Erfahrungsbericht Name: Anja Lachenmayer Austauschjahr: SoSe 2010 Gastuniversität: Università degli studi di Palermo Stadt: Palermo Land: Italien/Sizilien Aus Spam-Schutzgründen wird die E-Mail-Adresse nicht im Internet veröffentlicht, kann aber im Akademischen Auslandsamt erfragt werden. Das Erasmus-Programm bietet eine hervorragende Möglichkeit, ein bis zwei Semester im europäischen Ausland zu verbringen. Mich zog es dabei nach Süditalien, genauer: nach Sizilien, was so wenig mit dem italienischen Norden gemeinsam hat, dass man es fast als eigenes Land bezeichnen könnte. Den Platz für Palermo zu bekommen, war das Beste, was mir passieren konnte. Ich bekam die nötigen Infos und Unterlagen vom Akademischen Auslandsamt und ließ anschließend alles am Romanistik-Lehrstuhl absegnen. Ich studiere eigentlich Germanistik und Anglistik, hatte jedoch schon studienbegleitend ein paar Italienischkurse am Sprachenzentrum belegt. Mein theoretisches Wissen war daher zwar einigermaßen sicher, an Sprachpraxis mangelte es mir jedoch noch ziemlich. Ich würde keinem empfehlen, komplett ohne Italienischkenntnisse loszureisen, da bei den meisten Italienern quasi kein oder nur schlechtes Englisch vorhanden ist und Sprach-Grundkenntnisse den Anfang wirklich leichter machen. Soviel einem im AAA in Augsburg auch weitergeholfen wird, so wenig Rückmeldung/Hilfe bekam ich vom internationalen Büro aus Palermo – nämlich gar keine. Mir wurde nie auf eine E-Mail geantwortet, ich bekam auch keine Reaktion auf meine per Post geschickten Erasmus-Unterlagen (die entweder nie ankamen oder dort verloren gingen, jedenfalls nie wieder auftauchten). Somit hatte ich also keine Ahnung, ob dort überhaupt jemand von meiner Ankunft wusste, was schlussendlich auch nicht so war☺ Ich versuchte, mir mit Infos von der Homepage ein Learning Agreement zusammenzubasteln. Das war gar nicht einfach, weil das Kursprogramm quasi erst mit Anfang des Semesters festgelegt wird und nicht Wochen/Monate vorher, wie in Deutschland. Über langes Suchen auf der Uni-Homepage (www.unipa.it) konnte ich jedoch wenigstens Infos über einen kostenlosen Sprachkurs für Erasmus-Studenten finden und meldete mich per Mail dafür an (www.itastra.unipa.it). Außerdem stieß ich auf die Webside von ESN (www.esnpalermo.com), ein Tutoren-Programm vor Ort, und schrieb eine weitere, hoffnungslose E-Mail. Darauf bekam ich jedoch prompt eine sehr nette Antwort. ESN organisierte für mich einen günstigen Schlafplatz für die erste Woche und bot mir an, mich nach meiner Ankunft dorthin zu bringen und mir auch anschließend bei der Wohnungssuche zu helfen. Meine Ankunft verlief dann typisch sizilianisch: chaotisch und so gar nicht nach Plan. Ich kam in der dritten Februarwoche nach Palermo, wo es zwar warme 25°C hatte, aber am Flughafen Punta Raisi außerhalb der Stadt ein solcher Sturm herrschte, dass das Flugzeug nach heftigem Durchrütteln und zweimaligem, gescheiterten Landeversuch nicht landen konnte und deshalb ans andere Ende der Insel flog, wo ich dann in Catania ankam. Ich hatte keinen Internetzugang und keine Handynummer von den ESN-Leuten, die vormittags um halb 11 auf der entgegengesetzten Inselseite auf mich warteten, und kam allein, ohne Plan, wo ich schlafen würde, Freitagabend nach 6 mit dem Bus aus Catania in Palermo am Bahnhof an. Nach viel Rumfragen kam ich schließlich durch eine Verkettung glücklicher Zufälle zum Cortese, wobei es sich tatsächlich um gerade das B&B handelte, wo von ESN ein Zimmer für mich reserviert war. Soweit mein Start☺ Man lernt in Sizilien schon nach kurzer Zeit, sich nicht