Springer, Gerhard: Der transaktionale Raum der therapeutischen

Der transaktionale Raum der therapeutischen Begegnung:
Ein Möglichkeitsraum*
Gerhard Springer
Die Tiefenpsychologische Transaktionsanalyse stellt eine Rückbesinnung
und Überarbeitung Eric Berns psychoanalytischer Wurzeln der Transaktionsanalyse dar und war die Basis der Anerkennung der Transaktionsanalyse als
wissenschaftliche Psychotherapie in Österreich. Wesentliche Elemente unseres
Zugangs zum Menschen werden an Hand der Bearbeitung des Falles zu erkennen sein.
• Der transaktionale Raum der therapeutischen Begegnung als Handlungsraum und Möglichkeitsraum.
• Der Bericht über eine Supervisionssitzung und einzelne traumatische
Punkte.
• Was in dieser Supervisionssitzung war hilfreich und warum war das so.
• Die grundlegenden Instrumente und Sichtweisen der Tiefenpsychologischen Transaktionsanalyse.
1. Der transaktionale Raum der therapeutischen Begegnung:
Handlungsraum und Möglichkeitsraum
In der therapeutischen Begegnung entsteht ein gemeinsamer Raum ein gemeinsam geteilter Raum in wechselseitigem Miteinander (Winnicott 1967/
1979). Wenn nicht nur Symptome behandelt werden (aber auch da), entsteht
der gemeinsame Raum der äußeren und inneren Welten, die miteinander geteilt werden. Der Handlungsraum, nach Khan (1993) der konkrete Raum, ist
der äußere Raum, wo jemand zu spät kommen kann, im Wartezimmer immer
eine halbe Stunde zu früh da ist, etwas liegen lassen kann, immer wieder zum
falschen Zeitpunkt kommt und weggeschickt werden muss etc. Es ist der
Raum in dem sich die Patienten aufhalten können, etwas mitbringen oder nie
etwas mitbringen, so wie eine Patientin die mir zwei Jahre lang jede Stunde
eine Süßigkeit mitbrachte und nichts sehnlicher wünschte, dass ich das Süße
esse, während sie mir zuschauen würde. Zum Handlungsraum im erweiterten
peutischen Instrumentarien, Techniken und das Gesamtsetting: Transaktionen
analysieren, Ich-Bilder und Ich-Zustände analysieren, Introjektionen, Fixierungen und das Lebensskript analysieren etc.
Das alles sind Voraussetzungen einen zweiten Raum, den Möglichkeitsraum (Kahn 1993) abzugrenzen und ihn zu definieren. Der Möglichkeitsraum
ist der Raum, in dem verborgene Stimmungen und psychische Experimente
zugelassen werden können, die das Ich noch nicht zu realisieren vermag. Es ist
ein gemeinsam geteilter Raum in wechselseitigem Miteinander. Es ist ein
Raum, der dann entstehen kann, wenn er durch angemessene Technik und
Abstinenz freigemacht wird. Es ist nicht des Raum des Patienten allein, es ist
ein gemeinsamer Raum, ein Raum des wir.
Verschiedene therapeutische Richtungen, auch innerhalb der Transaktionsanalyse, geben dem jeweiligen Verhältnis von Handlungsraum und Möglichkeitsraum unterschiedliche Gewichtung. Grundsätzlich sind in jeder therapeutischen Richtung beide Seiten da. Die zielorientierten, verhaltensmodifizierenden Richtungen, zu denen auch die weit verbreitete übliche Transaktionsanalyse gehört, geben dem Handlungsraum Priorität, manchmal scheinen sie so
etwas wie den Möglichkeitsraum gar nicht zu kennen. Es geht dann um Veränderungsverträge, Hausaufgaben und Ziele, manchmal um Kontrolle.
