Landwirtschaftlicher Hochschultag 2015 Prof. Dr. Enno Bahrs Werden landwirtschaftliche Nutzflächen zu knapp und zu teuer? Die Preise für landwirtschaftliche Nutzflächen sind in den vergangenen Jahren sowohl in Deutschland als auch weltweit signifikant angestiegen. Dies wird exemplarisch deutlich anhand der Preisentwicklung in Deutschland (siehe Abb. 1). S eit dem letzten „Preistief“ für landwirtschaftliche Nutzflächen im Jahr 2005 mit im Durchschnitt ca. 8.700 Euro/ha sind die Preise bis zum Jahr 2013 auf fast 16.400 Euro/ha angestiegen. Dies ist eine Steigerung um fast 90% oder etwas mehr als 8% pro Jahr. Dabei spiegelt die Abbildung nur einen Teil der Realität wider. Die Bodenmärkte sind viel heterogener als der Durchschnitt aussagt: • Ostdeutschland ist im Durchschnitt günstiger • Bayern und Nordrhein-Westfalen weisen im Durchschnitt die höchsten Bodenpreise auf • Für Ackerland wird mehr ausgegeben als für Grünland, allerdings regional differenziert • Zunehmend große Flächeneinheiten ab 1 ha werden zunehmend höher bezahlt • Höhere Bodenpunkte werden im Durchschnitt stärker honoriert Vor diesem Hintergrund variieren die Bodenpreise bereits innerhalb der Landkreise sehr stark. Dies liegt jedoch auch an der Vielfalt der Einflussfaktoren auf landwirtschaftliche Nutzflächen, wie die Tabelle 1 zeigt. Einzelne dieser Einflussfaktoren können in unterschiedlichen Regionen Deutschlands einen unterschiedlichen Einfluss auf das Preisniveau ausüben und somit unterschiedlich verantwortlich sein für die jüngsten überdurchschnittlichen Preissteigerungen in Bayern, Nordwestdeutschland sowie Ostdeutschland. Grundsätzlich merkt der landwirtschaftliche Berufsstand an, dass es zunehmend schwieriger wird auf den Pacht- und Kaufmärkten zu angemessenen Preisen landwirtschaftliche Nutzflächen zu bewirtschaften bzw. zu erwerben. Nationale und internationale Vertreter der Agrarpolitik erwägen zunehmend Preisbrem- Abbildung 1 Entwicklung der Kaufwerte für landwirtschaftliche Nutzflächen (ohne Gebäude und Inventar) in Euro/ha im Zeitablauf Quelle: Eigene Darstellung gemäß Destatis 6 Landinfo 2 | 2015 Landwirtschaftlicher Hochschultag 2015 Unternehmerfähigkeit Agrarpolitische Fördermechanismen Bodenqualität/ Bodenpunkte Steuern (z. B. § 24 UStG, § 6b EStG) Innere/ äußere Flächen- und Betriebsstrukturen Urbaner Siedlungsdruck Betriebsmittel- und Produktpreise EEG Technischer Fortschritt Zinsniveau Persönliche Besitzfaktoren (Stolz, Status) Inflationsängste Umwelt-, Natur- sowie Tierschutzmaßnahmen Spekulation sen und Zugangsbarrieren in landwirtschaftlichen Bodenmärkten, zumal auch außerlandwirtschaftliche Investoren Schuld an einem unangemessenen Preisanstieg haben könnten. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob landwirtschaftliche Nutzflächen regional, national und international zu knapp und zu teuer werden könnten und ob bzw. inwieweit politische Preisbremsen angemessen sind. Sind die landwirtschaftlichen Bodenpreise in Deutschland zu hoch? Zunächst einmal ist zu hinterfragen, ob überhaupt bundesweit zu hohe Kaufpreise im landwirtschaftlichen Bodenmarkt erkennbar sind. Dies lässt sich gut an den in Deutschland erzielbaren Grundrenten verdeutlichen. Die Grundrente ist der Indikator zur Entlohnung des Bodens, nachdem die Entlohnung der eingesetzten Arbeitskräfte sowie des sonstigen Kapitals bereits berück- Tabelle 1 Einflussfaktoren auf die Preise landwirtschaftlicher Nutzflächen Quelle: Eigene Darstellung sichtigt wurde. Gemäß Testbetriebsstatistik erzielen die deutschen Haupterwerbsbetriebe im Durchschnitt der letzten Jahre eine Grundrente zwischen 100 und 200 Euro/ha. Wenn man diese Grundrente kapitalisiert, d.h. unter Berücksichtigung der Nutzungsdauer und des maßgeblichen Zinssatzes vervielfältigt, ergibt sich aus Ertragssicht der maximale Kaufpreis für den entsprechenden Landwirt oder Verpächter. Bei