Parteiversammlung BDP Schweiz Samstag, 5. September 2015, Aarau Referat von Andrea Meier, Präsidentin JBDP Sperrfrist: Samstag, 5.9. 2015, 10 Uhr Politik betrifft Menschen Sehr geehrte Frau Bundesrätin Geschätzter Herr Präsident Liebe Parteifreunde An der heutigen Delegiertenversammlung darf ich zum Thema „Politik betrifft Menschen“ sprechen. Sie können sich wahrscheinlich bereits alle denken, was der Fokus meines Referats sein wird. Es sind aufwühlende Worte, die mir in den Sinn kommen, wenn ich an die Berichterstattung in den Medien in den letzten Wochen denke. Furcht, Leichen, Todesangst, Schlepperbanden, Waffen, Schreie, Gedränge, Flucht, Grenze, Überleben und nicht zuletzt Verständnislosigkeit. Verständnislosigkeit für diejenigen, die auf ihrem eigenen TV Sender von „Asylchaos“ in der Schweiz reden, während in Österreich aus einem Lastwagen Verwesungsflüssigkeit tropft. Die Art und Weise, wie in der Schweiz momentan über Flüchtlinge und das Asylwesen debattiert wird, ist beschämend. Wir müssen bedenken, dass die Schweiz bislang weitestgehend von den grossen Flüchtlingsströmen verschont wurde. Im Vergleich zur Kosovo-Krise um die Jahrtausendwende hält es sich wahrlich in Grenzen. Die Asylgesuche steigen nur moderat an, wie das Staatssekretariat für Migration jüngst veröffentlicht hat. Die Schweiz pflegte bis anhin eine humanitäre Tradition, die in den letzten Wochen massiv attackiert wurde. Wenn SVP-Politiker auf Facebook Bilder von überfüllten Booten teilen und dazu schreiben „Die Fachkräfte kommen“, dann ist an eine humanitäre Tradition nicht zu denken. Solche Montagen finden auch die Nazis von der NPD lustig. Und in diesem Moment finde ich es gar nicht mehr lustig. Und nicht nur in den letzten Wochen wurde unsere Gastfreundschaft in den Dreck gezogen. Es scheint, als ob sich unsere Toleranzgrenze in Sachen Fremdenfeindlichkeit in den letzten Jahren verschoben hat. Im Gesetz heisst es, ein Flüchtling sei, wer an Leib und Leben bedroht sei. Und wer dies ist, der darf kommen und bleiben. Ich frage mich mittlerweile, wie viele Schweizerinnen und Schweizer, aber auch Politiker, diesen Satz noch ernst nehmen. Ist die humanitäre Tradition der Schweiz also bereits zur Floskel verkommen? Ich hoffe es nicht. Weiss es aber auch nicht. Aber ich weiss, dass Völkerwanderungen stattfinden, seit es Menschen gibt. Die Menschen sind stets dorthin gewandert, wo es in ihren Augen eine Zukunft für sie gab. Sie folgten dem Wohlstand. Es gab Zeiten, in denen auch die Bewohnerinnen und Bewohner der Schweiz ihr Schicksal in die Hände genommen und ihr Glück in der Fremde gesucht haben – auch wir waren einmal Wirtschaftsflüchtlinge. Heute gehört die Schweiz dank ihres Wohlstands und des hohen Lebensstandards zu einem attraktiven Anziehungspunkt der weltweiten Migration. Eigentlich ist das ein grosses Kompliment an die Attraktivität unseres Landes. Es ist ein Privileg, in der Schweiz geboren zu sein. Darauf bin ich jeden Tag stolz. Mit diesem geschenkten Privileg müssen wir Schweizer sorgfältig und verantwortungsvoll umgehen. – Aber wir dürfen dabei nicht vergessen, dass wir in eine bessere Welt hineingeboren wurden. Dieser Tatsache müssen wir unbedingt Rechnung tragen, wenn wir über andere Menschen und über andere Länder urteilen. Über Menschen, die nicht das Glück hatten, in diesem Land geboren zu werden. Nicht wenige Menschen suchen Zuflucht in der Schweiz, weil sie zu Hause an Leib und Leben bedroht sind oder weil sie schlichtweg keine Perspektive mehr sehen – kein Privileg des Wohlstandes geniessen. Als so genannte Wirtschaftsflüchtlinge oder Wohlstandsmigranten bezeichnen wir diese Menschen oft, ja immer öfter. Das