Die tiefenpsychologisch/psychoanalytischen Richtungen, zu denen sich
auch die Tiefenpsychologische Transaktionsanalyse zählt, vertrauen darauf,
dass die Modifizierung der inneren Welt, die strukturelle Veränderung der
Persönlichkeit auch zu äußeren Veränderungen der Lebenshaltung führt,
Symptome nicht mehr notwendig sind. Voraussetzung dafür ist die Errichtung
eines Möglichkeitsraumes, in dem Patient und Therapeut mit verborgenen,
dem Ich noch nicht zugänglichen Stimmungen, in Kontakt kommen.
2. Eine Supervisionssitzung
Eine Kollegin verlangt sehr dringend eine Supervisionssitzung. Sie weiß
nicht mehr weiter, steckt, zweifelt, ob sie überhaupt als Therapeutin weiterarbeiten kann. "Ich sehe überhaupt keine Möglichkeit, ich habe keinen Raum
mehr." Es bewegt sich überhaupt nichts bei der Patientin. Die depressive Pati-
MAN, beispielsweise "Wie fühlt MAN sich denn, wenn der 11 jährige Sohn in
die Psychiatrie kommt, wie soll es einem da gehen?", "Was soll MAN denn
machen, wenn MAN so depressiv ist?".
Die Patientin wurde 1946 in einem Lager im Ruhrgebiet geboren, wo die
Eltern während der Flucht, in den Kriegswirren gelandet sind, ortlos und ohne
Perspektive. Der 1 1/2 jähre jüngere Bruder, von dem die Patientin erst erfuhr,
als sie 13 Jahre alt war, wurde 1944 von russischen Soldaten mit dem Gewehrkolben erschlagen - in den Armen der Mutter erschlagen - als diese auf
der Flucht war, irgendwo in Deutschland. Die Mutter fiel nach diesem Mord in
einen länger dauernden Zustand schweren Rückzugs, von dem sie sich auch
zur Zeit der Geburt der Patientin noch nicht völlig gelöst hatte.
Die Kollegin klagte dann, dass die Patientin alles nur auf der Handlungsebene sehen und benennen kann, keine Gefühle hat, und was in unserem Zusammenhang wichtig ist, außer der Erzählung vom Tod des Bruders, im 13.
Lj, nur eine einzige Erinnerung an die Kindheit hat:
Als die Patientin fünf Jahre alt war, ging sie neugierig zum Garten des
Nachbarn um die jungen, kleinen Kücken, die gerade geboren waren, anzuschauen. Sie stieß an das alte Gartentor, es fiel auf die jungen Kücken und
erschlug im Fall alle Kücken. Die Patientin lief nach Hause, erzählte den Vorfall, wurde beschimpft und geschlagen. Die Eltern mussten den Verlust der
Nachbarin ersetzen, obwohl sie wenig Geld hatten. Soweit die Erinnerung der
Patientin.
Nachdem mir die Kollegin diese Geschichte erzählt hatte, klagte sie, dass
in der Therapie nichts weitergehe, dass sie selbst schon ganz fertig sei. Die
Kollegin weiß nicht weiter, fühlt sich wie gelähmt und hat Zweifel, ob sie
denn überhaupt Therapeutin sein könne.
Nach längerem Schweigen sagte ich zur Kollegin: "Sie sitzen mit der Patientin im Therapiezimmer und können sich nicht bewegen. Draußen ist der
Tod, der Mord. Es ist ein vierfacher Tod.
Der fürchterliche Mord am Bruder - in den Armen der Mutter ist Tod
Der Seelentod der Mutter, die tote Mutter, ihre schwere Depression
Der Tod der Kücken als Folge lustvollen Wünschens
Der Tod der Lebendigkeit der Patientin als sie fünf Jahre alt war.
Wenn sich die Patientin ihnen zärtlich nähert, wenn sie sich der Patientin
zärtlich nähern, sie also in ihren Armen liegen würde, wird die Patientin er-
gen werden wie die Küken - und die Patientin wird wieder eine Mörderin sein.
