Humorvoller Staatsschutz am Verwaltungsgericht Berlin

Humorvoller Staatsschutz am Berliner Verwaltungsgericht
Heute wurde am Verwaltungsgericht Berlin eine Klage von Karl Heinz Hoffmann gegen
die Bundesrepublik Deutschland verhandelt. Der freieste Staat auf deutschem Boden
ließ sich durch Ministerialrat Sch. und einen Anwalt der Kanzlei Redeker, Sellner und
Dahs vertreten. Sowohl Umstände als auch Verlauf und Ergebnis des Verfahrens über
eine offenkundig rechtswidrige Überwachungs-Aktion des Bundesamts für
Verfassungsschutz können als merkwürdig gelten.
Das Presseaufgebot war beträchtlich; der Fotograf der dpa fotografierte so lange von
hinten Hoffmanns Glatze, bis sich dieser unwillkürlich umdrehte und das
unvermeidliche „Das Raubtier wendet sein Haupt“-Bild im Kasten war. In die erste
Stuhlreihe lümmelten sich linksliberal aussehende Weiber, wobei äußerlich kein
Unterschied zwischen BILD und anderen Qualitätsmedien erkennbar war. Weiter hinten
sammelten sich neurotisch zurechtgestylte Arschlöcher mit Anzügen und DesignerBrillen, die man auf den ersten Blick der ZEIT zuordnen hätte können.
Der weinselig dreinblickende Hörfunkreporter der ARD verspätete sich ein wenig und
mischte die beginnende Verhandlung durch fahrige Bewegungen mit seinem NobelWollschal noch einmal ein wenig auf.
Vizepräsident Dr. Peters leitete die Verhandlung; ihm zur Seite standen zwei junge
Berufsrichterinnen, eine Laienrichterin und der sympathische türkischstämmige
Laienrichter Özdemir (ganz links im Bild), dessen Hausverstand im Verfahren eine Rolle
gespielt haben wird. Es ist ein Glück für den deutschen Staat, dass auch Menschen wie
er Recht sprechen.
Gleich zu Beginn wurde deutlich, dass die dpa im Vorfeld der Verhandlung eine
Meldung über eine angebliche Ansicht des Gerichts zur rechtlichen Beurteilung des
strittigen Sachverhalts buchstäblich erfunden hatte. Alle Richter bestritten, jemals der
dpa gegenüber angegeben zu haben, man sehe die Überwachung Hoffmanns,
abgesehen von den offensichtlich rechtswidrigen Aspekten derselben, „nicht kritisch“.
Der anwesende Reporter der dpa errötete dabei nicht.
Peters kennt seine Pappenheimer vom Bundesministerium und man konnte sich des
Eindrucks nicht ganz erwehren, dass es seine Sorgenkinder sind. Immer wieder waren
Formulierungen zu hören wie „da haben wir doch schon öfter darüber gesprochen,
dass es da Möglichkeiten gibt, das intern sinnvoll zu regeln“... die Mission des Dr.
Peters und seiner Kammer stellte sich als die eines gütig-väterlichen Aufsichtsorgans
dar, das die allzu wildesten Auswüchse rechtswidriger Verwaltungskultur
zurückzudrängen sucht.
Gegenstand der Verhandlung waren Überwachungsmaßnahmen aus den Jahren 2012
und 2013, als man Hoffmanns Konten und Steuerakten öffnen ließ, seinen Postverkehr,
seine Telefonate und Mails lückenlos überwachte. Kein Prozessteilnehmer schien
ernsthaft zu glauben, dass jene Episode der Überwachung tatsächlich 2013 beendet
worden sei. Das Gericht konzentrierte sich aber auf Hoffmanns Beschwerde gegen
diese Totalüberwachung, die ihm Ende 2013 schriftlich bekannt gegeben worden war.
Die Beklagte (also das BMI) begründete die damalige Überwachung mit dem Hinweis
auf die angebliche Gründung einer terroristischen Organisation, der Hoffmann als
„Senior“ angehört haben hätte sollen. Dieser Hinweis ist inhaltlich identisch mit der
Einflüsterung eines gewissen Mario K. gegenüber dem ehemaligen Mitglied der WSGAusland, Odfried Hepp. Alle im Saal kannten also die Identität des „Hinweisgebers“
und wohl auch seine Rolle als Provokateur.
Das BfV hatte sich also vom Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz einen
Grund für die Überwachung Hoffmanns liefern lassen und der Zuträger war allen
Prozessbeteiligten namentlich bekannt. Mario K. hatte Schauergeschichten erzählt,
sowohl dem Verfassungsschutz als auch Hepp, und das BfV hatte diese
Schauergeschichten als ernsthafte Hinweise auf die Gründung einer terroristischen
Organisation behandelt.
