegt direkt neben der Stazione
Centrale).
Ich empfehle unbedingt dort einen Kurs zu besuchen, da er für Erasmus-Studenten
kostenlos ist und es einem nicht nur hilft, sein eigenes Sprachniveau zu verbessern,
sondern man auch sehr tolle Leute kennenlernt. Man muss am Anfang einen
Einstufungstest absolvieren, damit man seinem Niveau entsprechend in den richtigen
Kurs kommt. Zwar gehören auch Hausaufgaben und eine Prüfung am Ende dazu,
jedoch bin ich überzeugt, dass der Kurs mir am Meisten von allem gebracht hat und ich
dadurch auf jeden Fall meine Berührungsängste mit der Sprache verloren habe.
Wohnen
Einige Tage vor meiner Abreise aus Deutschland habe ich Davide Rivituso
angeschrieben, er ist um die 30 und vermietet Zimmer an Erasmus-Studenten. Es ist
eine gute Möglichkeit um sicher eine Wohnung zu finden, ABER: in seinen Wohnungen
leben fast ausschließlich Erasmus-Studenten, dementsprechend ist es möglich, dass
Italienisch nicht die Sprache sein wird, die man dort spricht. Hinzu kommt, dass viele
der Wohnungen ziemlich heruntergekommen sind und über den Punkt Sauberkeit
möchte ich auch nicht sprechen, man sollte auf jeden Fall nicht pingelig sein!
Es ist durchaus möglich auf eigene Faust nach einer italienischen WG zu suchen, ich
habe mich auf Davide verlassen und habe (nach einem Wohnungswechsel innerhalb
der ersten 2 Wochen) letztendlich in einer recht internationalen WG mein Zuhause für
6 Monate gefunden.
Ein absolutes Muss für Erasmus-Studenten sollte es sein, sich eine Wohnung zwischen
der Stazione Centrale und dem Theater Politeama zu suchen, denn dort spielt sich das
komplette Erasmus-Leben ab!
Für mein Zimmer in unserer 5er WG habe ich 230 € (Wasser und Internet inklusive)
bezahlt, das Viertel war nicht das Beste, aber es war sehr zentral zwischen der Via
Maqueda und dem Markt Ballarò gelegen und ich habe mich bis auf Kleinigkeiten sehr
wohl dort gefühlt und in meinen Mitbewohnern gute Freunde gefunden.
Leben
Als ich ankam, war es ein absoluter Schock- ein Anschlag auf alle Sinne, die Hitze, das
Chaos, der Dreck, der Lärm und die Gerüche, ich war einfach überwältigt von all dem
was da auf mich eingewirkt hat. Das nie enden wollende Gehupe von zehn Fiat 500, die
ohne erkennbare Logik alle gleichzeitig auf der Kreuzung aneinander vorbei wollen, die
Müllhaufen und das Geschrei der Händler auf den Märkten, all das waren Dinge, die
mich zunächst abgeschreckt haben.
Und dann nach sehr kurzer Zeit merkt man aber, dass man sich an alles ziemlich
schnell gewöhnt und viel mehr noch- man lernt diese verrückte Stadt zu lieben!
Palermo ist eine charmante Mischung aus Verfall und Kultur, die einen nicht mehr los
lässt. Von den gefühlten 1000 Kirchen in Palermo bis zu dem runtergekommenen
Markt Vucceria, der sich nachts in DEN Ort verwandelt, wo man draußen tanzt, trinkt
und Leute kennenlernt, ist für jeden Geschmack etwas dabei. Das ganze Leben spielt
sich draußen ab und ich vermisse es jetzt schon.