So erhält die Patientin sie, die Therapeutin, und sich selber am Leben, indem
sie nichts tut und verhindert, dass sie etwas tun können. Die Patientin sitzt im
Therapiezimmer am Sessel und kann den Raum nicht verlassen und sie als
Therapeutin haben keinen Raum, solange nicht ausgesprochen ist, dass sie, die
Therapeutin, eine todbringende Mutter sind und die Patientin eine Mörderin
ist."
Meine Überlegung hinter dieser deutlichen Sprache war folgende: Wenn
"das" aussprechbar wird, was noch nie gesagt wurde, dann wird ein psychischer Raum gebildet, ein Möglichkeitsraum verborgener Stimmungen und
Gefühle. In diesem Möglichkeitsraum kann durchgespielt werden, was das Ich
noch nicht erträgt. Es scheint so, dass das Ich der Patientin noch nicht erträgt,
den Tod des Bruders und zugleich die Seelentod-Stelle der Mutter übernommen zu haben, dass alles Leben, alle Lebendigkeit ein Stellvertreterleben für
den Bruder und ein Aufmunterungsleben für die Mutter ist. Leben gegen den
Tod und Lebendigkeit gegen die seelentote Mutter, ein Auftragsleben, nicht
ein Eigenleben. Es scheint so, dass die lustvolle, neugierige Annäherung an
die Kücken, der Persönlichkeitsanteil ist, in dem sich die Patientin als eine
(ödipale) Mörderin fühlt und in dem sie zugleich ihre eigene Lust und Lebendigkeit töten musste. Es scheint so, dass dies vom Ich noch nicht ertragen
werden kann.
So kann die Patientin nicht "ich" sagen, weil sie sich noch gar nicht gemeint weiß. Sie kann auch nicht "du" sagen, sich annähern und anvertrauen,
weil das Du den Tod bedeutet. Sie ist also noch gar nicht ich und doch schon
eine Mörderin. Wenn es nun gelingen könnte, das alles auszusprechen, diesen
verborgenen Stimmungen eine Sprache zu geben und damit einen gemeinsamen Raum zu eröffnen, dann könnte das gemeinsame psychische Experiment
beginnen.
3. Was war in dieser Supervisionssitzung hilfreich?
Ausgehend davon, dass die Kollegin Veränderungen im Äußeren sehen
wollte, genau so wie die Patientin, dass beide also auf den Handlungsraum
fixiert waren, dass beide sich gelähmt fühlten, die Patientin in ihrem Zimmer
sitzend, die Kollegin im Therapieraum, dass beide in einem parallelen Prozess
gestörten transaktionalen Austausches gefangen waren, richtete ich meine
Benennen, was ist
Unsere größte Schwierigkeit als Therapeuten ist, dass wir, genauso wie die
Patienten, nicht ertragen, was wirklich ist. Jetzt ist diese doppelte, ja vierfache
Todesstelle fast nicht zu ertragen. Es geht ja nicht nur um den Mord am Bruder. In den Armen der Mutter (Therapeutin) ist Tod, das heißt es. Das ist eine
Introjektion, die von Anfang an da war, obwohl sie 13 Jahre lang nicht ausgesprochen wurde. Die Stellvertreterexistenz der Patientin, der tote Bruder wird
durch das Schwesterchen ersetzt, auch das 13 Jahre unausgesprochen, muss
ausgesprochen werden, bevor die Patientin "ich" sagen wird können. Das
Introjekt "toter Bruder" und "Ersatzschwesterchen" erhält seine psychische
Mächtigkeit gerade durch das Unaussprechlich-Unausgesprochene.
Der Seelentod der Mutter, ihre schwere Depression, das Introjekt "tote
Mutter" muss benannt werden können und von beiden, der Patientin und der
Therapeutin ertragen werden können. Der Tod der Kücken als Folge lustvollen
Wünschens und die damit verbundene Vorstellung eine Mörderin zu sein, wir
bezeichnen dies als eine ödipale Fixierung, braucht das Benannt-werden.