Im Vorfeld der Verhandlung hatte das BMI bereits eingeräumt, dass ein Teil der
Überwachungsmaßnahmen rechtswidrig gewesen waren; in der mündlichen
Verhandlung wurde also nur noch über die angebliche Plausibilität der
Schauergeschichten des möglichen Provokateurs Mario K. verhandelt. Zusätzlich kam
der Umstand zur Sprache, dass nicht der Präsident des BfV oder sein Stellvertreter die
Anträge zur Totalüberwachung unterzeichnet hätten, wie es eigentlich vorgesehen
gewesen wäre, sondern bloß irgendwelche Abteilungsleiter.
Ministerialrat Sch. (vorne rechts), ein krebsroter gedrungener Sechziger, vermochte
seinen Zorn nur unvollkommen zu bemänteln. Hoffmann, der (womöglich nicht ganz
ohne Berechnung) zurückhaltend und versöhnlich auftrat und immer wieder um ein
Anerkenntnis des Rechtsirrtums des Ministeriums ersuchte, schien den Mann gehörig
aufzuregen. Nach einer Verhandlungspause, als die Fenster wieder geschlossen
werden sollten, drosch der saubere politische Beamte im lässigen Rückgriff das
Fenster neben ihm in einer Weise brutal und überraschend zu, dass einem um den
Schädel des linksliberalen Journalisten hinter ihm Angst und bange werden konnte.
Der stets verschmitzt lächelnde vorsitzende Richter deutete dann bald an, dass er den
Kern jener Intrige, die zur Überwachung Hoffmanns geführt hatte, nicht behandeln
wollte. So viel Staatsschutz musste sein. Unvermeidlich und nicht ohne Ironie auch der
Hinweis darauf, dass Nichtjuristen eine solche Haltung vielleicht unverständlich sein
könne, Menschen in Robe aber natürlich seiner Meinung zu sein hätten.
Routiniert wurde die Frage abgehandelt, ob ein Abteilungsleiter des BfV dazu
berechtigt sein könne, als Stellvertreter des Behördenleiters aufzutreten und
entsprechende „Plausibilitätsprüfungen“ von Hinweisen auf das Bestehen
terroristischer Organisationen durchzuführen, obwohl der Behördenleiter im Haus ist
und monatelang zur eigenhändigen Unterzeichnung Zeit hat. Hier schimpfte der
Richter ein wenig mit dem BMI; allzu frei sollten die gesetzlichen Vorschriften denn
doch nicht auslegt werden. Dass es für einen solchen Behördenleiter kaum möglich ist,
seine Unterschrift unter einen Überwachungsantrag zu setzen, der die
Schauergeschichten des Mario K. zur Grundlage hat, kam natürlich nicht zur Sprache.
Hoffmann deutete an, vielleicht einen Strafprozess, später noch einen Zivilprozess
führen zu wollen, in dem Hepp für ihn aussagen könne und man die Rolle des Mario K.
näher beleuchten würde.
Solche Andeutungen führten unvermittelt zur Kostenfrage, die für Hoffmann als
Problem im Raum stand. Wer wollte, im Fall eines teilweise negativen
Prozessausgangs, auch nur anteilig, die Anwaltsrechnung von Redeker, Sellner und
Dahs bezahlen? Geschickt plauderte der lächelnde Richter übers Geld und baute dem
BMI goldene Brücken; dieses möge doch überlegen, ob man im Fall einer teilweisen
Rücknahme der Klage durch Hoffmann den eigenen Anwalt selber bezahle. Das sei
doch möglich. Und Hoffmann könne doch die Gerichtskosten niederschlagen lassen,
also ohne Zahlungen davonkommen.
Und so einigte man sich denn. Nachdem eine mysteriöse Dame im hinteren Teil des
Raums konsultiert worden war, schluckte das BMI die Kröte und zahlte sich den Anwalt
selber. Dass die Maßnahmen teilweise rechtswidrig gewesen waren, hatte man ohnehin
schon eingeräumt. Hoffmann zog seine Klage teilweise zurück, Prozess eingestellt. Der
Schreiber dieser Zeilen flüsterte der mysteriösen Dame, die den bärbeißigen
Ministerialrat und seinen seltsamen Anwalt gut unter Kontrolle gehabt hatte, „schöne
Grüße an Mario K.“ zu und schlich nach Haus.