tönt relativ abschätzig und unterstellt quasi ein missbräuchliches Verhalten. Mir ist durchaus bewusst, dass wir bei allem Wohlstand nicht endlos Platz haben, um allen Menschen in diesem Land eine Perspektive zu ermöglichen, die das gerne hätten. Und als souveränes Land ist es selbstverständlich unser Recht, oder gar unsere Pflicht, zu entscheiden, wer hier bleiben, arbeiten und wohnen darf, wer hier nur vorübergehend und wer hier gar nicht bleiben darf. Bei der Frage, ob jetzt nun ein Wirtschaftsflüchtling oder nicht, dürfen wir eines nicht vergessen: Es geht nicht nur darum, dass diese Menschen an unserem Wohlstand teilhaben wollen, sie können auch zu diesem beitragen. Nicht zuletzt deshalb müssen wir Sorge tragen zu unserer bewährten humanitäre Tradition, welche anderen Menschen Gastfreundschaft anbietet, solange sie zu Hause bedroht sind und solange sie sich an die Spielregeln in der Schweiz halten. Wir müssen jetzt handeln, damit die humanitäre Tradition nicht weiter an Akzeptanz in der Bevölkerung verliert, weil Politiker der SVP und anderer Parteien möglichst strenge Massnahmen gegen Flüchtlinge und Asylbewerber fordern und ein Asylchaos orten, wo es keines gibt. Es braucht eine glaubwürdige und in mehrerer Hinsicht auch restriktive Asylpolitik. Dabei müssen insbesondere Missbräuche mit aller Konsequenz verfolgt und geahndet werden. Ebenso müssen die Asylverfahren möglichst rasch und unbürokratisch abgewickelt werden. Es wäre utopisch zu glauben, mit einem hohen Zaun könnten wir uns von diesem internationalen Problem ausschliessen. Genauso so naiv ist es aber zu meinen, das Flüchtlingsproblem als Schweiz alleine lösen zu können. Das Dublin-Abkommen muss von der Schweiz genauso eingehalten werden, wie sie es bei anderen Staaten einfordert. Migration ist eine globale Herausforderung und kann nur von international kooperierenden Ländern gemeistert werden. Denken wir nur an die unsäglichen Missstände und Katastrophen im Mittelmeer-Raum, die nur durch eine internationale Bekämpfung des Schlepper-Wesens aufhören können. Aber auch wir als Gesellschaft, als Schweizerinnen und Schweizer, müssen uns fragen: Was machen wir mit diesen Flüchtlingen? Wie integrieren wir sie in den Arbeitsprozess und schliesslich in unsere Gesellschaft? Für die BDP ist klar: Wer in der Schweiz bleiben darf, soll sich möglichst rasch integrieren. Dazu steht für die BDP eine bessere und effizientere Eingliederung in den Arbeitsprozess im Vordergrund. Bei der Erwerbstätigkeit von Asylbewerbern liegt noch viel ungenutztes Potential brach. Die Integration in den Arbeitsmarkt verbessert auch die gesellschaftliche Eingliederung und kann Missbräuche reduzieren. Gleichzeitig wird die Abhängigkeit von anderen ausländischen Arbeitskräften verringert, was zu einer tieferen Zuwanderung führt. Nichtsdestotrotz kann ich nachvollziehen, wenn davor gewarnt wird, dass die Migration für unser Land auch zu einer Belastung werden kann. Es hat schon immer Leute gegeben, die das dramatisiert und das als existentielle Bedrohung gesehen haben. Aber auch hier lehrt uns die Geschichte, dass die Schweiz auch solche Herausforderungen immer gemeistert hat und dass diejenigen Unrecht bekamen, welche jeweils das Land kurz vor dem Untergang gesehen haben. Abschliessend möchte ich folgende Botschaft auf den Weg geben: Wir dürfen nicht vergessen, dass es bei diesem politischen Thema um Menschen geht. Menschen, die sich schlicht und einfach auf der Suche nach einem besseren Leben befinden. Menschen, die weniger Glück im Leben hatten, als Sie und ich. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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