Bodybuilding für die Seele – wie schaffe ich es auch in Krisen stark zu bleiben? Artikel von Dagmar Strehlau Voller Schreibtisch, überquellendes E-Mail-Fach, das Handy läutet permanent und die Kollegen stehen Schlange um mit Ihnen noch die wichtigsten Punkte für die laufenden Projekte abzustimmen – die normale Arbeitssituation bei Ihnen? Macht Ihnen eine solche permanente Herausforderung Spaß oder fühlen Sie sich überfordert und haben den Eindruck auszubrennen und die 5. Kerze auf dem Adventskranz zu sein? Alles eine Sache der persönlichen Vorlieben und vielleicht auch der Lerngeschichte. Wird der Stress hoch und haben wir viel zu tun, jammern wir alle einmal ganz gerne. Die Frage ist wann es grundsätzlich zu viel wird und der Stress zu einer Erkrankung führt und wann er noch erträglich bleibt. Bei vielen Menschen ist es sogar erstaunlich, denn für diese ist der Stress mehr eine Herausforderung, die sie weiterbringt und eher im Sinne einer persönlichen Weiterentwicklung verstanden wird. Das „Jammern oder Klagen“ ist übrigens per se nicht negativ, sondern hilft die Belastung zu teilen und ein wenig den Druck abzubauen. Der soziale Kontakt ist in stressigen oder belastenden Zeiten sehr wichtig, um ein wenig von der Last an andere abzugeben und so die Situation besser zu bewältigen. Aber warum kommen nun einige Menschen besser mit stressigen und belastenden Zeiten zurecht als andere? Häufig spricht man in diesem Zusammenhang auch von dem Resilienzfaktor oder Stehaufmännchen-Effekt. Diese Stärke in der Resilienz definiert man im Regelfalle als eine Charaktereigenschaft, die in uns Menschen angelegt ist. Interessant finde ich hier den Ansatz von Bonanno, der nicht mehr von dem Resilienzfaktor spricht, sondern von der Summe vieler Dinge, die die Bewältigung von Krisen und Stresssituationen erleichtern (Gielas, A.). Angefangen von einem gut funktionierenden sozialen Netzwerk, das uns hilft schwierige Situationen, nicht nur emotional, sondern auch ganz profan organisatorisch besser zu bewältigen; z.B. indem man jemanden findet, der die Kinder von der Schule abholt, wenn das Meeting wieder länger dauert. Oder auch emotional, jemand der tröstet, zuhört und in der Entscheidungsfindung unterstützt. Werde ich als Führungskraft freigesetzt, bedeutet dies ein hoher Stressfaktor, habe ich ein entsprechendes finanzielles Polster, lässt sich die Arbeitslosigkeit besser bewältigen, als wenn ich vor Seite 1 von 3 Copyright ANXO MANAGEMENT CONSULTING GmbH einer wirklichen elementaren Notsituation stehe. Gleichzeitig hilft ein gutes und belastbares persönliches Netzwerk einen Wendepunkt in der eigenen Karriere besser zu verkraften. Natürlich liegt es auch an der Auffassung, die ich vom Leben habe, es ist das alte Sprichwort des halbleeren und halbvollen Wasserglases. Ist Stress eine Herausforderung, die ich bewältigen will, so positioniere ich darin viel positiven Stress. Sehe ich per se das Glas halbleer und die Situation als eigentlich nicht mehr lösbar, gebe ich mir von vorneherein weit weniger Chancen das Problem oder der Masse der Aufgaben Herr zu werden und sie zu bewältigen. Im Grunde sind wir alle zäh und verfügen über viel Kraft auch schwierige Situationen zu meistern. Was uns blockiert ist häufig unser Gehirn, das versucht die Informationsflut zu bewältigen und so auch falsche Einschätzungen des Gefahrenpotenzials einer Situation