Psychologie des Bösen Teil 3: Die Stone-Skala – ein Versuch der Kategorisierung Wie wir bereits gesehen haben, ist die Bandbreite der möglichen Verbrechen breit und reicht häufig weit über unsere Vorstellungskraft hinaus. Doch gibt es innerhalb dieser Extreme weitere Unterschiede? Und wie könnte man diese systematisch ausdrücken? Der forensische Psychiater Dr. Michael Stone hat sich genau daran versucht und seine Idee revolutioniert die forensische Psychiatrie: Er entwickelte eine Skala von 1 bis 22, die es Ermittlern und Richtern ermöglichen soll die Taten, Motivationen und Hintergründe zusammenzufassen und festzustellen, wie böse ein Mensch wirklich ist. Ist er gemein und niederträchtig, böse oder besonders böse? Dieses Vorgehen ist streng genommen nicht wirklich wissenschaftlich, denn der Begriff des „Bösen“ ist eine moralische Kategorie und somit unwissenschaftlich. Dr. Stone ist jedoch der Ansicht, dass es angesichts eines bestimmten Typus von Verbrechern angemessen ist, diesen Begriff zu verwenden: „Wir sprechen über Menschen, die erschütternde Taten begehen, und zwar wiederholt, die wissen, was sie tun, und die in Zeiten des Friedens handeln“ (Stone in der New York Times) Erinnert Euch das an das erste Video? Stone spricht hier von genau dem antisozialem Verhalten das dort vorgestellt wurde, denn es besteht die Absicht jemandem zu schaden. Doch wie ist Dr. Stone vorgegangen bei der Entwicklung seiner Skala? Zunächst einmal untersuchte er die Lebensläufe von mehreren Hundert Schwerverbrechern. Auf der Basis dieser Analysen entwickelte er seine „Skala der Grausamkeit“. Dr. Stones Eingruppierung der Formen von Mördern (mögliche Beispiele um Abstufungen zu verdeutlichen sind farblich hinterlegt) 1. Menschen, die aus Notwehr töten („gerechtfertigte Tötung“ nach US-Recht) 2. eifersüchtige Liebende, die egozentrisch und kindlich sind, aber keine Psychopathen (Verbrechen aus Leidenschaft) 3. willige Beihelfer von Mördern: extrem impulsiv, mit asozialen Merkmalen 4. Menschen, die aus Notwehr töten, sich zum Opfer extrem provozierend verhielten 5. traumatisierte Menschen, die gewalttätige Verwandte oder andere töten (z.B., um eine Drogensucht zu finanzieren). Nach der Tat voll echter Reue 6. ungestüme, hitzköpfige Mörder ohne besondere psychopathische Merkmale 7. extrem narzisstische, nicht auffällig psychopathische Menschen mit psychotischem „Kern“, die Nahestehende töten (Motiv: Eifersucht) 8. Nichtpsychopathen mit unterschwelliger Wut, die töten, wenn Wut sich entzündet 9. eifersüchtige Liebende mit psychopathischen Merkmalen 10. Mörder von Zeugen oder Menschen, die „im Weg“ sind 11. Psychopathen, die Menschen töten, weil sie ihnen „im Weg“ stehen 12. machthungrige Psychopathen, die töten, wenn in die Enge getrieben 13. Psychopathen mit von Wut angetriebenem Persönlichkeitsbild, die „durchdrehen“ 14. rücksichtslose, egozentrische, psychopathische Intriganten 15. psychopathische, „kaltblütige“ Amokläufer oder Mehrfachmörder 16. Psychopathen, die gewalttätige Verbrechen begehen 17. sexuell perverse Serienmörder, Foltermörder Psychologie des Bösen Teil 3: Die Stone-Skala – ein Versuch der Kategorisierung 18. Foltermörder, bei denen Mord primäres Motiv ist 19. Psychopathen, die zu Terrorismus, Vergewaltigung getrieben sind 20. Foltermörder, deren Hauptmotiv Folter ist, aber mit psychotischer Persönlichkeit 21. Psychopathen, die von extremen Foltervorstellungen besessen sind, von denen aber nicht bekannt ist, dass sie getötet haben 22. psychopathische Foltermörder, deren Hauptmotiv Folter ist, Sexualmord Und auch andere Psychologen beschäftigen sich damit, das „Böse“ greifbar und erfassbar zu machen. Ein prominenter Vertreter ist Robert D. Hare, ein kanadischer Kriminalpsychologe der eine Checkliste zur Psychopathie entwickelte. Bereits im letzten Video habt ihr die verschiedenen Arten von psychischen Störungen die Verbrechen zugrunde liegen können kennen gelernt. Wichtig ist jetzt noch einmal, dass ihr euch an den Unterschied zwischen dem impulsiven Soziopathen und dem charmanten Psychopathen erinnert. Häufig werden diese beiden Begriffe auch von Experten synonym verwendet, obwohl sie es nicht unbedingt sind – wie ihr ja bereits wisst. Trotzdem treffen wegen der vielen Gemeinsamkeiten auch viele Merkmale des Psychopathen auf den Soziopathen zu – und umgekehrt. Wir sollten bei der Begriffsverwendung also nicht allzu pedantisch werden… Doch wie kann man jetzt einen Psychopathen oder Soziopathen erkennen? Hierbei ist die Psychopathie Checkliste von Hare hilfreich. Sie umfasst 2 Faktoren: Faktor 1: Persönlichkeit „Aggressiver Narzissmus“ (Kernmerkmale der psychopathischen Persönlichkeit, selbstsüchtig und ausnützlerisch – stabil über die Lebenszeit) Oberflächlicher Charme, gute Konversation Überhöhtes Selbstbild Krankhaftes Lügen Manipulativ Unfähig Reue zu empfinden Unfähig zu tiefen Gefühlen Fehlende Empathie Unfähig Verantwortung zu übernehmen Faktor 2: „Sozial abweichender Lebensstil“ (Verhaltensstörung, chronisch instabiler und antisozialer Lebensstil – tendenziell Abnahme mit dem Alter) Schnell gelangweilt, stets auf der Suche nach einem ‚Kick‘ Lebt gern auf Kosten anderer Leute Schlechte Selbstbeherrschung Promiskes Sexualverhalten Fehlen realistischer langfristiger Ziele Wie ihr merkt: Nicht nur uns fesselt dieses Thema. Impulsivität Verantwortungslosigkeit Jugendkriminalität Frühe Verhaltensprobleme Bewährungsversagen Psychologie des Bösen Teil 3: Die Stone-Skala – ein Versuch der Kategorisierung Auch anderweitig gibt es in der Wissenschaft weltweite Forschungsanstrengungen. Gerade die neuen technischen Möglichkeiten der Untersuchung des Gehirns bringen erstaunliche Erkenntnisse zum Unterschied zwischen Soziopathen und gewöhnlichen Kriminellen (wobei auch hier wieder zu beachten ist, dass auch viele Psychopathen diese Merkmale aufweisen): - - Soziopathen/Psychopathen haben eine gestörte Wahrnehmung: Im Gegensatz zu gewöhnlichen Kriminellen verarbeiten sie Reize vollkommen gleich, egal ob diese neutral (wie das Wort „Butter“) oder gefühlsbetont sind (wie das Wort „verstümmeln“) Auch ist ihr Präfrontaler Cortex um bis zu 14% geschrumpft. Der Präfrontalcortex ist der „Sitz der Zivilisation“ und verantwortlich für die Unterscheidung zwischen „gut“ und „böse“ Ebenso kennen sie keine Angst: Ihr Mandelkern, unser „Angstzentrum“, ist chronisch untererregt Die Frage ist nun: Was bringen all diese Erkenntnisse und Eingruppierungen? Hilft es bei der Therapie der Soziopathen und Psychopathen? Leider ist es so, dass Kriminologen der einhelligen Meinung sind, dass Soziopathen und Psychopathen quasi behandlungsresistent sind. Vielmehr nutzen sie ihre Einsichten aus der Therapie um noch effektiver und „besser“ zu werden. Vielleicht müssen wir uns einfach damit abfinden, dass es das „Böse“ gibt, dass es da draußen ist und darauf vertrauen, dass „die Andere“ Seite, die Ermittlungsbehörden mit all ihren Fachleuten sie erkennen und verhaften. Und das bringt uns dann auch schon zu unserer vierten und letzten Folge: Wie sieht es auf der „anderen Seite“ aus? Wie funktioniert Profiling und wie erstellt man ein Profil? Seid gespannt – wir werden gemeinsam zu Profilern in einem sehr bekannten Fall.
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