Predigt vom 28.2.2016, Pfr. Ernst Kolb

Gottesdienst vom 28. Februar 2016, 10.00 Uhr
mit Abendmahl
„Kann ein heutiger Mensch Jesus überhaupt noch
nachfolgen?“ (Lukas 9,57-62)
Pfarrer Ernst Kolb
Orgel: Wolfgang Rothfahl
Grusswort
Mir sind zämecho,
zum a d Quelle vo eusem Läbe zsi, bi Gott.
Mir wänd – i de Nochfolg vo Jesus – gmeinsam Schritt go uf em Wäg vome
fridliche und liebevolle Mitenand.
Und uf däm Wäg wärded mir gstärcht dur d Chraft vom Heilige Geist.
Im Psalm 25 heissts:
„Meine Augen sehen stets auf den Herrn.“ (Psalm 25,15)
Amen
Begrüssung
Okuli – das ist der Name des 3. Sonntags der Passionszeit. Den Namen hat er
von Psalm 25. „Meine Augen (oculi) sehen stets auf den Herrn.“ – An diesem
Sonntag hat man sich speziell gefragt: Wonach richte ich mein Leben aus? Eine
geistige Laufbahnplanung könnte man dem vielleicht sagen! Was für eine
Christenkarriere schwebt mir vor Augen?
Lied „Jesu, leite mich stark und festiglich“ (815 1-4)
Zinzendorfs Bitte, dass der göttliche Geist mich führe auf meinem Weg!
Gebet
O Gott, mängmol bini so iipschlosse i mim Alltag.
I strample mi ap mit all dene Uufgobe und Pflichte,
i schlag mi ume mit Sorge und Problem,
alles goht über langi Ziit sin gwohnte Tramp!
Hilf mer doch, mach mi unrueig, weck mi uf,
dass i mich psinn uf das, was s Läbe würklich chönnti sii.
I will doch nöd versticke, i will doch nöd undergo
i all dene Näbedsächlichkeite, wo so vil Platz iinämed i mim Läbe.
O Gott, schick mer e Vision vo däm, wie du dir mis Läbe tänksch.
Rüttle mich uuf, dass i muetiger wärde und mich ufs offni Meer woge,
mis Läbesschiffli isch doch nöd nume defür paue, zum im Hafe umezdümple!
O Gott, bis du mir Wägwiiser für mini Laufbahn, für min Läbeswäg!
Führ mich a dinere Hand.
Die Perspektive, wo du eus büütisch, versprächend ganz anderi Erfüllig, als die
vo eusere Wirtschaft und vo eusere Zerstreuigsindustrie.
Weck i mir d Luscht und d Uusduur, mich uf das Abentüür iizloh!
Bis du min Laufbahnberoter!
Amen
Lobstrophe „Aller Augen warten auf dich“ (97 2x)
Es Gotteslob uf dä, wo öis nährt, öisen Liib und öisi Seel. Mir singed die Vers
us em Psalm 145 zweimal.
Lesung: Lukas 9,57-62
Und als sie so ihres Weges zogen, sagte einer zu ihm: Ich will dir folgen, wohin
du auch gehst. Jesus sagte zu ihm: Die Füchse haben Höhlen, und die Vögel des
Himmels haben Nester, der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein
Haupt hinlegen kann.
Zu einem anderen sagte er: Folge mir! Der aber sage: Herr, erlaube mir, zuerst
nach Hause zu gehen und meinen Vater zu begraben. Er aber sagte zu ihm: Lass
die Toten ihre Toten begraben. Du aber geh und verkündige das Reich Gottes.
Wieder ein anderer sage: Ich will dir folgen, Herr; zuerst aber erlaube mir,
Abschied zu nehmen von denen, die zu meiner Familie gehören. Jesus aber
sagte zu ihm: Niemand, der die Hand an den Pflug legt und zurückschaut, taugt
für das Reich Gottes.
Amen
Lied „Mir nach, sprich Christus, unser Held“ (812 1+2+5+6)
Den unerbittlichen, lockenden Ruf von Jesus, ihm nachzufolgen, hat Johann
Scheffler (Angelus Silesius) in starke Verse gebracht.
Predigt
Liebi Gmeind!
Es schtarchs Stuck, wo de Jesus do büütet. Zum einte, wo mit ihm möcht uf de
Wäg go, seit er: Bisch du diir bewusst, was das dänn würkli heisst? Das heisst:
„Underwägs-Sii“! I büüte kei Näscht und kei Höhli. Kei Wöhli. Kei
Gmüetlichkeit.
