Frauen zwischen Familie und Beruf

Carmen Stadelhofer,
Frauen zwischen Familie und Beruf
Gliederung:
1. Definition der Begriffe Berufsarbeit und Hausarbeit
2. Erwerbstätigkeit von Familienfrauen
3. Die dreifache Belastung und der ständige Balanceakt der Frauen zwischen Familie
und Beruf
4. Lösungsstrategien
Frauen – Familie – Beruf
Von der doppelten Arbeit, der dreifachen Belastung
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und dem ständigen Balanceakt
Als ich vor gut 20 Jahren die Schule verließ, galt im allgemeinen für eine junge Frau folgende
Wahl: Sie bleibt entweder zu Hause
oder sie arbeitet
oder in etwas
moderater Form nicht „oder“ sondern „bis“: sie arbeitet, bis sie heiratet (d.h. eine Ausbildung
zur Absicherung, aber dann Heirat und Kinder als eigentliche Lebensaufgabe). Diese Lebenslaufsetzung für eine weibliche „Normalbiographie“ betraf mich selbst insoweit, als dass ich
gerne Jura studiert hätte mein Vater aber meinte, er könne später kein Geld für eine Praxis für
mich aufbringen und als Frau im öffentlichen Dienst hätte ich keine Chance, im übrigen, ich
heirate ja doch.....Meine Eltern plädierten für ein Studium an der Pädagogischen Hochschule:
mit 6 Semestern zeitlich überschaubar, eine berufliche Absicherung, und die Ausbildungsbzw. Berufserfahrung käme später meiner eigenen Familie zugute. Ich bestand auf einem Studium an der Uni und studierte schließlich das Fach meiner zweiten Präferenz: Sprach- und
Literaturwissenschaft, d.h. Germanistik, Romanistik, später dann auch Pädagogik – und vieles
in meinem weiteren Leben verlief dann ganz anders als in der vorgesehen „Normalbiographie“. Mit dem Thema Frauen Familie und Beruf beschäftige ich mich schon seit langem:
-
aus wissenschaftlichem Interesse, weil einer meiner Forschungsschwerpunkte die geschlechtsspezifische Rollenverteilung ist
-
aus persönlichem Interesse, weil ich es als Frau schwierig finde, familiäre Aufgaben
mit beruflichen Aufgaben zu verbinden. Ich selbst habe keine Kinder, kenne aber die
Problematik von im Erwerbsleben stehenden Müttern aus unmittelbarer Anschauung
durch meine Freundinnen und Kolleginnen.
Wenn ich in diesem Vortrag von Frauen zwischen Familie und Beruf spreche, meine ich
nicht
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die verheirateten oder in Partnerschaft lebenden Frauen, die keine Kinder zu versorgen
haben
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auch nicht die Frauen, die arbeiten müssen, weil der Verdienst des Mannes nicht ausreicht (die Geschichte der Arbeiterinnen ist eine andere als die Geschichte der bürgerlichen Frauen, eine harte und entbehrungsreiche)
-
nicht die vielen alleinerziehenden Mütter, die oft keine andere Wahl haben, und hinreichend materielle, psychische und soziale Probleme
-
nicht die geschiedenen Frauen, die wieder in den Beruf zurück müssen oder wollen
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Natürlich meine ich diese Frauen auch. Diese Frauen gehören alle dazu, insofern sie gleichzeitig Berufsarbeit und Aufgaben in Haushalt und Familie unter einen Hut bringen müssen,
aber aufgrund ihrer spezifischen Lebenssituation sind sie (mit Ausnahme der erstgenannten
Gruppe) zusätzlichen Belastungen ausgesetzt, auf die ich hier in diesem Vortrag nicht näher
eingehen kann, vielleicht können wir in der anschließenden Diskussion darauf zurückkommen.
Ich gehe bei meinem Vortrag von den Frauen aus, die in einer Familie nach traditioneller Definition leben und – mehr oder weniger – die freie Wahl haben, sich zu entscheiden.
Zunächst möchte ich die Begriffe „Berufsarbeit“ und „Haus- bzw. Familienarbeit“ näher erläutern. Mir scheint es wichtig, dass wir uns zusammen klar machen, wie „Berufsarbeit“ in
unserer heutigen Gesellschaft definiert ist und ob und ggf. wie sie mit der „Haus- und Familienarbeit“ zu verbinden ist. In einem zweiten Schritt möchte ich auf die zunehmende Erwerbstätigkeit von Familienfrauen und deren Ursachen eingehen. Danach soll die dreifache
Belastung und der ständige Balanceakt der Frauen zwischen Familie und Beruf reflektiert
werden. Zum Abschluss möchte ich ein paar Lösungsstrategien zur Diskussion stellen.
1. Definition der Begriffe „Berufsarbeit“ und „Hausarbeit“
Im üblichen Sprachgebrauch ist unter Beruf eindeutig die außerhäusige, bezahlte Erwerbsarbeit gemeint, unter Hausarbeit die unbezahlte innerhäusige Arbeit. Bis vor kurzem waren diese beiden Tätigkeitsfelder geschlechtsspezifisch vollständig voneinander getrennt:
Männerwelt Beruf- Frauenwelt Familie und auch heute hat sich an dieser Aufteilung grundsätzlich nichts geändert, lediglich haben mehr und mehr Frauen, aus Gründen, die ich noch
näher ausführen werde, ihr Berufsfeld „Familie“ um das Berufsfeld „außerhäusige Erwerbsarbeit“ erweitert.
Diese Trennung in die zwei für uns „klassischen“ Bereiche außerhäusig/innerhäusig mit der
dazugehörenden Rollenverteilung ist kein Naturgesetz, sondern erst im 19. Jh. entstanden.
