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10 Nervensystem und Sinnesorgane
Schon heute geben europäische Staaten einen nicht
unerheblichen Teil ihres Bruttosozialprodukts für
die Behandlung von Erkrankungen des Nervensystems aus. Das Gehirn steht in einer Rangfolge der
auf ein einzelnes Körperorgan bezogenen stationären
Aufnahmen ins Krankenhaus mit Abstand an erster
Stelle. Daher müssen Sie neurologische Krankheitsbezeichnungen wie Stroke und Demenz ebenso wie
die anatomischen Grundlagen sicher beherrschen. In
sprachlicher Hinsicht imponiert in diesem wichtigen
Fachgebiet besonders das häufige Vorkommen von
Eponymen und von Bezeichnungen aus dem Französischen, die auswahlweise vorgestellt werden.
Nach Durcharbeiten dieses Kapitels werden Sie in
der Lage sein,
> einzelne Teile des Nervensystems zu benennen
und ihre Funktion anzugeben;
> Bindeformen mit Bezug zu Nervensystem und
Sinnesorganen sowie wichtige Präfixe und Suffixe zu erkennen und ihre Bedeutung anzugeben;
> Begriffe für Symptome und Krankheiten zu erkennen, zu analysieren und zu definieren;
> Termini für diagnostische Methoden zu erkennen, zu analysieren und zu definieren;
> Begriffe für therapeutische Verfahren zu erkennen, zu analysieren und zu definieren;
> Bezeichnungen wichtiger Arzneimittelklassen zu
erkennen und zu definieren.
Lernziel 1: Teile des Nervensystems benennen und ihre Funktion
angeben
Nervenzellen sind in spezialisierter Weise zur Aufnahme, Weiterleitung, Verarbeitung und Beantwortung von Reizen befähigt. Ihre Gesamtheit wird als
Nervensystem bezeichnet. Bildlich kann man sich das
Nervensystem als Schalt- und Steuerungszentrale des
menschlichen Organismus vorstellen, die sowohl Informationen aus dem Körper wie aus der Umgebung
koordiniert.
Historisch differenzierte man lange lediglich zwischen Großhirn/Cerebrum (cerebrum) und Kleinhirn/Cerebellum (cerebellum). Heute werden anatomisch unterschieden
> das zentrale Nervensystem oder ZNS (central ner­
vous system, CNS) und
> das periphere Nervensystem (peripheral nervous
system, PNS).
Das ZNS besteht aus dem im knöchernen Schädel eingeschlossenen Gehirn/Encephalon (brain)
(Abb. 10‑1) und dem durch die knöchernen Wirbelspangen geschützten Rückenmark/Medulla spinalis
(spinal cord). Die Nerven/Nervi (nerves) des periphe-
ren Nervensystems verbinden das ZNS mit einzelnen
Zielorganen: auf der Ebene des Gehirns durch die
zwölf Hirnnervenpaare (cranial nerves), darunter
Frontallappen
Zentralwindung
Parietallappen
Temporallappen
motorischer und sensibler
Projektionskortex
Okzipitallappen
Abb. 10-1 Seitliche Ansicht des Gehirns. Lappen, Windungen und Furchen.
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Einführung | Teil I Prinzipien … | Teil II Grundbegriffe der Fachsprache | Teil III Praxis … | Anhang
Sehnerv und Hörnerv als Verbindung zu den wichtigen Sinnesorganen Auge/Oculus (eye) und Ohr/Auris
(ear), auf der Ebene des Rückenmarks durch 31 Paare
von Spinalnerven (spinal nerves), aus denen zahlreiche periphere Nerven (peripheral nerves) hervorgehen
(Abb. 10-2).
Zusätzlich zu den knöchernen Strukturen schützen drei Häute/Meninges (meninges) Gehirn und Rückenmark. Außen liegt die harte Hirnhaut/Dura mater (dura mater), darunter die feine Spinnwebenhaut/
Arachnoidea mater (arachnoid mater), ganz innen
die blutgefäßreiche weiche Hirnhaut/Pia mater (pia
mater). Zudem umspült eine wasserklare Flüssigkeit,
der Liquor cerebrospinalis (cerebrospinal fluid, CSF),
das ZNS. Dieser füllt auch die vier inneren Hohlräume des Gehirns, die Ventrikel (ventricles), aus.
Das wesentliche Strukturelement des ZNS bilden
die Nervenzellen oder Neurone (neurons) mit ihren
Fortsätzen. Zum Nervengewebe im weiteren Sinn
zählen auch die Stützzellen, zusammenfassend bezeichnet als Glia (glia) oder Neuroglia (neuroglia).
Dem Bewusstsein und dem Einfluss des Willens
nicht untergeordnet ist das vegetative oder autonome Nervensystem (autonomic nervous system). Es
dient der Steuerung vitaler Funktionen wie Atmung,
Herzschlag, Kreislauf, Verdauung u. a. Um diese Regelungsaufgaben zu erfüllen, ist das vegetative Nervensystem anatomisch und funktionell in zwei Teile
oder „Zügel“ gegliedert, die sich zu jedem Zeitpunkt
in einem dynamischen Gleichgewichtszustand befinden: Die Erregung des sympathischen Anteils oder
Sympathikus (sympathetic nervous system) bewirkt
eine Beeinflussung der Zielorgane in Richtung einer „Fight-or-flight“-Reaktion (Beschleunigung von
Herzschlag und Atemfreqenz, Blutdruckanstieg,
vermehrtes Schwitzen etc.). Der Parasympathikus
(parasympathetic nervous system) führt dagegen zu
den umgekehrten Reaktionen.
Großhirn
Stammhirn
Kleinhirn
Vegetatives Nervensystem
(Eingeweidenervensystem)
Truncus sympathicus
(Grenzstrang des Sympathikus)
Rückenmark mit
Spinalnerven
Periphere prävertebrale Ganglien
(Nervenknoten)
Nervengeflecht und Nervenknoten
in der Wand der Eingeweide
Abb. 10-2 Elementare
Gliederung des Nerven­
systems.
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10 Nervensystem und Sinnesorgane
Lernziel 2: Bindeformen mit Bezug zu Nervensystem und
Sinnesorganen, wichtige Präfixe und Suffixe erkennen und
ihre Bedeutung angeben
Bindeformen mit Bezug zu Nervensystem und Sinnesorganen
Bindeform
Bindeform
Bedeutung
Bedeutung
  1. akust/o
Hören, Gehör
  9. okul/o
Auge
  2. audi/o
Hören, Gehör
10. ophthalm/o
Auge
  3. enzephal/o
Gehirn
11. ot/o
Ohr
  4. gli/o
Glia
12. radik(ul)/o
Wurzeln der Rückenmarksnerven
  5. medull/o16
Rückenmark
13. rhiz/o
Wurzeln der Rückenmarksnerven
  6. mening(e)/o
Hirn-, Rückenmarkshaut
14. spin/o
Rückenmark, Wirbelsäule
  7. myel/o17
Rückenmark
15. zerebell/o
Kleinhirn
  8. neur/o
Nerv
16. zerebr/o
Gehirn
Abweichende Bindeformen im Amerikanischen:
acoust/o, encephal/o, mening(i)/o, ocul/o, radic(ul)/o,
cerebell/o, cerebr/o.
Übung 1
Welche Bindeformen gehören zu folgenden Begriffen?
1. Stützzellen des Nervensystems: 2. Nerv:
3. Ohr:
16, 17Die
Bindeformen medull/o und myel/o bedeuten je nach Kontext: Knochen„mark“, Rücken„mark“,
Nebennieren„mark“ etc.
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