Eme andere, wo zerscht no will d Beerdigung vo sim Vatter organisiere, seit er:
„Di Tote sölled di Tote begrabe.“ Das isch jo en Skandal –
Letschti Wuche hämmer zweimal Abschied gno, uf em Friedhof. Wie chamer
verstoh, dass Jesus seit, das söll mer de Tote überlo? Dene aber, wo mit ihm
wänd go, seit er: „Ihr sölled s Gottesriich verchündige!“
Und dem, wo sine Aaghörige will Adiö säge, vor er mit em Jesus goht, dä
chunnt z ghöre über: „Niemer, wo aafangt pflüege und hindere lueget, isch
ggeignet fürs Riich Gottes!“
Härti Wort! Wäni mi würklich entscheide und säge: „Jesu, geh voran, auf der
Lebensbahn und ich will nicht verweilen, dir getreulich nachzueilen!“ dänn
schloht mir Jesus die dick Poscht um d Ohre: Ich büüte dir keis Dihai! Di Tote
söllsch de Tote überlo. Und du söllsch joo nöd zrugg luege. Bi mir gohts nume
vürschi. Gottes Riich isch do vorne – chumm, los!
Die Radikalität cha eim Angscht mache. Dä Wäg vo de Nochfolg isch glaub
gliich nüt für mich! I bi doch kein Revoluzzer. I bi doch kein Uusstiiger. I bi
doch nöd so fanatisch fromm! Sonen Füerigsstil behagt mir gar nöd. Sones totals
Entwäder-Oder!
Eso villicht di erschti Reaktion. Dänn aber frög i wiiter: Jo, aber was will de
Jesus dänn eigentlich? Will er eifach, wie en Guru, dass Mänsche alles gheie
lönd und ihm nohlaufed? Will er gross usecho? Und verlangt er drum – wie so
mänge Sektefüerer – dass d Aahänger ali Brugge hinder sich abbräched? Nei,
das will er nöd! Im Gägeteil! Er will, dass mir mit öisem Läbe s Gottesriich
verchünded und dra baued. Er will doch, dass mir möglichscht vil Brugge
schlönd im Läbe. Liebe – das heisst doch: Brugge baue! Er sälber isch jo
dauernd am Brugge baue, au zu dene, wo niemer susch Interesse hät. Er will
doch, dass ich liebesfähiger wärde – au mit dene radikale Wort hät er sicher nüt
anders im Sinn. Wänn also Jesus dene, wo mit ihm wänd go, so Sätz an Chopf
rüert, dänn nume, zum ihres Läbe besser und riicher und erfüllter z mache.
I will drum die Sätz jetz nomel aaluege – noch em erschte Schock – und mi
frööge: Was händ die dänn a Verheissigsvollem, a Vielversprechendem a sich?
Wo chönds eus neui Perspektive uuftue?
Ich glaube, mit überspitzte Forderige will Jesus öis usezhole us de billige
Kompromiss, wo s Niveau vo eusem Läbe dune phalted und eus nöd uusschöpfe
lönd, was eigentlich drin liege würdi. Noch eusem Glaube isch de Mänsch d
Chrone vo de Schöpfig und nöd dezue gschaffe, es laus und es fads Läbe z läbe.
Mir söled eus nöd ewig im Kreis trülle, psunders wenns en Tüüfelskreis isch. Er
will eus er-löse vo eusne Chettene, wo eus a di tödliche Gwohnete fessled. Mues
e verfahreni Situation verfahre bliibe? Mues de Charre im Dräck steckebliibe?
Müend alti Gschichte immer wider uufgwärmt wärde? Muemer immer wider s
gliich alt Lied singe? Oder mues i akzeptiere, dass anderi immer wider s gliich
alt Lied singed? Mues i mich feschtnagle lo uf öppis Altem und Vergangenem?
Hani dänn kei Chance me, en anderi, en andere zwärde? –
(Geschichte unserer Nachbarin in der ersten Gemeinde – „Was Hänschen nicht
lernt, lernt Hans nimmermehr!“)
Hani kei Chance me, en anderi, en anderi, en andere zwärde? – Doch, i ha! Das
isch d Botschaft vo Jesus! Nüt isch eifach feschtgleit. Nüt gilt für ewig! Nüt
mues so bliibe, wies immer gsi isch! S letscht Wort isch no nöd gsproche. Mir
sind offe – gäge vüre!