Natürlich haben Menschen auch früher, wo auch immer, arbeiten müssen, um ihren Lebensunterhalt und den Aufwuchs des Nachwuchses zu sichern. Aber – grob zusammengefasst – in
den früheren Gesellschaftsformen (die z.T. auch heute noch existent sind bei bestimmten
Gruppen in den sog. „unterentwickelten“ Ländern oder bei exotischen Inselstämmen z.B.)
wurde nämlich vorrangig für den Eigenbedarf gearbeitet bzw. in einem System wechselseitiger Hilfe für die Überlebensprobleme der Gruppe. Das, was man jagte, fischte, anbaute usw.
diente der unmittelbaren Bedürfnisbefriedigung der Menschen (Nahrung, Kleidung und Unterkunft) und wurde meist unmittelbar gebraucht bzw. aufgebraucht von den herstellenden
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Personen selbst. Statt einer Aufspaltung in Betrieb und Haushalt gab es eine Einheit von Arbeit und Leben, die Familie war in erster Linie eine Arbeitsgemeinschaft, in der Männer,
Frauen und Kinder miteinbezogen waren. Jede/r machte jedes, insofern Not an Mann bzw.
Frau war. Bei der sich ausprägenden Spezialisierung von Arbeit auf Männer und Frauen ergab
sich auch keine unterschiedliche Bewertung, alles war notwendig und miteinander verwoben
und diente der alltäglichen Existenzsicherung. Soziale Beziehungen, Bindungen, Gefühle
waren viel stärker in den unmittelbaren Arbeitsprozess einbezogen.
Die sich im Prozess der zunehmenden Industrialisierung herausbildenden Produktionsweisen
und Arbeitsformen unterscheiden sich von den vorwiegend bedarfsbezogene, weitgehend autarken Produktionsweisen früherer Arbeit v.a. dadurch, dass
1. ein großer Teil der gesellschaftlich geleisteten Arbeit in beruflicher Form eingebracht
wird
2. dass eine Trennung zwischen beruflicher und privater / innerhäusiger Arbeit mit geschlechtsspezifischer Aufteilung der Arbeitsbereiche vollzogen wurde.
Diese beiden Arbeitsformen treten nicht nur getrennt auf, sondern sie sind auch ganz unterschiedlich organisiert und aufgebaut, erfolgen unter unterschiedlichen Bedingungen, stellen
unterschiedliche Anforderungen an das „Arbeitsvermögen“ der arbeitenden Personen, d.h.
ihre Denkweisen und Verhaltensmuster, Interessen, Wertorientierungen.
So gesehen, muss der berufstätige Mensch immer zwei Zwecke zugleich verfolgen:
-
er hat Aufgaben zu erfüllen, die auf fremde Bedürfnisse ausgerichtet sind
-
er muss aber mit dieser Arbeit auch seine Eigeninteressen erfüllen, d.h. für seinen Lebensunterhalt und ggf. dem seiner Familie sorgen.
Diese zwei Zwecke sind sehr unterschiedlich orientiert und z.T. miteinander unvereinbar.
Z.B. wenn ein Arzt/Ärztin sich nach den Bedürfnissen seiner / ihrer Patienten und Patientinnen nach ausführlicher Beratung und individuellem Gespräch ausrichtet, wirkt sich das negativ auf sein / ihr Einkommen und berufliche Karriere aus. Bei einer Interessenkollision zwischen den beiden Zwecken bleibt meist der erstgenannte Zweck auf der Strecke. Ein entfremdet arbeitender Mensch, d.h. ein Mensch, der das Produkt seiner Arbeit und den Arbeitszusammenhang nicht sieht und somit auch kein Erfolgsgefühl entwickeln kann (ganz extrem ist
das z.B. bei den Fließbandarbeiter/innen), denkt gemäß der inneren Berufslogik zunächst
einmal an seinen eigenen Lebensunterhalt und die Verbesserung seiner eigenen Lebenssituation.
Von der berufstätigen Person werden nicht nur fachliches Können, entsprechende Kenntnisse
und Fähigkeiten, arbeitsbezogenes Interesse und Engagement erwartet, sondern er muss seine
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Leistungen auch sichtbar machen, darstellen und verkaufen können, z.B. gegenüber dem
Chef, den Kunden. Wer sich nichtgenügend darum bemüht oder andere Wertorientierungen
hat, muss die in der Berufswelt damit verbundenen Konsequenzen tragen: Einkommensminderung oder –stagnation, Nicht-Beförderung, Arbeitslosigkeit. Gegenüber den anderen berufstätigen Menschen tritt der einzelne in ein Konkurrenzverhältnis: wenn der eine schneller, geschickter arbeitet, organisiert, verkauft, verliert der andere vielleicht seinen Arbeitsplatz. Im
Grunde genommen ist berufliche Arbeit eine ständige Kampfsituation, wer hier überleben
oder sogar besser leben will, kann nicht hilfsbereit und freundlich sein.
Im Vergleich dazu ist die Hausarbeit anders strukturiert. Sie ist Arbeit zur unmittelbaren Erfüllung von elementaren, physischen und psychischen Bedürfnissen von einander nahestehenden und vertrauten Personen (Ehepartner, Kinder, Verwandte, eigene Person). Da diese Arbeit
die Menschen aus der unmittelbaren Umgebung berührt, sieht der die Hausarbeit vollziehende
Mensch viel eher Konsequenzen, Erfolg und Nichterfolg seines Tuns als der außerhäusig arbeitende Mensch. Er bzw. meistens sie richtet sich in ihrer Arbeitsform viel mehr an den Bedürfnissen der anderen aus und ist durch den unmittelbaren Kontakt auch in viel stärkerem
Maß dazu angehalten, ihr Bestes zu geben, Zeit, Kraft einzubringen. Während man bei der
Berufsarbeit, zumindest in bestimmten Positionen durchaus mal bummeln und somit auch
Arbeit verweigern kann, tut sich die Hausfrau, aber sicher auch der Hausmann, wo es ihn gibt,
schwer, den hungrigen Kindern das Kochen bzw. Essengeben zu verweigern, den Arzt nicht
zu holen......... und das nicht nur zu fest geregelten Arbeitszeiten, sondern rund um die Uhr.
In der Hausarbeit sind also primär andere Fähigkeiten gefragt als in der Berufsarbeit, nämlich
die des Fühlens, Helfens und Fürsorglichseins.