mehr aufzuregen oder zu stressen. Danach läuft alles viel entspannter und man kann sich schnell nicht mehr mit der getakteten Durchorganisiertheit der Deutschen identifizieren und wundert sich über nichts mehr. Wohnen und erste Schritte: Das Cortese ist ein kleines 3-Sterne-Hotel, ziemlich zentral, in der Nähe des Hauptbahnhofs gelegen, wo ich ein sauberes Zimmer mit eigenem Bad für die erste Woche und 5€/Nacht bekam. Dieses Angebot gilt nur für Erasmus-Studenten und für eben eine Woche. Danach fand ich nach einer ganzen Reihe von Besichtigungen ein Zimmer in einer schönen Wohnung mit zwei spanischen Erasmus und wohnte dort für 220€/Monat so zentral wie kein anderer im Herzen der Stadt, neben dem Teatro Massimo. Es ist auch möglich, schon von Deutschland aus auf der Internetseite www.easystanza.it nach Zimmern zu suchen, ich würde aber empfehlen, sich vor Ort umzuschauen. Generell findet man in der ersten Woche immer was. Unsere Wohnung im zweiten Stock eines typischen Palazzo ähnelte vom Stil her einem Ferienapartment. Sie war zwar nicht riesengroß, aber alles war relativ neu und sauber und wir waren mit Internet und einer Waschmaschine ausgestattet, was beides unverzichtbar ist. Trotz der zahlreichen Internetpoints ist es praktischer, sich einen eigenen Anschluss zu Hause zu besorgen. Das geht einfach in einem Laden von WIND, dem verbreitetsten Telekommunikations-Anbieter, wo man sich auch schnellstmöglich eine SIM-Karte für’s Handy zulegen sollte. Nach der Ankunft sollte außerdem jeder Erasmus baldmöglichst zum Internationalen Büro an der Piazza Marina gehen, um sich anzumelden und sich die nötigen Unterlagen ausstellen zu lassen. Dort arbeitete damals ein Deutscher, Richard Orthofer, was am Anfang, wenn man die Sprache noch nicht so gut beherrscht, sehr hilfreich war. Der zweiwöchige Sprachkurs war zwar interessant, aber auch anstrengend, da ich durch meine guten Grammatikkenntnisse im Vortest in den B1-Kurs gestuft wurde. Die anderen Kursteilnehmer dort sprachen schon viel besser Italienisch und ich kam zu Anfang kaum mit. Nach den ersten Tagen wurde das schnell besser, aber richtig gut lernt man die Sprache dann im täglichen Leben auf der Straße. Palermo hat zwar rund 650.000 Einwohner (also fast dreimal so viele wie Augsburg), aber der Kern der Stadt ist überschaubar und man kennt sich in Kürze aus. Zwischen dem Quattro Canti, wo sich die Straßen Via Maqueda und Corso Vittorio Emanuele kreuzen, und dem Politeama orientiert man sich schon nach wenigen Tagen. Man weiß ziemlich schnell, wo man shoppen und wo feiern kann, wie es zur Uni und wie zum Strand geht. Überhaupt wird man in einer sizilianischen Stadt wie Palermo, wo hohe Temperaturen und heißes Temperament herrschen, immer automatisch vom Leben mitge- rissen, es wird nie langweilig, und sobald es warm ist, spielt sich einfach alles draußen ab. Uni: Zum Studium an der Uni Palermo kann ich nicht sehr viel sagen. Ich hatte nur mit der Facoltà Lettere e Filosofia zu tun und konnte auch keinen Kurs in Deutschland einbringen. Da ich mich noch im alten Studiensystem befinde und daher nicht modularisiert studiere, kenne ich mich mit dem aktuellen Prozedere nicht aus. Der Ansprechpartner für die Augsburger Studenten heißt Prof. Marco Carapezza und ist an der Lettere e Filosofia zu finden. Mit ihm kann man auch das Learning Agreement noch einmal bearbeiten und eventuelle Fragen zu den Kursen klären. Er stellt am Ende das Transcript of Records aus. Die Vorlesungszeit geht etwa von Anfang März bis Mitte Juni, Semesterprüfungen finden danach statt und sind eigentlich immer