Boden kann man von einer unendlichen Nutzungsdauer ausgehen, weil er sich üblicherweise nicht abnutzt. Wenn dabei ein Zinssatz von 4% unterstellt wird, ergibt sich ein Vervielfältiger in Höhe von 25 auf die Grundrente. Sofern eine durchschnittliche Grundrente von 200 Euro/ha unterstellt wird, ergibt sich daraus (lediglich) ein maximaler Kaufpreis in Höhe von 5.000 Euro. Allerdings wird damit nicht die Realität auf den Bodenmärkten widergespiegelt. Bodenmärkte werden von den besten oder zumindest von den optimistischen Landwirten bzw. Bodennachfra- Abbildung 2 Entwicklung der maximalen Zahlungsbereitschaft für Boden aus Ertragswertperspektive in Abhängigkeit von der Grundrente sowie des Zinssatzes Quelle: Eigene Berechnungen Landinfo 2 | 2015 7 Landwirtschaftlicher Hochschultag 2015 gern beherrscht. Die besseren Landwirte in Deutschland erzielen jedoch viel höhere Grundrenten als der Durchschnitt. Insbesondere bessere Veredlungs- und Ackerbaubetriebe konnten im Durchschnitt der vergangenen Jahre Grundrenten zwischen 500 und 1.000 Euro/ha erzielen. Gute Sonderkulturbetriebe können noch weit darüber liegen. Erfolgreiche und Optimisten bestimmen den Bodenmarkt Viele (erfolgreiche) Landwirte unterstellen diese Vergangenheitserfolge auch für zukünftige Erträge. Allein daraus resultieren höhere Pacht- und Kaufpreise, wenngleich die gegenwärtige Ertragslage vielen Akteuren einen erheblichen Dämpfer versetzen kann. Darüber hinaus führt das aktuell niedrige Zinsniveau zu weiteren Bodenpreissteigerungen, wenn das geringe Zinsniveau auf die gesamte Nutzungsdauer des Bodens übertragen wird, wie die Abbildung 2 zeigt. einen langfristig niedrigen Zins von z. B. 2% zu unterstellen. Schlussfolgerungen Grundsätzlich zu hohe Preise sind bundesweit auf den landwirtschaftlichen Bodenmärkten nicht erkennbar. Zunehmende Ertragserwartungen in den jüngsten Jahren und das niedrige Zinsniveau tragen zumindest einen erheblichen Teil zu den Kaufpreissteigerungen bei. Wenn überhaupt, sind in einzelnen Regionen einzelner Bundesländer vergleichsweise (zu) hohe Preise nachweisbar. Eine grundsätzliche Gefahr für die bundesweite Agrarstruktur ist nicht erkennbar. Wenngleich international ebenfalls ein Preissteigerungstrend erkennbar ist, bedarf es einer jeweils individuellen Analyse, ob und inwieweit vergleichbare Einschätzungen wie in Deutschland angemessen sind. Landwirtschaftliche Bodenmärkte sind ein Handel von Zukunftserwartungen Die Abbildung 2 macht deutlich, dass insbesondere die Erfolgreichen/Optimisten mit der Erwartung langfristig niedriger Zinsen die höchsten Zahlungsbereitschaften aufweisen. Ein unterstellter Zins von 2% führt bei einer erwarteten Grundrente (bzw. gesparten Pacht) in Höhe von 1.000 Euro allein aus Ertragserwägungen zu einem Kaufpreis von 50.000 Euro/ha. Wenn gleichzeitig mehrere erfolgreiche bzw. optimistische Akteure mit niedrigen Zinserwartungen in einem regionalen Bodenmarkt aufeinanderstoßen, sind sie häufig bereit, die volle erwartete Grundrente (zu zahlende Pacht) in ihre maximale Zahlungsbereitschaft zu übertragen, wenngleich damit keine zusätzliche Unternehmerentlohnung mehr möglich wäre. Prof. Dr. Enno Bahrs Institut für landwirtschaftliche Betriebslehre Universität Hohenheim Tel. 0711/ 459-23709 [email protected] 8 In Einzelfällen führen Grenzertragserwartungen z. B. im Zusammenhang mit der Vermeidung gewerblicher Einkünfte oder zur Ermöglichung von Baugenehmigungen und Investitionszuschüssen zu noch höheren Zahlungsbereitschaften, zumindest in Westdeutschland. Damit könnten bereits aus Ertragsperspektive, ohne Berücksichtigung weiterer Einflussfaktoren auf die Bodenpreise (siehe Übersicht 1), viele der derzeit in der Statistik nachweisbaren Bodenpreise erklärbar sein. Allerdings bleibt die Frage, ob es sinnvoll ist, dauerhaft Landinfo 2 | 2015
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