Ich möchte zusammenfassend feststellen:
1.Berufsarbeit orientiert sich primär am Tausch, Hausarbeit primär an der unmittelbaren Bedürfnisbefriedigung. Diese unterschiedlichen Orientierungen wirken sich auf die Durchführung der Arbeit und der damit verbundenen Einstellungen und Verhaltensweisen aus. Wir
werden gleich darauf zurückkommen.
2. Die gegenwärtige Form der Berufsarbeit lässt keinen Platz für private Alltagsarbeit wie
putzen, kochen, waschen, Kinder erziehen, Alte und Kranke versorgen, Behördenkram erledigen usw. Nach Elisabeth Beck-Gernsheim liegt jeder Berufsarbeit stillschweigend eine bestimmte Normaldefinition zugrunde: die Berufsarbeit ist die Hauptsache, alles andere nur
Störfaktor.
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„Praktisch ausgeblendet ist alles, soll alles sein, was mit Alltagsarbeit zu tun hat. Ein
normaler Arbeitstag im Beruf, das ist im Grunde definiert als der Arbeitstag einer Person, die sich nicht auch noch um die private Alltagsarbeit kümmern muss“.
Alle praktischen und alltäglichen Belange und Notwendigkeiten werden sozusagen ausgeblendet, z.B. dass ein Kind krank wird, die Waschmaschine kaputt geht. ....Zwar gibt es gesetzliche Regelungen (Begrenzung der Arbeitszeit, Anrecht auf Urlaub, 10 Tage Elternurlaub im
Jahr für 1 krankes Kind....), aber sie sind in ihrem Ausmaß auf das Grundsätzliche beschränkt.
Sicher ist das in den verschiedenen Berufen und verschiedenen Berufspositionen auch unterschiedlich und vor allem da besonders ausgeprägt, wo es um Karriere geht, aber auch für die
unteren Positionen lässt sich sagen: Die Berufsarbeit ist eine alles verschlingende Aktivität.
3.Vom Beruf allein kann der/die einzelne, kann die Gesellschaft, nicht überleben. Geld reicht
nicht aus zur Erfüllung konkreter Lebensbedürfnisse wie wohnen, sich kleiden...Nun fragt
sich: wie kommt die berufstätige Person aus diesem Dilemma heraus?
Durch Delegation!
a. Delegation der Alltagsarbeit durch bezahlte Dienstleistungen von Institutionen, Organisationen und Geschäften, z.B. Imbissstube, Kantine, Waschsalon, Kindertagesstätte.
b. da diese Dienstbetriebe nicht alle notwendigen innerhäusigen Bedürfnisse erfüllen können
bzw. zu teuer sind, durch unbezahlte Dienstleistungen. Hierbei ist seit dem 19. Jh. die übliche
Lösung in der bürgerlichen Kleinfamilie: die Delegation der unbezahlten Haus/Familienarbeit
an die Frau.
Wesentliche Aufgabe der Frau ist es nach dieser Auffassung von Arbeits-Teilung, die Energien des Mannes für die Berufsarbeit wiederherzustellen bzw. zu erhalten.
Die Normalhausfrau, die keine oder eine zeitlich und karrieremäßig eingeschränkte Berufsarbeit ausübt, übernimmt folgende Pflichten:
- die Hausarbeit, d.h. putzen, waschen, kochen, einkaufen und vieles mehr – der Mann erwartet, dass das Essen auf dem Tisch steht, wenn er nach Hause kommt, dass die Öllieferung geklappt hat, usw.
- die Kindererziehung: nicht nur pädagogisch, sondern eingeschlossen sind auch Dinge wie
Hausaufgabenüberwachung, Lehrerbesuch, Arztbesuch und vieles mehr.
-Erfüllung von Staatsbürgerpflichten: Wege zu den Ämtern erledigen, TÜV abnehmen lassen,
Briefwechsel, Telefonate...
- Soziale Arbeit: Eingehen auf den Mann, ihm zuhören können, Verständnis zeigen, Verstärkung, Gefühl der Geborgenheit geben, Ausgleichen außerfamiliären Spannungen kann man
das allgemein Beziehungsarbeit nennen.
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Diese Aufgabenzuweisung war sogar lange ausdrücklich im Familienrecht verankert. Dort
hieß es bis zur Reform des Familienrechtes 1977: „Es gehört zu den Funktionen des Mannes,
dass er grundsätzlich der Erhalter und Ernährer der Familie ist, während es die Frau als ihre
vornehmste Aufgabe ansehen muss, das Herz der Familie zu sein.
Das bedeutet die Aufteilung der Welt in männliche Sacharbeit und weibliche Gefühlsarbeit.
Beck-Gernsheim stellt daher die These von dem 1 ½-Personen-Beruf als vorherrschende
Form der Berufsarbeit auf. D.h. im Klartext, Berufsarbeit ist so organisiert, dass sie auf die
Anforderungen des Alltags keine Rücksicht nimmt und eine Person im Hintergrund – nämlich
die Ehefrau – einkalkuliert, die die alltägliche notwendige Hintergrundsarbeit unentgeltlich
leistet und somit die Basis für das Wohlbefinden, und das heißt auch für die unbehinderte
berufliche Tüchtigkeit des Mannes schafft.
Nachdem wir nun diese beiden Arbeitsbereiche definitorisch voneinander unterschieden haben unter Berücksichtigung der damit verbundenen geschlechtsspezifischen Rollenverteilung,
soll nun betrachtet werden, was die jeweilige Arbeitsform für die betroffene Person bedeutet.
Für die berufstätige Person (meist Mann):
die Entwicklung bestimmter berufsrelevanter Fähigkeiten, Einstellen auf neue Situationen,
Aushalten berufsbedingter Belastungsfaktoren: Stress, Konkurrenz, Einstellen auf zeitliche
und strukturelle Zwänge, Abhängigkeit vom Chef oder Vorgesetzten, das Nicht(Weiter) Entwickeln anderer, familienbezogener Fähigkeiten, die im Bereich der alltäglichen und sinnlichen Erfahrungen liegen vor allem im Haushaltsputz bis zu den sicher eher vermissten Erfahrungen beim Spielen mit den Kindern.