mündlich. An der Uni gibt es außerdem eine Mensa. Gleich zu Anfang sollte man sich zeigen lassen, wo man eine Mensakarte bekommt. Mit persönlicher Karte samt Foto kann man dann in der Mensa für 5€ ein ganzes Menü mit Vorspeise und Getränk bekommen sowie auch ofenfrische Pizza. Klima: Sizilien scheint zwar auf der Landkarte nicht weit weg, aber es herrschen dort eine ganz andere Kultur sowie ein völlig anderes Klima. Als ich im Februar ankam, hatte es wie gesagt 25°C. Es war angenehm und warm. Ende März/Anfang April hat es dafür fast drei Wochen dermaßen geregnet, dass wir alle nur noch gefroren haben, weil es in den meisten Häusern keine Heizung gibt und man seine Kleidung und Schuhe nie wieder trocken bekommt, solange es nicht aufhört. Die gewölbten, glatt gepflasterten Innenstadt-Wege waren zu dieser Zeit nur noch riesige Pfützen und es war ziemlich rutschig zu Fuß. Sobald das vorbei war, habe ich in Sizilien aber nur noch eine Handvoll Regentage erlebt. Ab Mitte Mai wurde es dann sehr warm und ab Juni heiß. Im Juli/August hatte ich mich so an die Hitze gewöhnt, dass ich es gar nicht mehr anders kannte. Es war immer heiß, tagsüber genauso wie nachts. Man brauchte nur noch Flip-Flops und die leichtesten Sommerklamotten waren noch zu viel. Jede Art von Jacke, Pulli, langer Hose oder Decke konnte ich getrost nach Deutschland zurückschicken. Man konnte sich schlicht und einfach darauf verlassen, dass es von nun an jeden weiteren Tag ohne Ausnahme genau so heiß sein würde. Reisen in und nach Sizilien: Ich bin damals von München aus angereist. Es gibt die Möglichkeit, bequem mit einem Shuttlebus vom palermitanischen Flughafen in die Stadt zu kommen. Diese Busse fahren alle ein bis zwei Stunden für ca. 6€ direkt ins centro (Fahrt ca. 40 Minuten), wahlweise zum Teatro Politeama oder zur Stazione Centrale. Wer keinen günstigen Flug nach Palermo findet, kann auch mit Ryanair von Memmingen nach Trapani fliegen. Von dort aus kommt man ebenso mit einem Shuttlebus in ca. 1,5 Stunden günstig nach Palermo. Auch diesen Weg habe ich inzwischen schon ausprobiert. Der Verkehr in Palermo selbst ist, na ja, etwas anders geregelt als in Deutschland☺ Ampeln gibt es, weil es sie überall sonst auf der Welt auch gibt – einen anderen Grund dafür konnte ich nie entdecken. Ob bei Rot oder Grün: Autos, Busse und Vespas fahren wie sie wollen, wohin sie wollen und auch die Fußgänger halten es nicht anders. Wenn man über die Straße will, sollte man im günstigsten Moment einfach gehen – der Verkehr hält dann schon an. Wer warten will, wartet ein Leben lang. Busfahren mit der palermitanischen Verkehrsgesellschaft AMAT ist auch oft ein Abenteuer, auf das man verzichten kann. Das lohnt sich zum Strand und vielleicht zur Uni, sonst meiner Meinung nach nicht. Ich war die sechs Monate quasi jeden Meter in der Stadt zu Fuß unterwegs, das ist auch am praktischsten. Natürlich gibt es noch Fahrräder. Wem sein Leben lieb ist, der sollte allerdings die Finger davon lassen. Fahrradfahrer gehen im täglichen Verkehrstumult leicht mal unter und leben gefährlich. Wer auf Sizilien ein Erasmus-Semester macht, sollte es sich nicht nehmen lassen, unbedingt auf der Insel zu reisen, denn es gibt einiges zu sehen. So habe ich zum Beispiel die Orte Cefalù, Agrigento, Trapani, Catania, Taormina, Siracusa, Castellammare del Golfo und das Naturreservat Lo Zingaro besucht. Außerdem Trips zu einigen Inseln unternommen. Nennenswert sind hier die Inselgruppen Isole Egadi sowie Isole Eolie, die aus drei bzw. sieben ganz verschiedenen Inseln bestehen. Weiterhin ist natürlich der Ätna