Seite 44 bis 45 - Bayerisches Zahnärzteblatt

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BZB Dezember 15
Praxis
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Die Seiteneinsteiger:
Dem Zement treu geblieben
Dr. Werner Sigl ist gelernter Maurer
Es war alles andere als ein gerader Weg, der
Dr. Werner Sigl zur Zahnmedizin führte. Im Interview mit dem Bayerischen Zahnärzteblatt beschreibt er ihn.
BZB: Sie haben zunächst eine Maurerlehre gemacht.
Wieso?
Sigl: Die Lehre war eigentlich nur ein Mittel zum
Zweck. Sie war Voraussetzung für das Studium am
Polytechnikum Regensburg, der heutigen Fachhochschule. Dort wollte ich Architektur beziehungsweise Hochbau studieren. Nach der Lehre
arbeitete ich auch gar nicht richtig als Maurer,
sondern begann gleich mit dem Hochbau-Studium. Nur während des Studiums arbeitete ich
als Maurer, um mir meinen Lebensunterhalt zu
verdienen.
Nach dem Studium hat Dr. Werner Sigl in Sierra Leone als Zahnarzt
gearbeitet. Eine Erfahrung, die ihn für sein weiteres Leben zutiefst
geprägt hat.
halb entschied ich mich, das Abi nachzuholen
und noch etwas anderes zu studieren.
Fotos: privat
BZB: Und wieso haben Sie anschließend nicht als Ingenieur oder Architekt gearbeitet?
Sigl: Ich merkte, dass die künstlerische Seite bei
dieser Arbeit zu kurz kam und mir das Administrative über den Kopf wuchs. Die Folge war, dass
mich der Hochbau nicht glücklich machte. Des-
„Die Dankbarkeit der Menschen dort war überwältigend“, erinnert sich Sigl.
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BZB: Und wieso wurde es dann gerade Zahnmedizin?
Sigl: Medizin hat mich schon immer interessiert.
Ich komme auch aus einer Arztfamilie. Hinzu
kam bei mir aber ein Faible für das Handwerkliche, das ich in der Zahnmedizin besser verwirklichen konnte.
BZB: Haben Sie den Entschluss jemals bereut?
Sigl: Nein, die Arbeit hat mir immer viel Spaß
gemacht. Besonders gefallen hat mir, dass ich
den Menschen in den meisten Fällen schnell
helfen konnte. Das spürte ich übrigens nie mehr
so deutlich wie während meines Aufenthalts
in Sierra Leone. Dort arbeitete ich direkt nach
dem Studium zwei Jahre im Lepradienst. Die
Dankbarkeit der Menschen dort war überwältigend.
Nach dieser prägenden Zeit eröffnete ich 1977
meine erste Praxis in Bad Wiessee. Zwei Jahre
später bin ich dann nach Trauchgau-Halblech
ins Allgäu umgezogen, wo ich auch heute noch
lebe und arbeite.
BZB: Was hat Ihnen noch am Beruf des Zahnarztes
gefallen?
Sigl: Ästhetik war mir immer schon wichtig. Das
war auch einer der Gründe, warum ich ursprünglich Architekt werden wollte. Schöne Zähne zu erhalten beziehungsweise wiederherzustellen, war
und ist sehr reizvoll für mich.
Spannend fand ich auch die enorme Entwicklung, die die Zahnmedizin während meiner Berufstätigkeit genommen hat. Denken Sie nur an
moderne Materialien und Behandlungsmethoden wie Implantate, Komposite und Vollkeramik. Außerdem kam mir in der Zahnmedizin entgegen, dass ich viele Arbeiten, gerade was das
Administrative betrifft, delegieren konnte. Somit
konnte ich mich auf die Arbeit am Patienten konzentrieren.
Die eigene Praxis hat Sigl verkauft. Seitdem arbeitet er an drei halben Tagen pro
Woche als angestellter Zahnarzt.
in einem Entwicklungsland oder in den Slums arbeiten müssten, damit sie mal erfahren, was es
heißt, „Mediziner“ zu sein und was im Leben wirklich zählt.
BZB: Sehen Sie neben der Ästhetik weitere Parallelen zwischen dem Hochbau-Ingenieur und dem Zahnarzt?
Sigl: Durchaus. Zement ist, wenn natürlich auch
in anderen Zusammensetzungen, in beiden Bereichen eines der am häufigsten verwendeten Materialien. Statische Gesichtspunkte spielen auch in
der Prothetik und der konservierenden Zahnheilkunde eine Rolle. Es hat mir während meines Berufslebens als Zahnarzt bestimmt nicht geschadet, dass ich eine gründliche Ausbildung in Sachen
Statik hatte.
BZB: Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Tobias Horner.
Seiteneinsteiger?
Sind auch Sie über „Umwege“ zur Zahnmedizin ge-
BZB: Wenn Sie noch einmal die Wahl hätten: Sie würden sich also wieder für den Beruf des Zahnarztes entscheiden?
Sigl: Was das Fachliche angeht sofort. Aber die
Bürokratie hat inzwischen einen Umfang angenommen, der einem den Spaß am Beruf nimmt.
Ich habe vor einem Jahr meine Praxis abgegeben. Seitdem arbeite ich drei halbe Tage pro Woche als angestellter Zahnarzt in meiner ehemaligen Praxis. Den Bürokraten in unserer Gesellschaft
wünschte ich, dass sie zwangsweise einige Jahre
kommen? Haben Sie vor dem Studium einen anderen
Beruf erlernt, das Abitur auf dem zweiten Bildungsweg gemacht oder erst etwas anderes studiert? Wir
inte ressieren uns für die Seiteneinsteiger im Fach
Zahnmedizin. Auch weil sie anderen Mut machen können, ihren Wunschberuf doch noch zu ergreifen. Wir
freuen uns, wenn Sie sich bei uns melden: KZVB-Pressestelle, Leo Hofmeier, Fallstraße 34, 81369 München,
E-Mail: [email protected], Telefon: 089 72401-184,
Fax: -276.