Für die nicht-berufstätig arbeitende Person (vorwiegend die Frau):
- der vielgepriesene Freiraum von Zwängen: freie Zeiteinteilung, Unabhängigkeit in ihrer
hausarbeitsbezogenen Entscheidungen, kein Konkurrenzdruck.....
Auf den zweiten Blick bzw. den Blick hinter die Kulissen sind diese Freiräumen ur sehr bedingt gegeben:
a.) Über die Arbeitszeit der Mütter wird gesellschaftlich gesehen relativ beliebig verfügt.
- der freien Zeiteinteilung sind von außen Grenzen gesetzt:
Mahlzeiten, Arbeit des Mannes, Schulzeiten der Kinder, Öffnungszeiten der Geschäfte,
Sprechstunden usw.
unvorhergesehene Dinge verhindern die freie Zeitplanung: ein Kind verletzt sich, der Mann
macht Überstunden, geht mit Kollegen weg, bringt Kollegen mit und wenn der Job des Ehe-
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mannes Mobilität verlangt, so ist es die Ehefrau, die den Umzug organisiert, die behördlichen
Gänge erledigt etc........
b.) Die Arbeit ist inhaltlich in kleine Teilstücke zerhackt, die oft aber gleichzeitig erledigt
werden müssen: kochen, auf die Kinder aufpassen, die Waschmaschine einstellen etc. Eine
neuere Studie hat festgestellt, dass Hausarbeit aus 9 verschiedenen Grund-Arbeitsteilgängen
beruht. Es wurden die monatlich geleisteten Arbeitsstunden einer Nur-Hausfrau in einer Familie mit zwei Kindern verrechnet mit dem Bruttostundenlohn einer angelernten Industriearbeiterin. Bei einer Arbeitszeit von täglich 8 Stunden und 9 Minuten, inklusiv Samstage, Sonnund Feiertage, kommt eine Hausfrau auf 248 Arbeitsstunden, das würde ein Gehalt von
1638,00 EUR (3203 DM) darstellen!
c.) Obwohl die Tätigkeiten im Haushaltsbereich eine dauernde Neu-Einstellung auf verschiedene Situationen erfordert, liegt im Vergleich zur Berufsarbeit eine Verengung des Erfahrungsbereiches vor, denn die Aufgaben wiederholen sich, die Hausfrau muss sich viel weniger
auf grundsätzlich neue Situationen einstellen als der/die außerhäusig Berufstätige, die Kommunikation bleibt oft auch aus zeitlichen Gründen auf die Kinder und die Nachbarinnen beschränkt, somit auch der Horizont der möglichen Kommunikationsinhalte. Dies wirkt sich auf
das Selbstwertgefühl der Frauen aus. Vor allem wenn sie nicht zur Selbsthilfe greifen, sich
sozial isoliert fühlen und vom Mann und den Kindern abhängig sind. Die genannten Faktoren
tragen auch dazu bei, dass den Hausfrauen der Wiedereinstig in den erlernten Beruf oft so
schwer fällt.
d.) Die materiellen Abhängigkeit und mangelnde Wertschätzung: da die ausgeübte Hausarbeit
unbezahlt ist, ist die Frau davon abhängig, ob und in welchem Maße der Ehemann ihr dem
ihm ausbezahlten Lohn für seine bezahlte Erwerbsarbeit zur Verfügung stellt. Mangelnde
Wertschätzung ihrer Arbeit ist oft gekoppelt an Ausschalten von finanziellen Ressourcen bzw.
freie Verfügung über sie „Arbeitet Ihre Frau , wird der Ehemann gefragt. „Nein, sie ist zu
Hause“ – diese oft unbedacht gegebene Antwort kennzeichnet treffend die Situation der
Hausfrau.
Hausarbeit ist das, was die Frauenforschung „das unsichtbare Tagwerk“ der Frauen und Mütter nennt. Die Arbeit von Frauen und Müttern ist gesellschaftlich scheinbar nicht existent.
Wenn Mütter von ihrem Alltag erzählen, bekommen sie schnell das Gefühl, andere zu langweilen. Das hat mit zwei Dingen zu tun:
1. Es fehlen öffentlich bekannte und anerkannte Begriffe zur Beschreibung dieses Arbeitsalltags und zur Kategorisierung dieser Probleme.
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2. Tieferliegende Gründe: Banale Gespräche über Politik und Vorzüge bestimmter Automarken scheinen irgendwie bedeutender als „banale“ Gespräche über Verhaltensweisen von Kindern in bestimmten Situationen und die Reaktionsweisen der Mütter. Und doch ist es gerade
so, dass Gespräche über Kindererziehung durchaus eine gesellschaftliche Bedeutung haben.
In der Erziehung werden wichtige Grundlagen für die weitere Entwicklung eines Menschen
und sein zukünftiges Rollenverständnis geschaffen.
Die Unterbewertung der Hausarbeit hängt damit zusammen, dass die betroffenen Frauen
selbst ihre Arbeit gering schätzen. Auf die Frage, was sie den ganzen Tag gemacht haben,
antworten sie häufig „nichts Besonderes“, und obwohl sie viel gemacht haben, haben sie das
Gefühl, sie seien nicht fertig geworden – dauernd wurden sie durch irgend etwas unterbrochen- oder der Aufwand habe sich nicht gelohnt: das gekochte Mittagessen ist gegessen, die
geputzte Küche bereits wieder schmutzig.
Dass Hausarbeit, Mütterarbeit nicht bezahlt wird, ist einer der Gründe dafür, dass sie gesellschaftlich nicht anerkannt wird. Wenn man von einer Frau sagt, dass sie nicht arbeitet, ist oft
gemeint, dass sie keine Erwerbsarbeit gegen Zahlung ausübt. Die Arbeit, die sie als Hausfrau
und Mutter verrichtet, wird sprachlich – oft auch von den Frauen selbst – ignoriert.