zulässt (Gielas, A.). Um schwierige Situationen zu meistern hat Bonanno ein Konzept entwickelt, welches jedem von uns hilft seine Resilienz ein wenig zu stärken und weiter aufzubauen (Gielas, A.): Der Grundgedanke dabei ist Kontrolle über die Gedanken und das Verhalten angesichts von Krisen zu gewinnen. Eine sogenannte „regulatorische Flexibilität“ hilft hierbei mit Schicksalsschlägen und Herausforderungen besser umzugehen und sich individuell auf die jeweilige Situation einzustellen. Wenn ein Schicksalsschlag oder eine Krise auftritt, so sollte man sich folgende Punkte zu Herzen nehmen: 1. Die Lage und die Begleitumstände überprüfen. Sich die Frage stellen: „Was ist mir passiert? Wie gehe ich damit um?“ 2. Die Sachlage feststellen und genau überlegen, was getan werden muss und welche Ressourcen zur Verfügung stehen, die bei der Bewältigung helfen können. 3. Reflexion: Immer wieder prüfen, ob man sich in der richtigen Richtung bewegt. Ob die Anfangsstrategie die richtige ist oder ob man doch noch andere Alternativen finden sollte. Manchmal muss man auch Lösungen wieder ändern und neue Wege finden. Die Kraft immer wieder zu reflektieren und die eigenen Entscheidungen in Frage zu stellen, muss man allerdings auch dazu aufbringen. Eine Entscheidung kann am Anfang einer Krise die richtige gewesen sein, zu einem späteren Zeitpunkt ist sie überholt und muss durch eine neue ersetzt werden. (Gielas, Bonanno, 2014) Seite 2 von 3 Copyright ANXO MANAGEMENT CONSULTING GmbH Simpel? Ja, wie vieles im Leben. Bewege ich mich in einer kritischen Situation und muss dann erst noch durch eine komplexe Problemlösestrategie durch, dann wird es selten funktionieren. Bewältigungsmaßnahmen müssen umsetzbar sein und dürfen uns in unserem Handeln nicht blockieren, sondern sollen uns möglichst schnell und einfach helfen. Es ist manchmal erstaunlich, was wir bewältigen können. Wie oft haben Sie schon vielleicht über sich selbst gestaunt, dass Sie Dinge geschafft haben, die Ihnen am Anfang als unmöglich erschienen. Es gibt auch keine Pauschallösungen; resilient auf Stresssituationen zu reagieren, ist immer stark individuell geprägt. Es muss zur Situation, den Umständen und zu einem selbst passen. Vielleicht hilft Ihnen das „Konzept der regulatorischen Flexibilität“ ein wenig weiter und lässt Sie erst gar nicht zu einem „Streßoholic“ werden, sondern hilft Ihnen Ihren Resilienzfaktor weiter aufzubauen. Allerdings braucht der Aufbau von Resilienz Zeit, bis sie wirklich in einem selbst implementiert ist, Resilienz muss sich aufbauen – einfach schon dadurch bedingt, dass sie nicht nur ein Faktor ist, sondern von vielen Dingen abhängt. Aber der bewusste Umgang damit und ein wenig Aufmerksamkeit für die eigene Zähigkeit, hilft hier vielleicht schon etwas weiter... Haben Sie Fragen dazu? Wir helfen Ihnen gerne weiter! Sie erreichen uns per Mail unter [email protected] oder unter Telefon 06192 40 269 0. Quelle: Gielas, A.: “Der Mensch ist ein zähes Tier”. Interview mit dem Psychologen George Bonanno. Brand 1, November 2014 Friedrich, K.: Arbeitsdruck schlägt auf die Psyche, Reflex Verlag, Financial Times, Oktober 2011 Schnabel, U.: Resilienz – Die Kraft aus der Krise. Zeit Online November 2015. www.zeit.de/2015/45/resilienz-forschung-krisenbewaeltigung Seite 3 von 3 Copyright ANXO MANAGEMENT CONSULTING GmbH
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