Regulieren und kontrollieren – ein Tag mit dem Wildhüter unterwegs

REGION
Südostschweiz | Mittwoch, 7. Oktober 2015
Regulieren und kontrollieren –
ein Tag mit dem Wildhüter unterwegs
Seit 2010 kümmert sich Michael Freuler als Wildhüter um die Wildbestände im Sernftal.
Während der Hochwildjagd erlebt er lange Tage mit vielen Problemen – aber auch mit schönen Erlebnissen.
von Sabine Tschudi (Text und Bilder)
S
chon frühmorgens ist Michael
Freuler während der zwei
offiziellen
Hochwild-Jagdwochen Anfang September
unterwegs. «Es ist immer gut,
zu wissen, wer wo und wann unterwegs ist», meint er. Denn seine Aufgabe während der Hochwildjagd ist es,
als Aufsichtsorgan zu fungieren. Das
umfasse, unter anderem, geschossene
Tiere zu kontrollieren, Strassenkontrollen durchzuführen, Stichprobenkontrollen von Abschussmeldungen
zu machen und das Nachsuchen auf
beschossene Wildtiere zu organisieren.
Heute führt ihn sein Weg Richtung
Weissenberge. Von hier habe er gute
Einsicht, wer im Bannwald gegenüber
unterwegs sei. Alles ist ruhig, und seine
junge Jagdhündin wird schon ganz ungeduldig ob der vielen Warterei. «Die
ersten zwei, drei Tage ist immer am
meisten los», sagt er. «Allein in meinem Aufsichtsgebiet sind in dieser Zeit
bereits rund 50 der insgesamt 220 freigegebenen Rotwildtiere erlegt worden», schätzt er. Nach dieser Zeit würden die Tiere bemerken, dass die Jagdsaison begonnen habe. «Dann sind sie
auf der Hut», sagt Freuler. Die Erfahrenen unter ihnen wüssten sogar, an
welchen Plätzchen sie die Jagdzeit
unbeschadet überstehen können.
Ein Jäger trifft sein Ziel nicht
Nach dem Abstecher auf die Weissenberge macht sich Freuler auf den Weg
nach Elm. Um 7.30 Uhr erreicht ihn ein
erster Anruf: Ein Jäger bittet ihn um
Hilfe. Er vermutet, dass er entweder
daneben geschossen oder das Tier nur
angeschossen hat. «In solchen Fällen
müssen wir natürlich reagieren»,
meint Freuler und kontaktiert den
Hundeführer, der sich gerade für Einsätze bereithält. Dieser erhält die genaue Ortsangabe und verspricht, sich
sofort mit seinem ausgebildeten
Schweisshund auf den Weg zu machen.
«Das wird wahrscheinlich eine Kontrollsuche», erklärt Freuler. Bei dieser
soll sichergestellt werden, ob das Tier
wirklich nicht getroffen wurde.
Eine Viertelstunde später erreicht
Freuler erneut ein Anruf. Diesmal ist
der Jäger aufgeregt. Er habe eine Gämse getroffen und auch Blut gesehen.
Aber als er an Ort und Stelle gekommen sei, war die Gämse verschwunden.
Auch hier organisiert der Wildhüter
umgehend einen Schweisshund, der
die Gämse finden soll.
Bis der Pikettdienst an der entsprechenden Stelle ankommt, ist auch die
«Stehzeit» von vier bis fünf Stunden
verstrichen, die dem Tier gegönnt werden muss, damit sich das Adrenalin in
seinem Blut wieder senkt und es «in
Ruhe die Welten wechseln kann».
Um 9 Uhr kommt dann die Meldung
einer geschossenen Hirschkuh im
Bannwald. Der Jäger schätzt, dass er in
etwa zwei Stunden mit seiner Beute im
Tal ist. Er wird sich dann mit Freuler
treffen. Gleich danach meldet ein anderer Jäger den Abschuss einer Gämse.
Seiner Vermutung nach müsste sie
über 14-jährig sein, was bedeuten
würde, dass er noch einen Abschuss
frei hat. Diesen Bestand bestätigt der
Wildhüter nach eingehender Kontrolle
mit einer Zusatzmarke.
Gamsböcke kennen Schutzgebiet
Das Resultat der ersten Nachsuche
kommt per Telefon und bestätigt die
Einschätzung des Wildhüters: Es konnte keine Schweissspur ausgemacht
werden, das Tier ist 200 Meter bergauf
Scharf beobachtet: Michael Freuler erspäht zwei junge Gamsböcke, die im Banngebiet friedlich äsen.
verschwunden. Der oder die Glückliche ist also noch quicklebendig. Mit
dem Fernrohr schwenkt Michael Freuler auf zwei junge Gamsböcke, die
friedlich äsen. «Die wissen sehr genau,
dass ihnen hier im Banngebiet nichts
geschehen kann», meint er.
Man hört die Jäger mit ihrer Beute,
bevor man sie sieht. Armin Geissmann,
Patentjäger im Kanton, zieht eine Rotwildkuh hinter sich aus dem Gebüsch.
Voller Freude tapst der junge Schweisshund des Wildhüters über das erlegte
Tier. Mit einem gekonnten Schnitt verlängert Freuler die Maulöffnung beim
Äser, um damit das Alter der Hirschkuh besser abschätzen zu können.
Nachdem der Papierkram erledigt ist,
wird das übliche «Waidmanns Heil»
und «Waidmanns Dank» ausgetauscht.
Es soll ein Akt des Respekts vor dem
erlegten Tier sein. Dann posieren alle
für ein Erinnerungsfoto.
Andere Aufgaben im Frühling
Im Frühling bestehe die Arbeit eines
Wildhüters aus Zählungen der Wildpopulationen, so Freuler. Im Sommer
stünden Tagestouren und Beobachtungen der Wildtiere sowie die Pflege von
Freihalteflächen auf dem Programm.
Dazu kommen Führungen von Schulklassen oder anderen Interessierten.
Im Winter heisst es für Freuler: Fallwild beseitigen. Auslöser für den Tod
von Wildtieren können ganzjährig der
Strassenverkehr oder Schwäche und
Krankheit sein.
Nach dem Papierkram und «Waidmanns Dank: Armin Geissmann (von links), Michael Freuler und Fritz Stüssi posieren mit dem
Schweisshund und der erlegten Beute für das Erinnerungsbild.
Jagen in den Glarner
Jagdbanngebieten
Auch dieses Jahr ist das Jagen
in den eidgenössischen Jagd­
banngebieten Schilt und Kärpf
in speziell gekennzeichneten
Teilgebieten unter strengeren
Bedingungen erlaubt. Es darf nur
Rotwild geschossen werden,
männliche Tiere sind ausge­
nommen, und jeder Abschuss
muss vom Wildhüter kontrolliert
werden. Allerdings wird jeweils ab
Ende September auch das
Konzept der Beizugsjagd weiter­
verfolgt, bei welcher der Wildhüter
mit angemeldeten Jägern Regula­
tionsabschüsse tätigt. (sab)
Viel zu tun: Auch Hans Maduz (oben links) posiert mit seiner Beute, während Michael Freuler das Alter eines erlegten Tiers bestimmt
(unten links) oder mit tatkräftiger Unterstützung ein solches wiegt.
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