Aktuell 21/2015 - Deutscher Richterbund

Ausgabe 21/2015
21.08.2015
Personalnot in Hamburg
Mutmaßliche Straftäter wegen Überbelastung aus U-Haft entlassen
Hamburg. „Chaotische Zustände in der
Hamburger Justiz“ titelte die Welt am
Sonntag und entfachte damit die Debatte um
die Personalnot in der Hamburger Justiz. Die
Strafrichter des Landgerichts Hamburg hatten
Justizsenator Till Steffen (Grüne) bereits im
April in einem internen Brief darauf
hingewiesen, dass sie stark überlastet sind
und eine Liste mit 40 Fällen vorgelegt, die die einzelnen Strafkammern ihrer
Ansicht nach nicht ausreichend fördern konnten. Die Welt machte nun
mehrere Fälle öffentlich, die scharfe Kritik hervorrufen. So konnten etwa
Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern und Vergewaltigung nicht
zeitnah behandelt werden. Bekannt wurden auch zwei Fälle, in denen
insgesamt drei Angeklagte – mutmaßlich nach schweren Straftaten wie
Totschlag
und
versuchter
räuberischer
Erpressung
–
aus
der
Untersuchungshaft entlassen werden mussten, weil die Verfahren zu lange
dauerten. Der Vorsitzende des Hamburgischen Richtervereins, Marc Tully,
sagte gegenüber der Welt: "Die Ursachen für die Verfahrensverzögerungen in
Hamburg liegen vor allem in der unzureichenden Ausstattung der Justiz."
Justizsenator Steffen ließ laut Welt zunächst seinen Sprecher mitteilen, das
Landgericht sei sehr wohl verfassungsmäßig ausgestattet. Im Hamburger
Abendblatt sprach Steffen anschließend von einer angespannten Personallage
der Gerichte. Er wolle Gerichte und Staatsanwaltschaften von weiteren
Sparverpflichtungen ausnehmen.
Bessere Qualifikation für Gutachter
DRB begrüßt Gesetzentwurf zu Änderung des Sachverständigenrechts
Berlin.
Bisher
müssen
Gutachter
in
familienrechtlichen
Verfahren
keine
bestimmte
Qualifikation
vorweisen,
um
familienpsychologische
Gutachten
zu
erstellen. Das soll sich ändern - der
Bundesjustizminister hat einen Gesetzentwurf
vorgelegt, mit dem die Qualifikation von
Gutachtern verbessert werden soll. DRB-Präsidiumsmitglied Joachim
Lüblinghoff hat die Pläne begrüßt: „Es ist richtig, dass der Gesetzgeber jetzt
klare Vorgaben macht.“ Jedes Jahr werden nach Angaben des DRB bis zu
10.000 Gutachten in familiengerichtlichen Verfahren erstellt. „Nach den
Erfahrungen aus der Praxis weisen bis zu zehn Prozent der Gutachter keine
hinreichende berufliche Qualifikation auf. Das bedeutet: Jährlich könnten bis
zu 1000 Gutachten fehlerhaft sein“, erklärt Lüblinghoff. Künftig müssen die
Gutachter etwa eine psychologische, medizinische oder pädagogische
Berufsqualifikation
nachweisen.
„Allerdings
sollte
der
Gesetzgeber
überdenken, ob allein eine pädagogische Ausbildung ausreicht, um ein
familienpsychologisches Gutachten zu erstellen“, so Lüblinghoff. Zudem sieht
der Gesetzentwurf Änderungen der Zivilprozessordnung vor, um das
Vertrauen in die Unabhängigkeit und Neutralität von Sachverständigen zu
erhöhen. Insbesondere soll das Gericht die Parteien anhören, bevor es einen
Gutachter ernennt. Außerdem muss der Gutachter das Gericht sofort
informieren, falls Gründe vorliegen, die seine Unparteilichkeit in Frage stellen.
Für Lüblinghoff geht auch das in die richtige Richtung: „Es führt zu mehr
Transparenz – und damit auch zu einer höheren Akzeptanz der Gutachten.“
Neues aus Europa
Verfahrensgarantien für Kinder – Small Claims – EU-Staatsanwaltschaft
Brüssel. Mit Sorge sieht der DRB die
Verhandlungen
zur
Richtlinie
über
Verfahrensgarantien in Strafverfahren für
verdächtige oder beschuldigte Kinder. Die
unter anderem im Kommissionsentwurf und in
der
Stellungnahme
des
Europäischen
Parlaments enthaltene notwendige Beiordnung eines Verteidigers auch gegen
den Willen des Kindes während des gesamten Verfahrens geht aus Sicht des
DRB an der Praxis in Deutschland vorbei und berührt grundlegende Aspekte
der deutschen Strafprozessordnung. Dies geht aus einer Stellungnahme des
DRB hervor, die in Kürze veröffentlicht wird.
Zur sogenannten small-claims-Verordnung haben sich Rat, Parlament und
Kommission im Trilogverfahren auf eine Anhebung der Streitwertgrenze von
bisher 2.000 Euro auf 5.000 Euro geeinigt; die Kommission hatte ursprünglich
eine Erhöhung auf 10.000 Euro gefordert. Zudem soll der Anwendungsbereich
der Richtlinie entgegen des Kommissionvorschlags nun nicht erweitert
werden. Der DRB hatte sich in seiner Stellungnahme gegen die Anhebung der
Streitgrenze und die Änderung des Anwendungsbereichs ausgesprochen. Die
förmliche
Annahme
des
Verhandlungsergebnisses
im
Plenum
des
Europäischen Parlaments und im Rat stehen noch aus.
Die Beratungen zur Europäischen Staatsanwaltschaft (EPPO) verlaufen sehr
zäh und offenbaren erheblich voneinander abweichende Auffassungen der
Mitgliedstaaten sowohl zur Struktur der Behörde als auch zum anwendbaren
Verfahrensrecht; ein Ende der Verhandlungen ist nicht in Sicht. Einige
Mitgliedstaaten stellen bereits Sinn und Zweck der Behörde in Frage.
Die Liste neuer Vorhaben der EU-Kommission im Bereich der Justiz gestaltet
sich nach wie vor überschaubar. Neben Konsolidierung und Implementierung
gibt
es
nur
wenige
neue
Vorhaben;
darunter
ein
öffentliches
Konsultationsverfahren über Vertragsbestimmungen für den Online-Erwerb
von digitalen Inhalten, das als erneuter Versuch zur Entwicklung eines
europäischen Vertragsrechts gewertet wird. Der DRB wird sich an dem
Konsultationsverfahren beteiligen.
Redaktion: Annelie Kaufmann, Claudia Keller
Mitarbeit: Konstantin Hoffmann
Bilder: fotolia
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