Der Tod der Lebendigkeit der Patientin, als sie fünf Jahre alt war, das Sterben des lustvollen Wünschens, der Neugierde und des ödipalen Zupackens, als
eine frühe, nicht von der Ratio, sondern von kindlichen Emotionen getragenen
Entscheidung, eine Fixierung die so lebensbestimmend sein wird, muss benannt werden.
Das Benennen gibt dem Verborgenen eine Wirklichkeit, es ist eine Erlaubnis zu wissen und zu spüren, was wahr ist. Dieses Benennen geschieht zur
Therapeutin hin und soll in der Therapeutin einen Möglichkeitsraum eröffnen.
Die Patientin könnte dieses Benennen wahrscheinlich noch nicht ertragen.
Den unbewussten Wunsch der Kollegin, die gedeckte Transaktion, beantworten
Es gibt eine Parallele zwischen Patientin und Therapeutin. Die Patientin ist
gelähmt, verwirrt und verweigernd. Sie zwingt ihre Therapeutin diese Gefühle
nicht nur zu hören, sondern gewissermaßen selbst zu fühlen, am eigen Leib
und in der eigenen Seele wiederzufinden, sich selber ganz und gar genau so zu
fühlen wie die Patientin, die das alles zum Teil noch gar nicht aussprechen
kann. In der Therapeutin wirkt dies wie eine projektive Identifizierung.
Irgend jemand Dritter muss kommen, der das gewissermaßen verdauen
kann - und vorverdaut an die Kollegin zurückgibt, die dann ihrerseits es an die
Die gedeckte Transaktion der Kollegin an mich heißt nicht einfach "Hilf
mir, wie kann ich es besser erkennen, was mich so lähmt, wie kann ich eine
bessere Therapeutin sein", sondern „Sei ein erlösender Dritter in dieser tödlichen Frauengeschichte von Mutter, Patientin und Therapeutin“ Das ist meiner
Meinung der Kern der gedeckten Transaktion in der Supervision. Diese
Sichtweise deckt sich auch mit dem Wenigen, das ich über das Skript der
Kollegin weiß.
Die Konstruktion in der Destruktion herausarbeiten:
Die lebenserhaltende Kraft destruktiver Skriptentscheidungen
Sie erinnern sich, ich habe zur Kollegin gesagt, durch das Nichts-tun erhält
die Patientin die Therapeutin und sich selber am Leben. Die Patientin tut
nichts und verhindert, dass die Therapeutin etwas für sie tun kann. Sie sitzt am
Sessel, im Zimmer und kann den Raum nicht verlassen und sie, die Therapeutin haben keinen Raum, solange nicht ausgesprochen ist, dass die Therapeutin
eine todbringende Mutter, und die Patientin eine potentielle Mörderin ist.
Solange für die Patientin innerlich wahr ist, dass die Mutter todbringend ist
und sie selbst eine Mörderin, ist die Verweigerung der Patientin, ihre zentrale
Skriptentscheidung, lebenserhaltend und im höchsten Maße konstruktiv. Anderenfalls würde das Ausmaß der eigenen Aggression der Patientin sie massiv
überschwemmen. Skriptentscheidungen, auch solche die heute destruktiv
wirken, wurden ursprünglich entwickelt um Leben und Beziehung aufrecht zu
erhalten.
4. Zugangsweisen der Tiefenpsychologischen Transaktionsanalyse
Analyse der Transaktionen
Wie das Wort Transaktionsanalyse schon sagt, beschäftigen wir uns primär
mit dem zwischenmenschlichen Austauschgeschehen, der Analyse der Transaktionen. Wir gehen davon aus, dass im gemeinsamen Dialog alles Weitere
auffindbar ist, wie intrapsychische Determinanten (Ich-Zustände) und Glaubensüberzeugungen (Skript).