Wenn also Männer und auch Frauen selbst behaupten, sie – die Frauen- hätten nichts getan, so
übernehmen sie die Leistungsdefinitionen einer Kapitalistischen Warengesellschaft, in der als
Leistung nichts zählt, was sich nicht als abgegrenzte Tätigkeit fassen lässt, in einem sichtbaren bzw. weiterverwertbaren Produkt niederschlägt, und wo Arbeit gegen Lohn eingetauscht
wird.
Wie ich oben aufzuzeigen versuchte, ist Haus- und Familienarbeit gesellschaftlich notwendige Arbeit, die genauso zu bewerten ist wie außerhäusige Berufsarbeit. Sie ist gesellschaftlich
gesehen nicht im angemessenen Umfang bezahlbar- 1638,00 EUR (3203 DM) als Lohn für
eine Hausfrau! Das erklärt, warum die Lohn-für-Hausarbeit-Debatte sobald wieder verschwunden ist.
Was dringend notwendig erscheint:
1. Eine gesellschaftliche Aufwertung der Haus- und Familienarbeit, egal, von wem sie gemacht wird
2. Änderung der gesellschaftlich starren geschlechtsspezifischen Rollenverteilung. Ein Mann
kann, wenn er will und die entsprechenden Arbeiten erlernt hat, genauso im Haus- und Familienbereich tätig sein wie die Frau. Die traditionelle Rollenverteilung ist kein Produkt biologischer Notwendigkeiten, sondern kapitalistischer und patriarchaler Gesellschaftsstrukturen und
Gewohnheiten.
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Zusammenfassend bleibt festzuhalten:
Das Berufsleben ist mit Sicherheit kein Honigschlecken, es ermöglicht dem/der Beschäftigten
jedoch aufgrund seines/ihres Arbeitsfeldes und der damit verbundenen Aufgaben ein Mehr an
Kommunikations- und Handlungsmöglichkeiten sowie damit verbunden die Entwicklung von
Selbstbewusstsein und Identität, die materiellen Unabhängigkeit ist dabei nicht zu unterschätzen.
Hausarbeit dagegen ist nicht nur als Belastung zu sehen, sondern auch als Frei-Raum, der im
Täglichen bedürfnisbezogene, sinnliche und kreative Möglichkeiten bietet, die mit der leiblich-sinnlichen Seite der Lebensrealität eng verbunden sind: den Garten bestellen, das Bäumlein pflanzen, das Müsli richten.
Die positiven Seiten, die in beiden Arbeitsfeldern in unterschiedlicher Weise angelegt sind,
sollen Männern wie Frauen gleichermaßen zugute kommen, die Belastungen sollen geteilt
werden.
3. Frauen im Beruf
Das Leben vieler Frauen im erwerbstätigen Alter verläuft immer noch nach dem klassischen
Muster in drei Phasen:
- Ausbildung und kurze Zeit der Erwerbsarbeit
- Eheschließung, Kindererziehung, damit Austritt aus der Berufsarbeit
- Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit
Trotzdem ist in den letzten Jahren folgendes festzustellen – ich zitiere die Daten aus einer
Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung von 1987:
1. Die Zahl der weiblichen Erwerbstätigen ist in den letzten Jahren gestiegen. Trotz der anhaltend ungünstigen Arbeitsmarktlage und der überdurchschnittlichen Zunahme an Arbeitslosigkeit gerade bei Frauen waren von 29 Mill. Erwerbstätigen 1985 fast 40 % weiblichen Geschlechts. 1957 lag diese Zahl insgesamt um 2 % niedriger, in der Gruppe der weiblichen Erwerbstätigen um 14 % niedriger. Arbeitslos waren 1985 von den abhängig beschäftigten
Frauen 12 %, bei den Männern hingegen betrug die Quote 7,5 %. Allerdings sagen die analysierten Zahlen nichts über die Qualität der von Frauen besetzten Arbeitsplätze sowie die Berufs- und Lohnstruktur der weiblichen Erwerbstätigen aus.
2. Eine Zunahme der Erwerbstätigkeit verheirateter Mütter mit 1 oder mehr Kindern ist festzustellen. der Anteil der „Nur-Hausfrauen“ ist bei jüngeren Frauen weit geringer als bei den
älteren. Es ist davon auszugehen, dass
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87 % der Frauen irgendwann in ihrem Leben einmal heiraten
-
80 % der Frauen mindestens ein Kind bekommen
-
dass 90 % aller verheirateten Frauen erwerbstätig sind
-
das 57 % ihre Erwerbstätigkeit wegen Kind/ern mindestens 1mal unterbrechen
3. Für die Fortführung der Berufstätigkeit bei verheirateten Müttern ist die Anzahl der Kinder
von zentraler Bedeutung. So liegt die Erwerbstätigkeit der Ehefrau mit 1 Kind um 10 % höher
als die der Frauen mit drei oder mehr Kindern. Bei den Männern ist ein Einfluss der Kinder
auf die Berufslaufbahn nicht zu vermerken, sie unterbrechen ihre Berufstätigkeit bisher in den
seltensten Fällen.
4. Je länger die Dauer der Erwerbsunterbrechung wegen der Kinder, umso schwieriger ist der
Wiedereinstieg in die Erwerbsarbeit.
5. Frauen kehren heute wesentlich früher in das Erwerbsleben zurück, als dies ihre Mütter in
der gleichen Lebensphase getan hatten. Gründe dafür sind die Angst um den Arbeitsplatz
bzw. sich mit einem nicht ausbildungsgemäßen, geringer qualifizierten Arbeitsplatz bescheiden zu müssen. Auch der mögliche Arbeitsplatzverlust des Mannes spielt dabei zunehmend
eine Rolle.
6. Einen weiteren Grund für die wachsende Beteiligung verheirateter Mütter am Erwerbsleben
sieht das DIW im umfangreicher werdenen Angebot an Teilzeitarbeitsplätzen. Diese oft wenig qualifizierten, unsicheren Arbeitsplätze bieten dennoch die Möglichkeit, Familie und Beruf miteinander zu verbinden.