Und es isch ja au mini Erfahrig, am eigene Liib, im eigene Innere. I de letschte
Johr hät sich so mängs Alts, Verhockets, Iigschliffes, Tödeligs i mir ine
verändere törfe. Und dä Prozess goht immer no wiiter. Grad geschter isch mer bi
däm Male im Chilegmeindhuus wider e Tüür ufggange – es Gottesgschänk! Und
immer wider verzelled mir au anderi, wie sie erläbe törfed, das sie verwandlet
wärded. Wämmer eus uftüend für die Veränderig. D Froog isch: Will ich gsund
wärde? Will ich mich heile lo? Will ich mich verwandle lo? Und do dezue mues
ich d Auge uufmache, vüre luege, mich uf de Wäg mache, s Toti i mim Läbe
hinder mir lo und s Ziil nöd us de Auge verlüüre.
Ich will das i drüü Grundsätz fasse, aaglehnt a die drüü Sprüch vo Jesus!
„Die Füchse haben Höhlen, und die Vögel des Himmels haben Nester, der
Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann.“ –
Grundsatz 1: Ich will underwägs sii und bliibe und mi niene total
sässhaft mache!
Es git vil alti Gschichte, wo eus dra wänd erinnere, dass mer do uf däre Ärde
nume uf de Durchreis sind. „Ich bin ein Gast auf Erden!“ Und wie benimmt mer
sich als Gascht underwägs? Me ramüsiert nöd z vil zäme, das isch nume
Ballascht. Me isch em Gaschtgeber dankbar. Me isch ufmerksam und offe. Und
äbe, me richtet sich nöd eso ii, wie wämmer nie me gängti! Me gnüüsst
irgendwie au bewusster, will mer jo nie weiss, ob das nöd s letscht Mol isch. So
wies de Mozart – ganz e bekannti Gschicht – sim Vatter emol gschribe hät.
„Weisch, i ha kei Angscht, jede Tag emol dra ztänke, dass i emol nüme do bi.
Dänn gnüüss is nume umso meh!“
Überhaupt: alles isch em Wandel underworfe, ales bewegt und entwicklet sich,
wachst und vergoht wider, au mir alli. Wie chönnted mir eus de Illusion hiigeh,
das mir eus endgültig und gmüetlich chöned iirichte?
Jesus will eus uf em Wäg haa. Er sälber, hät er gseit, isch de Wäg, de Wäg zum
Mitmänsch, de Wäg zu Gott. Das macht er eus vor. Läbe – das heisst nüt anders
als: in Bewegig sii, in Bezieig sii, Schritt mache, immer wider Schritt mache, uf
dich zue – susch fangts aa tödele und eusi Gmeinschaft stirbt!
„Lass die Toten ihre Toten begraben. Du aber geh und verkündige das Reich
Gottes“. – Grundsatz 2: Ich will em Tod nöd z vil Platz i mim Läbe gäh,
nei, i will s Läbe und Liebi in Vordergrund stele!
Es gaht da em Jesus sicher nöd drum, öis z verbüüte, dass mir Abschied nämed
vo dene, womer gärn händ. Aber er gseht, dass mir em Tote und Erstarrte im
Läbe zvil Platz lönd. Wie liecht tuet mer sich verhärte und wird stur und
festgfahre. Hinderfrög ich mich eigentlich au no öppe? Isch mer no klar, dass
mer e Sach vo verschidene Siite her cha aaluege? Ich finde s erschreckend, wie
stur und festgfahre und ungnädig i de Politik mit de Gägner umgsprunge wird.
Das isch doch au de Tod, de Tod vonere politische Kultur, wo weiss, dass mer
erscht im (faire) Striit vo de Meinige zuenere guete Lösig chunnt. De ander
abemache – das isch au e Form vo Mord und Totschlag! Die Sturheit, die
parteilich Iiängig, die behinderet jedi guet Entwicklig und vergiftet nume s
Klima.
