Weshalb uns Stress krank macht und wie sich die Stressverarbeitungsfähigkeit messen lässt Es ist unbestritten, dass uns Stress ernsthaft physisch und/oder psychisch krank machen kann. Heutzutage sind viele Arztbesuche stressbedingt. Der bekannte Neurologe und Psychiater Dr. David Servan-Schreiber schätzt, dass bis zu 75 % der Arztbesuche Stress oder Überlastung als Ursache haben. Gerne möchte ich näher darauf eingehen, weshalb uns Stress krank macht und wie sich durch eine einfache Messung unsere Stressverarbeitungsfähigkeit erkennen lässt. Was passiert wenn wir im Stress sind? Fühlen wir uns durch eine Situation bedroht oder in einer Lebensphase überfordert, wird eine ganze Kaskade von körperlichen Reaktionen ausgelöst: Über die Nervenbahnen und Blutbahnen werden differenzierte, komplexe Informationen an verschieden Orte im Organismus geleitet. Beispielsweise werden die Bronchien erweitert, Glukose ausgeschüttet, Das Herz fängt an schneller zu schlagen, der Blutdruck steigt, die Schweissproduktion wird erhöht, bestimmte Arterien werden erweitert damit mehr Blut ins Gehirn fliesst. So wird Energie bereitgestellt, die unser System auf Kampf oder Flucht vorbereitet. Diese Reaktionen werden über das vegetative oder autonome Nervensystem geregelt. Es regelt die Anpassung aller Organfunktionen an die jeweiligen Bedürfnisse und übernimmt die Kontrolle über das innere Milieu im Körper. Das vegetative Nervensystem ist sozusagen der Hüter über unsere körperlichen Rhythmen. Es wurde von der Natur in archaischen Zeiten entwickelt und war damals durchaus sinnvoll ja sogar überlebenswichtig, denn es ermöglichte den Menschen bei realen Bedrohungen oder Angriffen möglichst schnell und reflexartig zu 1 reagieren. Bei einer Bedrohung wird also der Körper ohne willentliche Beeinflussung aktiviert. Entsprechend werden bei Entwarnung, also sobald die Gefahr vorüber ist, alle regenerativen Funktionen aktiviert, damit der Organismus wieder Kraft schöpfen kann. Auch in der heutigen Zeit funktioniert unser vegetatives Nervensystem noch auf diese archaische Weise. Nur unser Leben hat sich seither komplett verändert. Anders als unsere Vorfahren, die oft akute Bedrohungen erlebten, sind wir heute eher mit Dauerbelastungen konfrontiert. Um die benötigte Spannung (zwischen Anspannung & Entspannung) zu regulieren, wird das vegetative Nervensystem über das Gegenspielerpaar Sympathikus und Parasympathikus gesteuert. Der Sympathikus ist unser Aktivierungsnerv und sorgt für die Erregung des Systems, der Parasympathikus regelt die Entspannung und bringt uns Ruhe. Bildlich gesprochen, kann der Sympathikus mit dem Gaspedal und der Parasympathikus mit der Bremse verglichen werden. Im Idealfall arbeiten die zwei Stränge wechselwirkend harmonisch zusammen. Wie beim Auto: Gas geben – bremsen – Gas geben bremsen. Allerdings gerät das harmonische Gleichgewicht durch unsere heutigen Lebensgewohnheiten immer mehr aus den Fugen. Das pausenlose Herumhetzen, die schwelenden Konflikte am Arbeitsplatz oder in der Partnerschaft, die permanente Reizüberflutung, die kreisenden Gedanken etc. versetzen unseren Körper in ständige Alarmbereitschaft und der Sympathikus ist so im Dauereinsatz. Durch die Daueranspannung verliert der Ruhenerv seine Wirkungsweise und kann auch im Ruhezustand wie beispielweise beim Schlafen das System nicht mehr herunterbremsen oder ‚herunterfahren‘. Als Folge davon bleibt das System in ständiger Alarmbereitschaft. Das hat negative Konsequenzen für unsere Gesundheit. Viele Krankheitserscheinungen (Symptome) lassen sich über das vegetative Nervensystem, das in Dysbalance geraten ist, erklären. So können die Ursachen von Burnout über Depression bis hin zu Stoffwechselproblemen einer Dysbalance vegetativer Funktionen zugeschrieben werden. Herzratenvariabilität – innere Zustände