So setze auch ich in dieser Fallgeschichte zunächst bei den Transaktionen
zwischen der Patientin und der Therapeutin an und bei den Transaktionen
zwischen der Kollegin und mir als Supervisor. Der Übertragungsprozess steht
im Mittelpunkt der Tiefenpsychologischen Transaktionsanalyse. Ich analysie-
Die Ich-Zustandsthorie der Tiefenpsychologischen Transaktionsanalyse
Die Ich-Zustands-Theorie der Tiefenpsychologischen Transaktionsanalyse
bezieht sich auf Berns ursprünglichen Modell der Zustände des Ich. Die im
Eltern-Ich-Zustand zutage tretenden Inhalte nennen wir Introjektionen. Es sind
Verinnerlichungen problematischer Beziehungserfahrungen von bedeutsamen
Anderen, Manifestationen fremder Geschichte. Introjektionen sind auf verschiedenen Alters- und Entwicklungsstadien organisiert.
Der Mord am Bruder, den die Mutter nie verarbeiten konnte, auch lange
Jahre nicht mitteilen konnte, ist eine Introjektion. Die tote Mutter ist eine
Introjektion genau so wie der Stellvertreterauftrag.
Die im Kindheits-Ich-Zustand zutage tretenden Inhalte nennen wir Fixierungen. Es sind die Traumata der eigenen Lebensgeschichte, eingefrorene
Entwicklungsstrebungen verschiedener Alters- und Entwicklungsstadien. Am
Fallbeispiel ist es das lustvoll-wünschende Kind, das ödipale Kind der verlängerten Wiederannäherungszeit, das sich in Folge des Unglücks mit den Kücken als Mörderin schuldig fühlt. Es ist das Kind, das in Folge den Ausdruck
von Aggression stilllegen wird und später nicht mehr fühlen wird.
Die Skripttheorie der Tiefenpsychologischen Transaktionsanalyse
Berne folgend, sehen wir das Skript als "einen Versuch, in abgeleiteter
Form nicht eine Übertragungsreaktion oder ein Übertragungssituation zu
wiederholen, sondern ein Übertragungsdrama, welches oft in Akte unterteilt
ist, die genau wie die Textbücher im Theater intuitive Ableitungen dieser Urdramen der Kindheit darstellen" (Berne 1991, S.188).
Was wir dem hinzufügen, ist dies: Wir verwenden eine entwicklungspsychologische Matrix des Skripts, die uns ermöglicht die Entstehungsgeschichte
und den Verlauf der Skriptbildung Schritt für Schritt nachzuvollziehen. Das
Kernstück der Skriptentscheidung der Patientin dürfte sein, dass sie sich als
Mörderin sieht. Sie muss die Aggression unterdrücken, mit der sie sich gegen
diese Vorstellung wehren könnte und die Aggression in der Verweigerung
ausleben. Dies ist m. E. der Kern ihrer Depression. Das Tragische dabei ist,
dass diese Entscheidung auf dem Hintergrund der unausgesprochenen Ermordung des Bruders und der "toten Mutter" getroffen werden musste. So gesehen
sieht sie sich als eine Mörderin, die einem Mord ihr Leben verdankt. Sie ist
eine Mörderin, die der todbringenden Mutter ihr Leben verdankt und mit der
nander von Traumata, Introjektionen, Fixierungen und konflikthaften Entscheidungen. Die Entwicklungsaufgaben des Kindes in einer bestimmten Altersstufe, seine Bedürfnisse und Fähigkeiten treffen auf den transaktionalen
Entwicklungsraum, den die Eltern in ihrer jeweiligen Geschichte und Umwelt
mit dem Kind zusammen herzustellen imstande sind.
5. Wie könnte die Kollegin die Supervision nützen?
Das Ziel der Supervision war es einen Möglichkeitsraum in der Kollegin
zu schaffen um so den Raum für die Patientin wiederherzustellen.