Jesus hät i sinere Ziit gäge die kämpft, wo so genau gwüsst händ, was guet und
was bös isch, was schwarz und was wiiss, was links und was rächts. Dänn dä
Fanatismus, dä isch zerstörerisch. Im Name vo de Reinheit (Pharisäer heisst „die
Suubere“) sind scho immer di schlimmschte Verbreche begange worde. S Läbe
isch nöd so eifach, s Läbe haltet sich nöd a eusi Vorstellige. Drum wird nume en
bewegliche, en flexible Mänsch em Läbe au grächt. Und au de Liebi. Wänni dä,
woni gärn ha, so will ha, wies mine Vorstellige entspricht, dänn hanen gar nöd
gärn. Dänn isch das kei Liebi, sondern reine Egoismus. D Liebi freut sich am
Läbe vom andere, a sinere Entwicklig, a dem, womer nöd cha festlege, wo
immer no offe isch und immer neu en Überraschig. Es isch tüüf beiidruckend z
gseh, wie Jesus i däre alte Ziit mit sonere Offeheit uf d Mänsche zue isch – und
sich überrasche lo hät. Nei, um ihn ume häts nöd tödelet. Drum isch sin Tod au
nume vorübergehend gsi, er isch – als de Prototyp vom offene Mänsch – us em
Grab ufgstande! Und hät em Tod endgültig de Rucke zuegchehrt.
„Niemand, der die Hand an den Pflug legt und zurückschaut, taugt für das
Reich Gottes“. – Grundsatz 3: Ich will nöd zrugg, nei, füre luege – uf s
letscht Ziil, uf GOTT!
Do gohts eigentlich nomel ums genau gliich. Hinder mir isch das, was verbii
isch. Was i nüme cha ändere. Was für mich also tot isch. Drum söll i mi vo dem
nöd beiiflusse lo. Nei, i söll vüre luege. I die Richtig, woni au laufe, schaffe.
Wänn en Puur bim Pflüege zrugg lueget, dänn wird d Furi chrumm, dänn isch
sini Arbet schlächt gmacht, will en Teil vom Acker dänn nöd würklich
umgchehrt und so für d Saat parat wird.
Nachfolg heisst also: muetig sich nach vüre orientiere. Und das chömmer dänn,
wämmer uf Jesus lueged. Mir händs gseh im Bibelseminar Bergpredigt mit em
Jörg Büchli! D Angscht will das verhindere.
D Angscht macht, dass mir öis sorged, dass mir öis feschtchlammered a dem,
was verbii isch, d Angscht isch es, wo öis lähmt. Drum, wies de hüttig Sunntig
öis vorschlaht: „Meine Augen sehen stets auf den Herrn!“
I will s Gseiti zum Schluss nomel zämefasse, mit Wort useme Buech, wo heisst
„Geheilt werden“! Es isch so öppis wiene Ufmunterig:
Ich lebe mis Läbe und mini Lebändigkeit.
Und viles, was i mir isch, läb i nöd: das isch s Uugläbti.
Wänn törf das Uugläbti läbig wärde? Wänn, wänn nöd jetz?
Nöd warte, uf spöter, uf irgendwänn emol.
Ich glaube as Läbe vor em Tod.
Vili glaubed as Läbe noch em Tod und warted… und hoffed…
und trösted sich demit über iri Situation ewägg.
Ich möcht läbe – jetzt, do, hütt. Ganz präsent.
Spüüre, was drängt, was wartet, was ob isch,
was i mim Läbe uf e Veränderig drängt.
Wänn, wänn nöd jetz? Uf was warti no?
Amen
Zwischenspiel
Abkündigungen mit kurzem Choral
Fürbitten
Mir bätted für ali, wo vo de Alltagssorge fascht verdruckt oder vo Läbesängscht
gwürgt wärded,
für ali, wo ihres Eländ akzeptiert händ und inere tüüfe Resignation stecked,
für ali, wo fascht versticked i ire momentane Läbesumständ,
für ali, wo satt und selbschtzfride im eigene Saft schmoored
und für ali, wo sich uf en egoistische Läbesstil zruggzoge händ! (im Sinn vo:
Nach mir die Sintflut!)
Gott, schick ihne Wecksignal, wo sie useholed us ihrem Loch,
mach ihne Muet für diin Wäg, d Wanderschaft zum Riich Gottes.
Gib ihne de Schwung zum Start, wänn ihne de Uufbruch schwär fallt,
gib ihne Durchhaltechraft, wänns ufere Durschtstrecki sind
und hilfe ene träge, wänn s Chrütz si fascht an Bode truckt.
Jo, Gott, beschänk eus mit em Geist vo de Freiheit,
wo eus Freud und Lust macht, neui Wäg under d Füess znäh.
Und allne, wo truurig und verzwiiflet sind,
tue tröschte und schick ene es Liecht i ihres Dunkel.
Amen
Lied zum Abendmahl „Seht, das Brot“ (318 1,4,5,6)
Abendmahl – Austeilung mit Musik
Schlusslied „Korn, das in die Erde“ (456 1-3)
Segen
Ausgangsspiel