sichtbar machen Wie bereits erwähnt, nehmen wir nur einen kleinen Teil der inneren Vorgänge bewusst wahr. Der fehlende Einblick erschwert es Unregelmässigkeiten zu erkennen und rechtzeitig zu handeln. Auch wenn Veränderungen anscheinend erst einmal keine Auswirkungen auf das Wohlbefinden haben, können sie bereits erste Anzeichen einer beginnenden Krankheit sein. 2 Mittlerweilen gibt es aber zuverlässige Messverfahren, die über diese unbewussten Abläufe im Körper, also unser vegetatives Nervensystem zuverlässige Aussagen treffen. Mit den Messungen lässt sich zeigen, wie der Körper physische und psychische Belastungen bewältigt und spiegeln die Auswirkungen im Körper wider. Den Einblick in unsere unbewussten Abläufe im Körper erhält man über den Herzschlag. Dabei wird die sogenannte Herzratenvariabilität (kurz HRV) gemessen. Die HRV bezeichnet den zeitlichen Abstand zwischen zwei Herzschlägen. Denn anders als vielfach angenommen, variiert ein gesundes Herz seinen Takt. Der Herzschlag variiert durch unsere Atmung. Beim Einatmen dominiert der Sympathikus und lässt die Herzfrequenz ansteigen, beim Ausatmen der Parasympathikus, der die Herzfrequenz sinken lässt. Mit dem HRV kann also das ‚vegetative Gleichgewicht‘ zwischen Sympathikus und Parasympathikus objektiviert und so als Diagnosemittel eingesetzt werden Eine hohe Herzratenvariabilität, also eine markante zeitliche Schwankung zwischen zwei Herzschlägen, haben körperlich aktive und seelisch ausgeglichene Menschen. Bei ihnen stimmt das Gleichgewicht zwischen Anspannung und Entspannung. Eine niedrige Variabilität deutet auf Dauerstress hin. Die Variabilität beschreibt die Anpassungsfähigkeit auf unterschiedliche innere und äussere Stressoren zu reagieren Die Herzratenvariabilität verrät viel über die Gesundheit und gilt heute als wichtiger Parameter zur Beurteilung der Gesundheit, Vitalität und des körperlichen und seelischen Wohlbefinden. Die Messung wird mit dem HRV Scanner mittels EKG-Elektroden durchgeführt. Sie dauert insgesamt 6 Minuten. Die Auswertung der Messung wird übersichtlich mit verschiedenen Diagrammen dargestellt und die Werte mit Personen innerhalb der entsprechenden Altersgruppe verglichen. Eine niedrige Herzratenvariabilität (HRV) bedeutet ein erhöhtes Gesundheitsrisiko. Doch wir haben die Möglichkeit die HRV zu erhöhen und somit positiv auf das vegetative Nervensystem einzuwirken um das gesunde Wechselspiel zwischen Anspannung und Entspannung wiederherzustellen. 3 Der HRV lässt sich mit dem sogenannten Herzkohärenz Training verbessern. Das Training basiert auf dem Prinzip des Biofeedback. Dabei machen therapeutische Geräte körperliche Vorgänge wahrnehmbar, die sonst nicht zugänglich wären. Die Ergebnisse, die mit dem Kohärenztraining erzielt werden, sind sehr vielversprechend. Gemäss einer Studie der Universität Standford mit Herzinsuffizienz Patienten sank das Stressniveau innerhalb 6 Wochen um 22% und die Depression wurde deutlich gemindert. In London wurden fast 6000 leitende Angestellte grosser Konzerne im Kohärenztraining unterwiesen, beim Health Math Institute ebenfalls mehrere tausend Menschen. Nachuntersuchungen zeigten, dass Stress besser abgebaut wurde. Eine weitere Studie aus den USA wies nach, dass Herzkohärenz offenbar auch das hormonelle Gleichgewicht verbessert und die Produktion von DHEA, dem sogenannten Jugendhormon anregt. Zugleich sank bei den Probanden das Stresshormon Cortisol. Die Resultate zeigen eindrücklich, dass mit gezieltem Training nachweislich etwas für die Verbesserung des Wohlbefindens und der Gesundheit getan werden kann. Herzlichst Marianne Baillods Falls Sie es ausprobieren möchten, können Sie dies gerne entweder bei mir in der Praxis in Thun oder am 16. März in der Bahnhofapotheke in Thun. 4
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