sehenswert. Ein super Hilfsmittel ist auch der Lonely Planet für Sizilien. Das Reisen auf der Insel ist ziemlich günstig. So kommt man mit dem Zug genauso wie mit verschiedenen Reisebusunternehmen – die sehr zu empfehlen sind und auf die im Normalfall auch Verlass ist – für 15-20€ ans andere Ende der Insel. Auch Autos mieten ist ab und zu praktisch und zu empfehlen. Das geht aber nur mit Kreditkarte und man sollte auf eine Versicherung achten, da die Sizilianer eigene wie auch fremde Autos nicht so heilig behandeln wie wir Deutschen und es schon mal vorkommen kann, dass das geparkte Auto angefahren wird. Ein paar Infos zum Schluss: Palermo selbst bietet ebenfalls einiges zu sehen. Oft hört man, es wäre die „schmutzigste Stadt Siziliens“, aber auf den zweiten Blick ist es eine unheimlich interessante Stadt mit zahlreichen Facetten. So gibt es typische Anzugspunkte wie das Teatro Massimo, das Teatro Politeama, den Quattro Canti, la Cathedrale, den Dom von Monreale, den Hafen, den Botanischen und den Englischen Garten, den mächtigen Monte Pellegrino, den in einer Bucht gelegenen Strand von Mondello sowie scheinbar Hunderte auf die Stadt verteilte, große und kleine Kirchen. Weiterhin findet man die berühmte und unheimliche Mumiensammlung le Catacombe dei Cappuccini in der Gruft eines Kapuzinerklosters, die Seitenstraßen Candelai und Champagneria, die von Bars und Kneipen gesäumt sind, und viele weitere schöne und interessante Ecken, die man für sich entdeckt. Genauso muss man sich aber an den Anblick von Bettlern an jeder Straßenecke gewöhnen, an den Verkehr und die Abgase in der Stadt, an das Müllproblem, das sich mal mehr, mal weniger offensichtlich darstellt und an oft heruntergekommene sanitäre Anlagen. Trotzdem gibt es immer wieder Neues zu entdecken und für mich macht gerade dieser Kontrast Palermo zu einer sehr faszinierenden Stadt. Was die Stadt weiterhin ausmacht, sind ihre drei großen Straßenmärkte. Ballarò, Capo und die Vucciria. Man sollte gleich von Anfang an das Handeln auf einen angemessenen Preis lernen. Kauft man außerdem Obst, Gemüse, Oliven, Käse etc. oft an den gleichen Ständen, dann kennen einen die Verkäufer bald, werden offener und man bekommt die Sachen zum gleichen Preis wie die Einheimischen. Die frischen Produkte sind dann auf den Märkten nicht nur billiger als im Supermarkt, sondern schmecken auch richtig nach Sonne und Süden. Allgemein ist das Leben in Palermo schon günstiger als in Augsburg. So bekommt man beispielsweise ein Kilo Orangen oder Tomaten für 50 Cent oder eine superleckere, große Pizza für ca. 4€. Auch die Getränke beim Weggehen sind billiger. Fazit: Ich hatte in Sizilien die unbeschwerteste Zeit und den besten Sommer überhaupt. Jeden Tag bei strahlender Sonne aufzuwachen, das Meer quasi vor der Tür und tausend Ideen im Kopf, wie man seinen Tag gestalten kann – wann bekommt man diese Möglichkeit so schnell schon wieder. Die Erfahrung eines Auslandssemesters sollte darum unbedingt jeder nutzen, der die Chance dazu hat. In einem Land mit ganz anderer Mentalität zu leben und eine Menge neuer Freunde aus ebenso vielen verschiedenen Ländern zu finden haben auch dazu geführt, sich weiterzuentwickeln und im Hinblick auf Selbstständigkeit und Interkulturelles nicht nur viel über andere, sondern auch über sich selbst zu lernen. Ich habe jedenfalls inzwischen schon wieder Urlaub in Sizilien gemacht, denn man kann einfach in ein paar Monaten nie alles gesehen haben; und wenn man außerdem zu lange weg ist, wird einem die Insel bald fehlen ☺
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