Auf die immer noch große Benachteiligung der Frauen in Ausbildung und Erwerbsleben –
trotz inzwischen gleichem Anteil an gehobenen Schulabschlüssen und besserem Notendurchschnitt – kann ich an dieser Stelle nicht näher eingehen. Ich will nur kurz feststellen:
- Frauen werden noch immer viel schlechter bezahlt als Männer (das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der BFA stellte in einer Studie kürzlich fest: Frauen werden in 19
von 20 Berufen schlechter bezahlt als Männer!)
- Frauen werden seltener befördert
- Frauen werden kaum in leitenden Stellungen beschäftigt (die „ZEIT“ veröffentlichte Untersuchungsergebnisse zur Zahl der Frauen in leitenden Positionen in der BRD. In kaum einem
der aufgeführten Konzerne entspricht die Zahl der Frauen unter den leitenden Angestellten
auch nur annähernd ihrem Anteil in der Belegschaft).
- Frauen werden in Krisenzeiten eher entlassen
- Frauen arbeiten überwiegend in unterqualifizierten Positionen
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4. Frauen zwischen Beruf und Familie
Von der doppelten Arbeit, der dreifachen Belastung und dem ständigen Balanceakt.
Während die Berufslaufbahn von Männern/Vätern in der Regel ohne Unterbrechung erfolgt,
unterbrechen also viele verheiratete Familienfrauen ihre Berufstätigkeit zugunsten einer Zentrierung ihrer Arbeitskraft auf Geburt und Kinder und treten dann nach ein paar Jahren wieder
in die Erwerbstätigkeit ein.
Ein wichtiges Motiv bei der Wiederaufnahme der Berufsarbeit ist sicher die materielle Sicherung oder Verbesserung der Lebensexistenz, bzw. die Schaffung partieller materieller Unabhängigkeit. Aber Erwerbstätigkeit ist für die Frauen oft mehr als ökonomische Notwendigkeit.
Sie schafft soziale Kontakte und hebt das Selbstbewusstsein. Die Frauen wollen einen eigenen, selbstverantwortlichen Lebensbereich, der ihnen außerhalb der Mutterrolle Kommunikations- und Identifikationsmöglichkeiten gibt. Bei dem Gerangel um die sich ständig verknappendenden Arbeitsplätze wollen sie sich ihren Anteil sichern und nicht zwangsweise auf die
Mutterrolle eingeschränkt werden, von der sie wissen, dass sie ihnen nur sehr spärlich Dank
und Anerkennung bringt und ihnen längerfristig, wenn die Kinder aus dem Haus sind, keine
Lebensperspektiven bietet. Allerdings müssen Frauen, die sich trotz Mutterschaft ihren „Zipfel“ Erwerbstätigkeit erhalten wollen, heute in der Regel noch einen hohen Preis zahlen.
1. Sie müssen doppelte Arbeit leisten
Obwohl die Frauen berufstätig sind, tragen sie weiterhin die weitaus größte Belastung der
Haus- und Familienarbeit. Die Soziologinnen Sigrid Metz-Göckel und Ursula Müller kommen in der von der Zeitschrift „Brigitte“ in Auftrag gegebenen Untersuchung „Der Mann
1985“ zu folgenden Ergebnissen:
„Hausarbeit ist nach wie vor Frauensache. Dieses Festhalten an der systematischen NichtVerrichtung von Hausarbeit zeigt sich unabhängig davon, ob ein Mann eine berufstätige oder
eine nicht-berufstätige, eine voll oder teilzeitbeschäftigte Partnerin hat; auch ist es unabhängig
davon, ob ein Mann Vater ist oder nicht: Alle sind sich offenbar einig – zwar nicht in ihrer
Einstellung, wohl aber in ihrem tatsächlichen Verhalten-, dass Hausarbeit nicht von ihnen zu
verrichten ist----92% der Männer, die mit einer Partnerin zusammenleben, fühlen sich durch
Hausarbeit kaum belastet. Zu Recht: sie tun so gut wie nichts.“
Und in Bezug auf die Kindererziehung: Die neuen Väter sind dabei nicht gefunden worden.
„Väter sind nicht bereit, von der Kindererziehung einen Teil – ihren Teil – zu übernehmen.
Sie fühlen sich mehr für die Rahmenbedingungen der Erziehung zuständig (79%) und für allgemeine Erziehungsziele (60 %). Letztere erscheinen ihnen offenbar erreichbar, ohne die Er- 12 -
ziehungsaufgaben mit der Mutter zu teilen (41%)...Männer bejahen zwar mehrheitlich die
Berufstätigkeit der Frau (76 %). Aber das ändert sich völlig, wenn eine Frau sowohl berufstätig sein als auch Kinder haben will (20%).... In den Gesprächsgruppen wurde die Kinderlosigkeit der Karrierefrau als ziemlich kategorische Forderung vorgetragen. Mit dem Verzicht
auf Kinder beweist die Frau, dass es ihr mit den beruflichen Ambitionen ernst ist. Männer
beweisen das gleiche da durch, dass sie sich im Beruf so verhalten, als wären sie keine Väter“.
D.h., da die Männer weiterhin in der Mehrzahl nicht gewillt sind, Haus- und Familienarbeit zu
übernehmen (im übrigen: die Männer berufstätiger Frauen zeigen sich in der erwähnte „Brigitte“- Untersuchung eher bereit, mitzuhelfen als die Ehemänner nichtberufstätiger Mütter)
bedeutet das für die berufstätige Mutter mit voller Erwerbstätigkeit
- Bewältigung des 40-Stunden-Berufes, der –ich erinnere- eigentlich ein 1 ½-Personen-Beruf
ist, der auf Delegationsarbeit beruht.
- plus die gesamte unbezahlte Haus- und Familienarbeit.
Diese Tatsache macht einsichtig, warum berufstätige Mütter in großer Zahl Teilzeitarbeit suchen, obwohl sie bei einer solchen Beschäftigung derzeit finanziell, sozial wie qualitativ total
benachteiligt sind. Die Doppelbelastung, unter der die Arbeiterin seit jeher hat leiden müssen,
holt nun, nachdem die Frauen aus der Mittelschicht erwerbstätig geworden sind, auch die
bürgerlichen Frauen ein.