Es sind oft Kleinigkeiten, die einem bewusst machen, wie großartig das Leben in einer
komplett neuen Umgebung sein kann, egal ob es die Einkäufe auf den Märkten wie
Ballarò, Capo oder Vucceria waren, der tägliche Espresso stehend in einer Bar, die
kulinarischen Köstlichkeiten wie „Cannoli“ und „Arancini“ (unbedingt zur Touring Bar
auf der Via Roma!!!), abends mit Freunden einen typischen Aperitivo zu genießen oder
mit dem Bus zum Strand Mondello zu fahren…. Es wird einem nie langweilig. Palermo
bietet immer etwas Neues zu entdecken und die Offenheit der Sizilianer hat mich
wirklich fasziniert.
Ich habe viele Angebote von ESN und ETU wahrgenommen, ob es jetzt Reisen nach San
Vito lo Capo, zum Ätna, Siracusa oder ziemlich gute Partys, Aperitivi, kulturelle Events,
oder sportliche Aktivitäten waren - ich war fast immer mit Begeisterung dabei. Es ist
einfach eine tolle Möglichkeit um neue Leute aus vielen verschiedenen Ländern
kennenzulernen und ich bin sehr dankbar, dass sich die Leute der Organisationen
immer so viel Mühe gegeben haben und so hilfsbereit waren.
Wenn ich mal nicht mit der ganzen Erasmus-Gruppe unterwegs war, habe ich mit
Freunden meine Reisen selbst organisiert, bis Ende November hatten wir traumhaftes
Wetter, so dass es fast ein Muss war Sizilien zu erkunden. Möglich wird dies vor allem
dadurch, dass es genügend Busverbindungen in alle größeren Orte gibt und es auch
recht günstig ist.
Mein Highlight waren auf jeden Fall die Äolischen Inseln- ich kann jedem nur
empfehlen, dort einmal hinzureisen! Auch Orte wie Taormina, der Ätna oder Cefalù
hatten etwas Magisches an sich. Jeder Ausflug war etwas Besonderes und ich habe
jede Möglichkeit wahrgenommen, mehr von Sizilien zu entdecken und auch für eine
Reise nach Sardinien war dank der günstigen Angebote von Ryanair ohne Probleme
möglich.
Dennoch ist es nicht mal notwendig, Palermo immer zu verlassen, ein kleiner
Abstecher zum Monte Pellegrino oder eben nach Mondello lohnen sich immer und ich
kann nicht leugnen, dass ich sehr viel Zeit am traumhaften Strand verbracht habe.
Es war zudem eine gute Entscheidung im Wintersemester dorthin zu fahren, denn so
findet man sich nicht inmitten von Touristen-Massen wieder, sondern kann alles in
Ruhe genießen und wirklich einen Einblick in das sizilianische Leben bekommen.
Wenn ich eins gelernt habe durch den Alltag, dann ist es definitiv, dass man alles ganz
gelassen angehen sollte- es lohnt sich eben nicht jede Minute genau zu planen, sich zu
stressen oder pünktlich zu sein, lieber noch einen Espresso trinken, um Energie zu
tanken, dann kann man ganz in Ruhe weiter machen.
Fazit
Man sagt, dass man zweimal weint in Palermo- wenn man ankommt und beim
Abschied. Und genau so ist es. Palermo war die beste Entscheidung überhaupt für
mein Erasmus-Semester und die sechs Monate sind viel zu schnell vergangen, aber ich
habe auch so viel erlebt, dass es schwer fällt nicht ein ganzes Buch darüber zu
schreiben.
Ich habe nicht nur wunderschöne Orte sehen können, nicht nur Abenteuer erlebt,
nicht nur die italienische Sprache gelernt, sondern auch wunderbare Menschen
kennengelernt und ich werde niemals diese fantastische Zeit vergessen!
Obwohl es zwischendurch auch Hürden zu bewältigen gab (Bürokratie der
Universität!), war es alles in allem ein perfektes Semester- ich würde mich immer
wieder genauso entscheiden.
Palermo ist chaotisch und verrückt, aber am Ende kann man nicht anders als sich in die
Stadt zu verlieben und der Abschied fällt mehr als nur schwer. Es war eine grandiose
Zeit und ich werde mit Sicherheit immer wieder zurückkehren.