Wenn die Kollegin mit der Patientin arbeitet, wird sie, aus Sicht der Tiefenpsychologischen Transaktionsanalyse, vor allem auf die Transaktionen
achten, das zwischenmenschliche Austauschgeschehen. Sie wird die verweigernde Aggression der Patientin besser verstehen können und sich selbst weniger als ungenügend erleben. Die massive projektive Identifizierung wird die
Kollegin im Sinn der Tiefenpsychologischen Transaktionsanalyse als psychologisches "Spiel" verstehen können und wissen, dass die Patientin dieses
"Spiel" über einen längeren Zeitraum brauchen wird um so die Aggression im
Beziehungsgeschehen vorverarbeitet zu bekommen anstatt, alleine damit, von
der Aggression überschwemmt zu werden.
In der Tiefenpsychologischen Transaktionsanalyse beginnen wir meist mit
den Themen, die dem Erwachsenen-Ich-Zustand am leichtesten zugänglich
sind. Wir arbeiten gewissermaßen von oben nach unten. Die Kollegin wird
daher das am meisten bewusstseinsfähige Material zuerst bearbeiten. Die
Erinnerung an die Kücken ist das einzige zur Zeit von der Patientin erinnerte
Material, daher wird die ödipale Fixierung zunächst im Zentrum der Aufmerksamkeit der Kollegin stehen. Während die Kollegin mit der Patientin an der
Lähmung arbeitet, die die Folge der ödipalen Fixierung ist, wird der Erwachsenen-Ich-Zustand der Patientin gestärkt. Durch Zuwendung, Interesse, Verstehen und Verlässlichkeit wird die Patientin registrieren, dass sie, im Unterschied zu früher, nicht mehr allein ist. Diese wird ihr im Lauf der Zeit ermöglichen, die schweren tödlichen Introjektionen anzuspüren und zu modifizieren.
6. Noch einmal zurück zum Möglichkeitsraum
nik sind wie der notwendige Hausputz. Es ist notwendig, dass wir eine gewisse Ordnung und Sauberkeit herstellen, wenn wir ein Haus bewohnen wollen.
So verstehe ich den Gebrauch von Theorie und Technik: Als notwendige Voraussetzung, das Haus der Seele zu bewohnen. Theorie und Technik sind Voraussetzung, damit das, was dann geschehen kann, nicht der Beliebigkeit, der
Esoterik, der Therapeutenmacht zum Opfer fällt.
Das psychische Experiment, dieses leidenschaftliche gemeinsame Experiment des Möglichkeitsraumes geht weit über den Hausputz hinaus. Es ist ein
Raum für verborgene Stimmung, versagte Wünsche, verurteilte Phantasien,
für Dinge, die das Ich noch nicht erträgt. In diesem Möglichkeitsraum sitzt der
Patient nicht alleine. Da sitzt nicht ein Patient mit Verborgenem einem gegenüber der weiß, wo es lang zu gehen hat. In diesem gemeinsam geteilten Raum,
im wechselseitigen Miteinander, sitzen zwei zusammen, jeder mit seinen eigenen Wünschen, Phantasien, Ängsten. Und sie machen beide ein Experiment.
Diese therapeutische Haltung ist es, die ich an der Tiefenpsychologischen
Transaktionsanalyse so liebe.
Literatur
Berne, E. (1991): Transaktionsanalyse der Intuition: ein Beitrag zur Ich- Psychologie. Junfermann
Verlag, Paderborn
Khan, M. (1993) Erfahrungen im Möglichkeitsraum: psychoanalytische Wege zum verborgenen
Selbst. Suhrkamp, Frankfurt
Winnicott, D. (1979) Reifungsprozesse und fördernde Umwelt. Fischer, Frankfurt
Zusammenfassung
Am Beispiel einer Supervisionssitzung wird der Möglichkeisraum der therapeutischen Begegnung, in dem verborgene Stimmungen und psychische Experimente zugelassen werden können, die das Ich noch nicht realisieren kann,
dargestellt und beschrieben. Weiters werden Zugangsweisen, die die therapeutische Arbeit der Tiefenpsychologischen Transaktionsanalyse, kennzeichnen,
sichtbar gemacht.
Anschrift des Verfassers:
Dipl. Theol. Gerhard Springer