2. Betrachtet man die Situation berufstätiger Mütter näher, sind diese sogar einer dreifachen
Belastung ausgesetzt:
- den Belastungen im Bereich der Erwerbstätigkeit
- den Belastungen im Bereich der Haus- und Familienarbeit
- den Belastungen, die durch den permanenten Wechsel der beiden Bereiche entstehen
Sie haben nach den Erwartungen der Männer im Beruf immer ausgeglichen und freundlich zu
sein, dabei wird die Qualität ihrer Arbeit besonders unter die Lupe genommen und das Aussehen noch im besonderen gewertet. Kommen sie nach Hause, war in der Regel keine Fee da,
die die Hausarbeit gemacht hätte, sondern im Gegenteil: Mann und Kinder erwarten, dass sie
diese selbst verkörpert – dass das Essen pünktlich auf dem Tisch ist, die Wäsche gewaschen...
Dieser Wechsel zwischen tätig munterer Arbeitskraft im Beruf und Küchen- und Familienfee
muss permanent, schnell, möglichst ohne Reibungsverluste vollzogen werden. Das bedeutet,
dass Frauen einen dritten Kraftakt leisten müssen, mit Hilfe dessen sie die unterschiedlichen,
teils gegensätzlichen Anforderungen beider Sphären vereinen.
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Sie müssen mit ihrem permanenten Schuldgefühl leben, dass einer der beiden Bereiche zu
kurz kommt: bei der Arbeit denken sie an die Kinder und ob sie nicht vielleicht doch etwasvergessen haben, was für ihr Wohlergehen wichtig ist... bei der Familienarbeit, besonders in
besonders anstrengenden oder Ausnahmesituationen wie Krankheit eines Kindes müssen sie
mit ihrem Schuldgefühl gegenüber der nicht erledigten oder zu kurz kommenden Berufsarbeit
zurecht kommen. Eine große Rolle bei dieser sogenannten dritten Belastung spielt auch die
Umwelt. Viele von ihnen bekommen von der Umwelt (Ehemann, Kinder, Eltern und Verwandte, Nachbarn...) Kritik zu spüren, wenn sie nicht rund um die Uhr für das Kind/die Kinder da sind. Schulproblem der Kinder, deren soziale Problem werden oft einseitig der berufstätigen Muttern (nicht dem ebenfalls und ausschließlich arbeitenden Vater!) angelastet. Das
schafft bei den berufstätigen Müttern Selbstzweifel, fällt es ihnen doch schwer genug, gegen
die ihnen in ihrer Kindheit vermittelten Rollenclichees und deren Auswirkungen auf sie selbst
zu handeln.
Frauen zwischen Familie und Beruf in einem traditionellen Familienverhältnis leiden unter
einer weiteren „dritten“ Belastung: sie haben fast nicht einmal eine halbe Stunde Zeit für sich
selbst – gelingt es ihnen einmal am Abend, sich ruhig in den Sessel zu setzen, sind sie meist
so erschöpft, dass sie nicht mehr ruhig ein Buch lesen können, das sie schon seit Wochen lesen wollen.
Bei den derzeitigen arbeits- und sozialpolitischen Gegebenheiten müssen sie einen hohen
Grad zusätzlicher Organisationsfähigkeiten aufbringen, um die durch die berufliche Tätigkeit
vorgegebenen Zeiten mit den Notwendigkeiten der Kinderbetreuung in Einklang zu bringen.
Eine flexible Gestaltung der Öffnungszeiten und der Betreuung in Kindergärten und Schule
wären eine notwendige Voraussetzung zur Entlastung der berufstätigen Mütter. Da die Zahl
der Kindertagesplätze insgesamt gering und für Kinder unter 3 Jahren nahezu verschwindend
sind, müssen berufstätige Mütter auf außerinstitutionelle Betreuungsmöglichkeiten für ihr
Kind/-Kinder zurückgreifen – Großeltern, Tagesmütter, privat organisierte Kindergärten. Die
Betreuung durch die Großeltern oder Verwandte ist meist kostengünstig, erzeugt aber psychische und soziale Abhängigkeiten, Tagesmütter und Privatinitiativen sind kostenaufwendig
und eigentlich nur finanzierbar, wenn die berufstätige Mutter in einer entsprechenden beruflichen Position ist. Versagt eine dieser Versorgungsquellen, z.B. der Kindergarten schließt wegen Masern, die Großmutter wird krank......fällt das ganze, fein ausgeklügelte Versorgungssystem zusammen und die berufstätige Mutter muss sehen, wie sie die Situation meistert.
Im Vorteil sind derzeit eindeutig berufstätige Mütter im Öffentlichen Dienst (Männer/Väter
sind es gleichermaßen, nutzen bisher diese Chance aber erschreckend wenig) sie können über
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Jahre hinweg ihre Arbeitszeit bis auf 50 % reduzieren oder mit Arbeitsplatzgarantie Elternurlaub nehmen- Frauen und Männer, die in der Industrie arbeiten, bietet sich diese Möglichkeit
bisher nicht oder sehr selten.
Als weitere Belastung der Frauen, der insgesamt bisher zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt
wird, sehe ich in der Verbindung von weiblichem Arbeitsvermögen und beruflicher Arbeit.
Einseitig entwickelte Fähigkeiten prägen, können nicht einfach abgeschüttelt werden, wenn
Frauen im Beruf tätig sind. Frauen, denen in ihrer Kindheit – auch durch das Modelllernen
durch ihre Mütter! – die klassische Frauenrolle vermittelt wurde, der sie dann auch, nach einer
kurzen Zeit der Erwerbsarbeit, intensiv nachgeben – ich erinnere: die Funktion des Fühlens,
Sorgens, Fürsorglichseins – bringen in den Beruf nicht-berufliche Verhaltensweisen mit, d.h.
sie reagieren auf berufliche Anforderungen anders, nehmen sie anders wahr. Gelten in Hausund Familienbereich die Strategien der Selbstbeschränkung, sind im Beruf Strategien der bewussten Selbstdarstellung und Selbstbehauptung und Konkurrenzfähigkeit gefragt. Frauen
beherrschen (!) diese oft nicht, wollen sich diese Eigenschaften mit ihren negativen Implikationen nicht aneignen, weil sie sie z.T. als unmenschlich erleben. Ihre eigenen Verhaltensweisen werden jedoch in beruflicher Sichtweise einseitig interpretiert als geringe Durchsetzungsfähigkeit, Angst vor Verantwortung usw. interpretiert.
Kurz, was die Frauen in Haus und Familie lernen, schadet ihnen im Beruf! Eignen sie sich
diese „männlichen“ Eigenschaften an, werden sie als unweiblich/Rabenmütter usw. bezeichnet. Erhalten sie sich ihre mehr personen- als arbeits- und aufstiegsbezogene Sicht- und Verhaltensweisen, werden sie von den Männern nicht ernst genommen, und im übrigen bleibt
ihnen die berufliche Karriere verschlossen – sie bleiben auf der unteren Stufe der Hierarchie,
wo sie oft eben diese mütterlichen Tätigkeiten weiterhin und zusätzlich ausführen dürfen,
nämlich Kaffee kochen, den Chef an den Geburtstag seiner Frau erinnern......
5.Lösungsstrategien
Sie sehen – und wissen aus eigener Erfahrung – das von mir heute vorgetragene Thema ist
endlos. Ich habe versucht, Ihnen einige Aspekte dieser Problemstellung näher zu bringen.
Zum Schluss möchte ich noch einige gesamtgesellschaftliche Notwendigkeiten der Veränderung und einige personenbezogene Strategien benennen und aufzeigen, wie Männer und Frauen aus dieser traditionellen Rollenverteilung in beiden Arbeitsbereichen herauskommen können, und welche Voraussetzungen damit verbunden sind.
Die Familie, wie sie jetzt strukturiert ist, ist ein Klotz am Bein der Frau auf ihrem Weg in die
berufliche Gleichstellung, umgekehrt wirkt berufliche Ungerechtigkeit zurück in den privaten
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Bereich. In der Familie und im Arbeitsleben sind also Hebel anzusetzen für eine Veränderung. Das kann jedoch nicht heißen, dass es ausreicht, Appelle an die Männer zu richten, es
mit der Partnerschaft doch bitte ernst zu nehmen. Denn so wie Arbeit heute in unserer Gesellschaft definiert und vor allem organisiert ist, können sie gar nicht viel anders, als sich beruflich voll zu verausgaben. Da Frauen im Durchschnitt noch immer ein Drittel weniger verdienen als Männer, wäre selbst bei einer Bereitschaft des Mannes zum sogenannten Rollenwechsel, vorausgesetzt, man(n) wolle die, in vielen Fällen aus rein finanziellen Gründen nicht
möglich. Es müssen daher in der Arbeitswelt Bedingungen geschaffen werden, die es Frauen
und Männer ermöglichen, die Aufgaben in Familie und Beruf neu zu verteilen. Anders lässt
sich die tatsächliche Gleichberechtigung der Frau nicht realisieren.
- Die traditionelle Arbeitsteilung Männerwelt Beruf-Frauenwelt Familie ist historisch überholt
und gefährdet den Bestand der Ehebeziehungen. Solange jedoch die Frauen das ihnen von den
Männern angetragene Rollenbild als „Nur-Hausfrau“ mit unbezahlter und unterbewerteter
Dauer-Dienstverpflichtung akzeptieren, werden die Männer auch keinen Grund darin sehen,
eine Situation, die ihnen vorwiegend Vorteile bringt, zu ändern und Familienpflichten in
gleichwertigem Maß zu übernehmen. Sie verpassen dabei nicht nur lästige Pflichten, sondern
auch Chancen zur persönlichen Selbsterfahrung und Selbstentfaltung in anderen Lebensbereichen. Ihnen sollte dazu verholfen werden durch intensive Gespräche, konsequentes Verhalten
im täglichen Umgang mit ihnen.
- Noch ein Weiteres: Männer haben oft Angst, durch Übernahme von Tätigkeiten in Haus und
Familie ihr „Image“ zu verlieren. Wichtig erscheint mir, dass Frauen die Männer ernst nehmen und unterstützen, die im Rollentausch oder in Rollenteilung mit ihren Partnerinnen/ihren
Familien neue Formen der Arbeits- und Lebensbewältigung wie Lebenserfahrungen suchen.
Sind wir uns in der Einschätzung der Gesamtsituation wie der Notwendigkeit ihrer Veränderung einig, sollten wir folgende Forderungen an die herrschenden Parteien und einflussreichen
Organisationen, Institutionen vehement stellen:
- Arbeitsteilung von Männern und Frauen in Beruf und in Familie, keine Trennung zwischen
„wichtiger außerhäuslicher“ Arbeit und als selbstverständlich angenommener „unbezahlter
innerhäuslicher“ Arbeit.
- Die Möglichkeit der von äußeren Zwängen freien Entscheidung von Männern und Frauen
bei der Verteilung von Familien- und Erwerbsarbeit.
- gleicher Lohn für gleichwertige berufliche Arbeit
- weniger Berufsarbeitszeit für alle
- Abbau von Nachteilen bei der Teilzeitarbeit und den befristeten Verträgen.
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- Öffnung von Tätigkeitsbereichen für Frauen, die bisher fast ausschließlich Männern vorbehalten wurden
- Besserer Zugang von Frauen zur beruflich-fachlichen Weiterbildung im Betrieb durch dezentrale Weiterbildungsangebote für Frauen bei gleichzeitiger Kinderbetreuungsmöglichkeiten (Kinderganztagstagesstätten mit variablen Öffnungszeiten), Ganztagesschulen, Ausbau
des Berufes „Tagesmutter/Tagesvater“
- Wiedereinstellungsgarantie für Mütter/Väter, die nach der Geburt des Kindes einige Jahre
die Berufstätigkeit unterbrechen wollen und vieles, vieles mehr!!
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